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The Black Holes   28.08.2016   Zedtlitz, Kirche
von rls

Die Schwarzen Löcher erfreuen sich in Spezialistenkreisen einer gewissen Beliebtheit. Die komplett aus sächsischen Pfarrern bestehende Formation tritt allerdings gelegentlich auch in veränderter Besetzung auf, und selbige ist nach diversen Bandnamen-Hilfskonstruktionen im Stile von Die Schwarzen Löcher Spezial oder Pfarrhaus Blues Band mittlerweile auf den Dreh verfallen, den Bandnamen der (parallel weiter bestehenden) Originalformation kurzerhand ins Englische zu übersetzen, was das Problem zumindest so lange löst, wie die Originalformation nicht auf eine Tour durch englischsprachige Länder zu gehen gedenkt. Aber solcherart Pläne existieren zumindest derzeit nicht, und so erlebt das Publikum in der Zedtlitzer Kirche an diesem gewitterverheißenden Sommerabend zwar nicht den ersten Gig des Quintetts, aber den ersten Gig unter der Flagge The Black Holes.
Selbige widmen sich, wie man anhand einer der alternativen Namensgebungen schon vermutet haben könnte, dem Blues oder präziser dem Bluesrock, denn es geht über weite Strecken doch recht kernig zu Werke, wenngleich die Musiker durchaus wissen, wann sie sich zurückzunehmen haben, um entspannte und/oder entrückte Stimmungen durch den Kirchenraum wabern zu lassen. Leider ist der beschallungstechnisch alles andere als einfach, und so gehen die ersten zwei Songs akustisch baden, dann wird's zumindest in instrumentaler Hinsicht deutlich nachvollziehbarer, während der Gesang von Bandkopf/Bühnenaktivposten Henning Olschowsky der Knackpunkt bleibt: Der auf der Empore sitzende Rezensent versteht wenigstens noch Teile der Texte, unten in den Bankreihen soll's noch deutlich problematischer gewesen sein. Das ist schade, denn zu sagen hat Olschowsky durchaus einiges, und das tut er teils mit Eigenkompositionen (sowohl solchen, die für die aktuelle Formation entstanden sind, als auch Uraltwerken aus seinen früheren Bands, deren Aktivitäten teils noch zu DDR-Zeiten begonnen haben - sollte sich ein Leser beispielsweise noch an eine Combo namens Gänseblümchen oder an Mariannes Bluesband erinnern, ist er auf der richtigen Spur), teils auch mit Adaptionen von bekanntem Kirchenliedgut wie "Geh aus mein Herz und suche Freud", in dem das Publikum die rhythmisch stark veränderte zweite Zeile recht kernig mitsingt. Dazu treten Coverversionen anderer Herkunft, beispielsweise "Beamte", hinter dem sich eine umgedichtete Fassung von Grönemeyers "Männer" verbirgt, von Olschowsky mit einer Großportion Selbstironie angesagt (als Pfarrer hat er ja auch eine Art Beamtenstatus) und im Text, soweit man ihn denn versteht, mit einer Mixtur aus Sarkasmus und durchaus tiefgründigen Gedanken transportiert. Aber es gibt auch den umgekehrten Weg, daß bestehende Texte eine Vertonung erfahren, so "Die Entwicklung der Menschheit" von Erich Kästner, aus dem ein klassischer schleppender Bluesrocker geworden ist. Die Tempo- und Stilwahl gestalten The Black Holes dabei durchaus vielschichtig und schrecken dabei auch nicht vor ungewöhnlichen Taktarten und Rhythmen zurück, wie das nicht schnelle, aber trotzdem unwiderstehlich treibende "Ach Gott, vom Himmel sieh darein" unter Beweis stellt, wo Drummer Jörg Ritter zudem, vom Hauptsolo abgesehen, nicht mal mit Sticks, sondern "nur" mit Jazzbesen arbeitet und trotz all der genannten Komponenten dieser Vorwärtsdrang entsteht. Besagtes Lied ist eines von mehreren, dessen Text aus Luthers Feder stammt - das Konzert ist sozusagen eine Begleitveranstaltung zum Lutherfest in Borna, allerdings etwas unglücklich terminiert, da kurz zuvor das Ensemble 1684 sein Konzert in Borna begonnen hat und es durchaus Leute gibt, die sich sowohl für dessen Johann-Rosenmüller-Programm als auch für The Black Holes interessieren, aber eben wegen der Überschneidung nicht beide besuchen können. Sei's drum - man ist auch mit nur einem guten Konzert zufrieden, und ein solches gibt's in Zedtlitz trotz der beschriebenen Sound- und weiterer kleiner Probleme zweifellos ("Keiner von uns ist frei", eine Solomon-Burke-Adaption, gerät zum prima angesoulten Blues, aber der A-cappella-Schluß wird etwas unglücklich abgewürgt). Die wilden Tonartwechsel in der Bluesballade "Du bist" machen genauso viel Hörfreude wie Eric Claptons "Presence Of The Lord", und alle fünf Musiker sind zweifellos Meister ihres Faches (wobei bemerkt werden muß, daß Ritter, ohne damit die anderen abqualifizieren zu wollen, zu den profiliertesten Schlagzeugern hierzulande überhaupt gehört und deswegen vom Musikerstatus her weit herausragt, aber sein Spiel trotzdem in den Dienst der Band und der Sache stellt und Selbstverwirklichungsegotrips nicht nötig hat). Das "Feuerlied" kratzt mit seinem Mix aus einem Reggaebeat und einem hymnischen Refrain an bestimmten Ostrock-Pforten, die "Wir glauben all an einen Gott" dann durchschreitet; mit seiner markanten Akkordstruktur wäre es durchaus sogar liturgiefähig. Der reguläre Teil endet mit "Train To Jordan" in Form eines nur leicht angerockten klassischen Gospels, aber das begeisterte Publikum fordert natürlich Zugaben ein und bekommt zwei: "Ich lebe mein Leben" aus Rilkes "Stundengebeten" bahnt sich zuerst zurückhaltend seinen Weg und fällt durch markante glockenartige Beckenschläge Ritters auf, bevor vor dem Solo ein Tempoausbruch um die Ecke geschossen kommt, ehe der "Schlafblues" mit einem langen Intro-Solo nochmal Olschowskys feines Händchen für Leadgitarrenarbeit unter Beweis stellt (das sein Co-Sänger und -Gitarrist aber auch besitzt). Eine Truppe, die man gerne nochmal bei richtig klarem Sound hören würde!



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