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Dÿse, Dämse   05.08.2016   Jena, Kassablanca
von jmt

Eigentlich soll das Kulturarena-Clubkonzert 23 Uhr beginnen, doch als ich 5 vor 11 noch in der langen Schlange vorm Kassa anstehe, dringen schon fröhliche Dämseklänge heraus. Überpünktliches Anfangen, und das im Kassa!

Dämse
Mit ihrem überaus tanzbaren Diskosound bedämsen die außergalaktischen Herren Phitness (der Gelbe), Gail (der Rote) und Maximus (der Blaue) schon seit einigen Jahren das Publikum in Jena und Umgebung - ein schönes Beispiel für gelungene Integration. Ihre Musik ist so einfach wie wirkungsvoll: Der Gelbe fabriziert am sehr übersichtlichen Schlagzeug einen druckvollen Diskobeat, der Blaue am Bass unterstützt nicht nur den Beat, sondern übernimmt auch die harmonischen Aufgaben, so kann sich der Rote mit Gitarre und Effektgeräten voll und ganz dem Zaubern intergalaktischer Klänge widmen. Der modulare, aus Endlosloops bestehende Aufbau schafft eine hypnotische Atmosphäre, die durch die ansteckende Fröhlichkeit der drei bestens ergänzt wird. Wer da nicht von Anfang bis Ende mithüpfen muss, der … muss wohl noch an seiner Kondition arbeiten. Zur Stärkung werden eigens auf dem Planeten Dämserus gebackene Nachbildungen ihrer Rakenisete verteilt - keine Ahnung, wie die schmecken, hab' keine abbekommen. Immer wieder köstlich aber die zum Mitsingen animierenden Texte: (Männer:) "Je suis une baguette" (Frauen:) "avec de fromage!"
Gegen Mitternacht räumt Dämse die Bühne; selbst der Umbau von kleiner zu noch kleinerer Besetzung braucht ein paar Minütchen, die dem Publikum günstige Gelegenheit für eine Abkühlung verschaffen, denn gleich wird es richtig laut und heiß. Dÿse beginnen ohne Umschweife und ohne viele Worte, denn "wir haben nur bis um fünf Zeit". (Später werden sie allerdings durchaus noch recht gesprächig.) Das 2003 gegründete Duo besteht aus Andrej Dietrich an der Gitarre und Jarii van Gohl am Schlagzeug - mehr braucht es nicht, um ein wahrhaftiges Klanginferno freizusetzen, man könnte auch sagen: um einen Höllenlärm zu veranstalten. Und während sich die Konzertbesucher von Dämse bereitwillig zu einer "Wall of love" animieren ließen, bedarf es hier keiner Animation, sofort tobt ein Moshpit los, später sind auch etliche Stage Diver unterwegs. Viele der Tanzenden geben offenbar niemals ihre Bierflasche aus der Hand, folglich ist der Boden bald flächendeckend von einem glitschigen Bierfilm und stellenweise auch von Scherben bedeckt; dem Verfasser dieser Zeilen gelingt es trotz barer Füße dennoch dank erhöhter Aufmerksamkeit und Glück verletzungsfrei durch das Konzert zu kommen. Aber zurück zur Musik: Diese könnte als in der Tradition von Hardcore Punk, Progressive Metal und Noise stehend bezeichnet werden. Geradlinig im 4/4-Takt durchgehende Stücke gibt es eigentlich nicht, zahlreiche Breaks, abrupte Tempoänderungen, komplexe Metren, teils undefinierbare Taktarten sind üblich. Man merkt, dass die Herren schon ein paar Jährchen zusammenspielen, souverän und einander blind verstehend zelebrieren sie ihre Musik. Zum wahnsinnigen Getrommel und den schweren Gitarrenriffs wird außerdem von beiden gesungen und gekreischt, was das Zeug hält, teils englisch, oft deutsch. Die Texte stehen in ihrer scheinbaren Absurdität nicht hinter der dämseschen Lyrik zurück, werden ebenso eifrig vom Publikum mitgesungen und knüpfen wundersame Assoziationsnetze, sehr schön z.B. in der Seemannsballade mit ihrem von pathetischem Bariton vorgetragenen Refrain: "Sag Hans zu mir!"
Bis um fünf geht das Konzert nicht, ungefähr halb zwei ist Schluss. Und übrigens, falls es nicht aufgefallen sein sollte: Jeder einzelne dieser Sätze enthält mindestens einen Umlaut.

https://soundcloud.com/daemse
http://www.kkt.berlin/bands/artist-details/artist/dyse.html



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