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La Veritá In Cimento   01.07.2016   Leipzig, Philippuskirche
von rls

Die Leipziger Musikhochschule hat ihre Opernproduktionszahl erhöht, und so kommt kurz vor der Sommerpause 2016 noch Antonio Vivaldis Dreiakter "La Veritá In Cimento" in einer auf einen Akt zusammengestrichenen Variante auf die Bretter - und das sind diesmal nicht die des Großen Saals der Hochschule, einer anderen Hochschullokalität oder des Zimeliensaals im Musikinstrumentenmuseum, sondern die eines in den Altarraum der Philippuskirche in Leipzig-Plagwitz gestellten mobilen Bühnenaufbaus. Ob der partiell etwas morbide Charme dieser Kirche den Regisseur Michael Höppner dazu inspiriert hat, die Handlung in die politische Wendezeit der DDR zu verlegen, kann an dieser Stelle weder verifiziert noch dementiert werden, ist aber eigentlich auch egal, da das Gesamtresultat, man muß es leider so sagen, ganz und gar nicht zu überzeugen weiß. Höppner vermischt Handlungselemente, die definitiv noch der Vorwende-DDR angehören, munter mit solchen der direkten Wendezeit, und nur wenn es sein Ziel war, die damals herrschende allgemeine Verwirrung vieler Stellen und Menschen (die vollkommen natürlich war - schließlich hatte niemand Erfahrung mit einer solchen Situation) darzustellen, so hat er dieses Ziel erreicht - seine Lesart dieser schon im Original recht turbulenten Verwechslungskomödie übertreibt es mit den scheinbar kultigen Einfällen definitiv, und da das Ganze generell schwer nachzuvollziehen ist, beginnt der Zuschauer irgendwann mal abzuschalten und die Vorgänge vorn noch zu registrieren, sie aber nicht mehr einzuordnen zu versuchen.
Mit schuld daran ist auf alle Fälle die Musik. Nicht daß Vivaldi etwa einen Stinker komponiert hätte, nein - aber die Kirchenakustik ist der Nachvollziehbarkeit der instrumentalen Linien definitiv nicht förderlich: Viel zu oft kommt von Nick Gerngroß und seinen fünf Mitstreitern links vorn leider nur eine Art Klangmulm. Bei den Sängern sieht es nicht wesentlich besser aus: Ellen Leslie als Kronprinzessin Rosane, die einen der beiden Prinzen des Königreichs von Cambaja heiraten soll (welche dummerweise gleich nach der Geburt vertauscht worden sind, wovon aber nicht alle Protagonisten wissen, was den Rahmen für die erwähnten turbulenten Verwechslungen abgibt), bekommt die Aufgabe zugewiesen, zwischen die einzelnen Gesangsnummern Erklärungstexte zu plazieren, hat aber viel zuviel Hallhallhall auf ihrem Mikrofon, und da sie auch noch mit starkem amerikanischem Akzent spricht, versteht man allenfalls die Hälfte von dem, was sie uns sagen will, was der oben geschilderten schwierigen Nachvollziehbarkeit starken Vortrieb leistet (auf Übertitel hat man verzichtet - ein entsprechender Monitor wäre in der Kirche auch schwer installierbar gewesen). Die bereits angesprochene Kirchenakustik läßt ihre Koloraturen ineinanderlaufen, und das Vibbbbbbbbbrato berührt eher unangenehm. Zudem brechen ausnahmslos alle Sänger klanglich in den unteren Lagen weg und sind nur in den oberen wenigstens halbwegs akustisch vernehmbar - über die italienische Aussprache zu philosophieren wäre an dieser Stelle völlig überflüssig. Eines der größten Probleme aber läßt den Rezensenten verzweifelt fragen, wieso man das nicht schon bei den Proben gemerkt hat: Auf der Bühne ist oft viel Bewegung - und das Getrappel auf den Holzbrettern macht derartigen Lärm, daß die Musik stark beeinträchtigt, nicht selten sogar fast überdeckt wird. Das stört natürlich extrem und sorgt ebenso natürlich dafür, daß die schwierige Nachvollziehbarkeit des Ganzen noch problematischer wird. So akustisch schlecht kann der Rezensent eigentlich nicht gesessen haben, daß dieser Faktor an anderen Stellen der Kirche deutlich weniger ins Gewicht gefallen wäre. Insgesamt bleibt jedenfalls ein hochgradig unbefriedigender Eindruck zurück.



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