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Coogans Bluff, Mother's Cake   23.04.2016   Jena, Kulturbahnhof
von rls

Mutters Kuchen wird an diesem Abend zuerst serviert, ist aus Österreich angeliefert worden und erfreut sich in Jena nicht erst seit diesem Tag unverkennbarer Beliebtheit: Das Trio spielt nicht zum ersten Mal im Kulturbahnhof, die Zuschauerreihen sind gut gefüllt, und so manche refrainartige Passage erschallt nicht nur von der Bühne gen Publikum, sondern auch in Gegenrichtung. Die soeben gewählte Formulierung assoziiert allerdings bereits, daß Mother's Cake zumindest in der Livesituation die klassischen Songwritingprinzipien nicht selten aufbrechen, auch wenn sie immer noch genügend eingängige Passagen in ihrem schwer zu beschreibenden Soundgebräu unterbringen. Hat man am Anfang den Eindruck, Led Zeppelin hätten einen tieferen Eindruck bei dem Trio hinterlassen, so relativiert sich das nach drei, vier songs wieder, denn Mother's Cake beginnen immer mehr harten bis sehr harten Funk in ihren Sound einfließen zu lassen und machen durchaus auch nicht vor mit echten Instrumenten umgesetzten Dancefloor-Anklängen halt, ohne allerdings die Led-Zeppelin-Einflüsse völlig auszublenden (auch wenn gerade die Funkelemente im Sound der Briten nur gelegentlich aufschienen und Mother's Cake dafür etwas weniger Blues in ihr Kuchenmehl eingerührt haben). Die Stimme des auch Gitarre spielenden Leadsängers, die wie eine jugendlichere Version von Robert Plant wirkt, tut ihr übriges dazu, wobei der Drummer mit einer ähnlichen, aber noch höheren und folglich noch jugendlicher wirkenden Stimme die Backing Vocals singt. Äußerst auffäälig ist darüber hinaus das Stageacting des Gitarristen, der, wenn er gerade nicht singen muß, über die Bühne flitzt wie ein Hyperaktiver, dem man eine Woche lang seine Medikamente vorenthalten hat, und auch dann, wenn er singen muß, den Mikrofonständer so oft verstellt, als habe er noch eine dritte Hand neben den beiden, die er üblicherweise zum Gitarrespiel einsetzt. Der Basser, der sich eher im normalen Rahmen bewegt, hält das Ganze musikalisch zusammen und sorgt für einen überwiegend stimmigen Gesamteindruck, der nur dann etwas nervig wird, wenn es sein Saitenkompagnon dann doch mal mit der Aktivität übertreibt. Das Publikum ist in der Summe begeistert, singt wie bereits erwähnt die bekannten Nummern passagenweise fleißig mit, bekommt aber auch neue, gerade erst dem Proberaum entsprungene Songs (ein neues, crowdgefundetes Album ist in Planung) vorgesetzt und schwingt, soweit es der Platz zuläßt, gern das Tanzbein. Der auch vom Soundgewand her überzeugende ca. 75minütige Set endet mit dem von einigen Enthusiasten schon laufend geforderten "Runaway" (nein, keine kaputte Bon-Jovi-Coverversion ...), und ohne eine Zugabe darf das Trio natürlich nicht gehen.
Bei Coogans Bluff haben sich die Publikumsreihen geringfügig gelichtet, was dem Tanzbein geringfügig mehr Platz für seine Aktivitäten bietet, zumal die Rostocker musikalisch auch so manche Gelegenheit zum Schwingen selbigen Körperteils bieten, wenngleich mit doch etwas anderer Stilistik als Mother's Cake. Einstmals als Stoner-Rock-Band gestartet, haben sich Coogans Bluff ins Prog-Genre begeben, allerdings in eine wenig beleuchtete Ecke, die zum einen handfeste Rock'n'Roll-Elemente ebenso integriert wie klassischen Siebzigerrock, zum anderen aber aufgrund des Vorhandenseins eines festen Saxophonisten gewissermaßen automatisch Reminiszenzen an eine bestimmte Phase im Schaffen von King Crimson ins Hirn des Hörers zaubert. Das klingt zunächst wirr oder nach einem Kolonialwarenladen, aber das Quartett schafft es, die Mischung überwiegend nachvollzieh- und zudem wie erwähnt auch noch überwiegend tanzbar zu gestalten. Für den Leadgesang sorgt der mit einem kultigen Topfschnitt ausgestattete Bassist, der ein breites Spektrum vom einschmeichelnden AOR-Crooner bis zum Lemmy-kompatiblen Gurgler beherrscht, und der Saxer steuert, wenn er gerade nicht in sein Instrument bläst, für diverse melodische Gesangsparts eine zweite Stimme bei, was technisch so gelöst wurde, daß er sich niederbeugt und in das vor ihm stehende Mikrofon singt, das so tief steht, daß es normalerweise vor dem Schalltrichter seines Saxophons positioniert ist. Auch ansonsten überrascht die räumliche Anordnung der Musiker: Der Drummer sitzt vorn in der Mitte, die beiden Saitenspieler sind zu seiner Linken bzw. Rechten angeordnet, und der Saxer steht hinten in der Mitte. Nachdem der Soundmensch bei den ersten Nummern einige Schwierigkeiten hatte, die Bläserklänge auch gegen harte Gitarrenriffs durchhörbar zu machen, findet er schließlich eine gute Balance, die allerdings zu gelegentlich sehr hoher Lautstärke führt, was man im Kulturbahnhof sonst eher nicht gewöhnt ist. Aber das Klangbild bleibt trotz allem relativ klar, so daß man akustisch auch problemlos nachvollziehen kann, daß Coogans Bluff gegen Setende nach diversen siebzigerkompatibel mit Improvisationspassagen nachhaltig ausgedehnten (und teils sehr spannenden!) Songs etwas die Luft ausgeht und der Setcloser sowie die beiden Zugaben das bisherige hohe Niveau nicht mehr halten können, was der Feierfreudigkeit guter Teile des Publikums und auch dem prinzipiell positiven Gesamteindruck allerdings keinen Abbruch tut.



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