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Sväng   03.03.2016   Weimar, Monami
von jmt

Das finnische Mundharmonikaquartett Sväng gastierte wieder einmal im Weimarer Monami, und es war wieder ein überaus gelungener Konzertabend. Die vier smarten Herren beeindruckten und begeisterten wie immer durch hinreißende Virtuosität, perfektes Zusammenspiel, ausgefeilte Arrangements und nicht zuletzt durch ihre Bühnenpräsenz. Das tun sie in unveränderter Besetzung seit 2003, als sie sich für Eero Turkkas Abschlussarbeit in Komposition und Improvisation an der Sibelius-Akademie in Helsinki zu einem Projekt zusammenfanden. Mastermind Jouko Kyhälä, der 2007 zum wahrscheinlich ersten Doktor artium der Mundharmonika promovierte, spielt bei Sväng zumeist die Harmonetta und schafft gemeinsam mit Urgestein Pasi Leino an der Bassharmonika das rhythmisch-harmonische Fundament, über dem sich Eero Turkka und Eero Grundström, beide Absolventen der Sibelius-Akademie, mit verschiedenen chromatischen und diatonischen Mundharmonikas zu melodischen Höhenflügen aufschwingen. Eröffnet wurde das Programm mit "Jampparaleele", einer der Kompositionen von Eero Turkka, in denen seiner besonderen Vorliebe für die Tanzmusik des Balkans mit ihren komplexen Rhythmen und rasanten Melodien gehuldigt wird. Tänzerisch ging es weiter mit Polkas, Polskas und Tangos, älteren und jüngeren Kompositionen von Jouko und den beiden Eeros, inspiriert von finnischen und russischen Volksweisen, Naturbeobachtungen, (familien-)historischen Ereignissen oder auch Comic-Serien - zu fast jedem Stück konnten die Musiker eine Geschichte erzählen, taten dies mit ihrem trockenen Humor auf sehr kurzweilige Art und brachten völlig unaufdringlich sogar noch ihre Sorgen um die gegenwärtige Entwicklung in Europa unter. Das letzte Stück vor der Pause, das Eero Grundström in Anlehnung an eine von Straßenmusikern gespielte Zigeunermusik komponiert hatte und mit dem er zum Ausdruck bringen wollte, wieviel wir, wenn wir uns grenzenlos begegnen, voneinander lernen können, trug nicht ohne Hintergedanken den Titel "Schengen".
Der Saal war mit reichlich 80 Zuhörern gut gefüllt. Die meisten waren jenseits der 50, aber auch deutlich Jüngere und sogar ganze Familien waren gekommen. Dass der Saal vorm Konzert mit amerikanischem Pop und in der Pause mit Saxofon-Jazz à la Garbarek berieselt wurde, fand ich persönlich etwas störend. Endlich betraten die vier Musiker wieder die Bühne und stöpselten sich an - unter ihren Anzügen vollverkabelt, haben sie nicht nur die Spieltechnik auf ihren Instrumenten, sondern auch die technische Realisierung von optimaler Tonabnahme, Verstärkung und dezentem Einsatz von Effektgeräten perfektioniert.
Weiter ging es mit wunderbarer, den Zuhörer in ihren Bann ziehender Musik. Ein Höhepunkt für viele Konzertbesucher war die Sväng-Interpretation des Satzes "Alla marcia" aus der Karelien-Suite von Jean Sibelius. Dem einzigen international bekannten klassischen Komponisten Finnlands, dessen 150. Geburtstag im vergangenen Jahr in seiner Heimat natürlich gebührend gefeiert wurde, hatte Sväng aus ebendiesem Anlass ein ganzes Album gewidmet. Gespielt von den vier Mundharmonikavirtuosen klang das Stück sehr kraftvoll und irgendwie viel "finnischer", als man es von klassischen Sinfonieorchestern im Ohr hat.
Als die Harmonetta zu Beginn eines Stückes den Dienst versagte und Jouko mit den Worten "Tell them a story" kurz die Bühne verließ, um das Ersatzinstrument zu holen, nahm Eero die Gelegenheit wahr, auf die Besonderheiten dieses nur von Hohner in Deutschland in den 1950er Jahren gebauten Instrumentes hinzuweisen, auf dem man sämtliche Akkorde bis hin zum Jazz spielen könne, das aber wegen seiner filigranen Mechanik besonders anfällig für Feuchtigkeit und Verschmutzungen sei, weswegen Jouko auch gleich fünf davon besäße, von denen immer drei auseinandergeschraubt und in Reparatur befindlich auf dem Tisch lägen.
Wie im Flug verging die Zeit, als auch schon das letzte Stück angekündigt wurde, der "Svängtime Rag", eine herrlich bluesig-jazzig-swingende Nummer, die so manches Tanzbein zwischen den Sitzreihen wippen ließ und den Musikern viel Gelegenheit für solistische Improvisationen bot - und nun war ich also doch in einem Jazzkonzert gelandet, denn wo sonst wird nach jedem Solo geklatscht. Natürlich ließen die Konzertbesucher die vier nicht ohne Zugabe gehen - und die bekamen sie. Eero Turkka sang und spielte inmitten des Publikums unverstärkt, ebenfalls unplugged begleitet vom Mundharmonikaspiel und "Halleluja"-Chor der anderen, den Gospel "I'm Going Down To The River Of Jordan", und als wirklich allerletztes Stück des Konzertes - zum Abschluss muss es in Finnland immer ein Walzer sein - gab es "Lükkuvalinna/Howl's Moving Castle", eine Komposition von Joe Hisaishi aus dem gleichnamigen japanischen Anime-Film von Hayao Miyazaki. Beschwingt konnte man sich nun auf den Heimweg begeben oder auch noch ein wenig bleiben, um CDs des Quartetts zu erwerben und von den Musikern signieren zu lassen - bereits in wenigen Jahren, so versicherte Jouko, würden diese Tausende Euro wert sein. Möge der Sväng-Mission zur Ehrenrettung eines völlig zu Unrecht verkannten Instrumentes anhaltender Erfolg beschieden sein!

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