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MUT, Die Bibels    27.09.1997    Geithain, St. Nikolai
von rls

Auf Einladung der örtlichen Jungen Gemeinden und mit materieller Unterstützung einer Reihe einheimischer Firmen gastierte die Wiesbadener Band MUT an besagtem Frühherbstabend in Geithains Wahrzeichen, der Stadtkirche St. Nikolai. Und siehe da, die Kirche war ordentlich gefüllt, was auch dort sonst nur noch zu Weihnachten vorkommt.
Als unangekündigte Vorband durften die Bibels drei Songs zum besten geben. Obwohl einer der örtlichen Jungen Gemeinden entsprungen, war mir die Band - Schande über mich - bisher apocryph geblieben. Stolze zwölf (!) Leute tummelten sich auf der Bühne, und zwar in fast paritätischer Besetzung (sieben Damen und fünf Herren). Fiel der erste Song noch durchs Qualitätsraster durch, so zeigte er doch schon das Talent des weiblichen Wesens am Leadgesang. Hernach beglückte uns die Band mit einer allein schon durch den weiblichen Gesang und die traumhaft schönen Backingvocals einzigartigen Version von "Knocking on Heaven´s Door", die zumindest die Guns´n´Roses-Version in puncto Gänsehautkompatiblität locker ausknockte. Leider sang beim abschließenden "Smoke on the water" dann ein Herr (das Ding mit female vocals wäre bestimmt auch genial gewesen), wobei auch der neue deutsche Text nicht von schlechten Eltern war (Chorus: "Alles zu Ende? - Jesus hängt am Kreuz."). Wenn die Band ihre Pluspunkte weiter konsequent ausbaut, kann hier durchaus Größeres heranreifen.
MUT waren in der Ankündigung im Lokalblatt als Deutschrock einschubladisiert worden - etwas unglücklich meiner Meinung nach. Zwar singen sie tatsächlich deutsch und sind auch dem gigantischen Spektrum der Rockmusik zuzurechnen, aber mit dem musikalischen Terminus "Deutschrock" verbindet man ja nun eher Namen wie Grönemeyer oder Westernhagen, und mit denen hatten MUT nun wahrlich nicht viel am Hut (genialer Reim ...), packten vor allem härtetechnisch noch einen Grad drauf. Die größtenteils kräftigen Riffs von Gitarrist Jochen bildeten zusammen mit dem von Klaus (b) und Tobias (dr) gelegten Rhythmusteppich (in den letztgenannter allerdings einige leichte Timingschwankungen einwebte) das Fundament, auf das Keyboarder Friedhelm diverse Koloraturen setzte, bei denen er bewies, daß er Tony Carey und Rick Wakeman wohl nicht nur vom Hörensagen kennt, und über alledem thronte Sänger Thomas, bei dem mir auch eine Woche nach dem Konzert noch nicht eingefallen ist, an wen mich seine Stimme erinnert. Die Jungs eröffneten mit "Das fängt gut an", das seinem Namen leider keine Ehre machte, sondern eher langweiligen Midtemporock darstellte. Aber dieser Track sollte der einzige Ausfall des kompletten Sets bleiben. Den ersten echten Höhepunkt markierte "Mit dir", ein mitreißender Song mit einem ohrwurmkompatiblen Refrain, bei dem zwei Damen aus dem Publikum, die justament Geburtstag hatten, die Backingvocals trällern durften. Diverse andere Songs, beispielsweise "Auf der Straße" oder "Keinem von uns ist Gott fern",  standen mit "Schon mal gehört"-Parts leicht auf der Kippe, aber originelle Einfälle wie ein sambaesker Part in erstgenanntem Song machten dann doch noch kleine Kunstwerke daraus. Und die Ballade "Wie auf Wolken" dürfte nicht nur jedem Biker, denn von einem solchen, der nach einem Unfall im Rollstuhl sitzt, handelt der Song, ob seiner Sensibilität die Tränen in die Augen getrieben haben. Überhaupt waren die Texte weder banal-kitschig-nichtssagend noch übertrieben intellektuell (beide Untugenden sind in der deutschsprachigen Rockszene, leider auch in der christlichen Abteilung, nicht gerade selten), sondern schlicht, aber trotzdem aussagekräftig. Und daß die Jungs auch Humor haben, bewies Thomas, indem er in einer Liedpause ins Auditorium fragte, ob denn jemand die Bundesliga-Ergebnisse wisse, da man die Berichterstattung leider verpaßt habe.
Beim abschließenden Blick auf die Uhr bemerkte manch einer überrascht, daß MUT knappe zwei Stunden am Werk gewesen waren. Abgesehen von den erwähnten Schönheitsfehlern war´s richtig klasse.



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