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White Purple   02.10.2015   Dresden, Tante Ju
von rls

Das Oxymoron im Bandnamen läßt den Rockmusikkenner natürlich aufhorchen - und richtig: White Purple sind eine Coverband, die sich dem Schaffen von Whitesnake und Deep Purple widmet. Am Abend vor dem 25. Jahrestag des Beitritts der DDR zur BRD ist ein Gig in Dresden angesetzt, und auf selbigem sind, so ergibt sich anhand der Jubelstruktur bei einer entsprechenden Auswahlfrage von Sänger Gerd, mehr Purple- als Whitesnake-Fans anwesend, wobei es in Analogie dazu vom Tiefen Purpur offiziell in der DDR zwei Tonträger zu kaufen gab (wenn auch kein reguläres Album, sondern eine 1977 herausgebrachte Acht-Song-LP, die munter Material der Mark-II- und Mark-III-Besetzung mischte und neben allgemein bekanntem Liedgut auch eher im Schatten stehendes wie "Rat Bat Blue" oder "Hold On" enthielt, und eine 1984 erschienene Amiga-Quartett-Single mit vier Songs von 1971/72) und ganz Gewiefte vielleicht auch noch die exklusiv im Intershop vertriebene Version von "The House Of Blue Light" ergattern konnten, während sich die Weiße Schlange mit einer Veröffentlichung, aber immerhin einer von einem regulären Album begnügen mußte (nämlich der "1987"-Scheibe, kurioserweise aber in der auf neun Songs gekürzten US-Fassung und nicht in der europäischen mit 10 bzw. 11 Songs). White Purple lösen den Showeinstieg nach dem Intro allerdings salomonisch: Sie spielen "Burn", das direkt in "Stormbringer" übergeht - also zwei Purple-Songs der Mark-III-Besetzung, von der bekanntlich späterhin drei Mitglieder bei Whitesnake aktiv waren. Allerdings beschränken sie sich im Purple-Schaffen keineswegs auf die besagte Phase, wie später anhand von "Highway Star", "Perfect Strangers" oder auch dem 1968er Urschleim "Hush", der den ersten der beiden Sets beschließt, deutlich wird. Analoges gilt auch für Whitesnake: Zwar stellt "1987" gleich einen ganzen Schwung Beiträge, aber darunter mischt sich einerseits ein Oldie wie "Ain't No Love In The Heart Of The City", andererseits aber auch der einzige Song des Sets mit einem Entstehungsdatum im neuen Jahrtausend und damit zugleich die große Überraschung: White Purple spielen "Forevermore", den Titeltrack des jüngsten Whitesnake-Albums, und der erntet enormen Jubel im kopfzahlmäßig leider recht übersichtlichen Publikum. Aus einer Halbballade entwickelt sich ein großes Epos, und auch der Nichtkenner schnalzt nach dessen Finale mit der Zunge und ist sich sicher, hier eine Perle entdeckt zu haben, womit an so einem Abend eher nicht zu rechnen gewesen wäre (schon das Schaffen einer der beiden Bands hätte für mehrere Konzertabende ausreichend hochkarätiges Futter hergegeben, und so hätte man eigentlich eine Überraschungsdichte von 0 vermutet und ist daher umso angetaner von dieser Ausgrabung). Zudem paßt "Forevermore" auch prima zur generellen Herangehensweise von White Purple: Sie spielen den kompletten Set im kompakten Hardrockstil des "1987"-Albums, woran man sich hier und da erst ein wenig gewöhnen muß - gerade "Ain't No Love In The Heart Of The City" gerät so ein wenig zu distanziert, und wer auf Slidegitarrenexzesse Marke Micky Moody oder generell auf solotechnische Improvisationen gehofft hatte, geht an diesem Abend auch komplett leer aus. Ob die besagte Stilwahl zum Konzept der Band gehört oder durch die besonderen Umstände im Vorfeld des Gigs entstanden ist, kann der Rezensent, der White Purple an diesem Abend zum ersten Mal live erlebt, nicht beantworten - aber er zieht den Hut vor der Band, daß sie überhaupt spielt: In den zwei Wochen vor dem Gig mußten sowohl ein neuer Gitarrist als auch ein neuer Bassist eingearbeitet werden, und während Gerd diesen Fakt in der Ansage vor der ersten Zugabe auch publik macht, verschweigt er bescheiden sein eigenes Problem, nämlich Gallensteine mit häufigen Koliken und notwendiger Schonkost. Nur wenn man das weiß, fällt einem auf, daß er sich in puncto Gesangsexpressivität und Höhe im ersten Set ziemlich zurückhält, während er sich im zweiten Set dann offenbar sicher ist, daß er kräftemäßig durchhalten wird, und folglich mehr Energie in den Gesang legt. Kurioserweise liegt er stimmlich irgendwo zwischen David Coverdale und Ian Gillan, aber wenn er gegen Setende gelegentlich hohe Kreischlaute einfließen läßt, erinnern diese etwas an Robert Plant und entfernt auch noch an Glenn Hughes, welchletzterer übrigens auch ähnliche Brillen zu tragen pflegt (aber nur ähnliche, keine identischen!). Die beiden neuen Saitenspieler sind übrigens, als hätten sie nicht schon genug Stoff einzustudieren gehabt, auch noch mit in die Backingvocals eingebunden, und sie ziehen sich generell prima aus der Affäre, auch wenn hier und da das letzte Quentchen Synchronität zwischen Baß und Drums noch nicht da ist und auch mancher Gitarrenübergang noch Reserven offenläßt - aber das sind Kleinigkeiten, die sich mit zunehmender Eingespieltheit legen werden und die an diesem Abend auch nicht weiter stören. Im Gegenteil: Das Publikum, das während der beiden Hauptsets von den genannten Umständen noch nichts weiß (es sei denn, es hat vorher auf die Bandhomepage oder die Facebookseite geschaut), feiert das Quintett gebührend ab, und Gerd kommt als netter Kumpeltyp rüber, der weiß, wie man sein Auditorium um den Finger wickelt. Auch fürs Auge bieten White Purple etwas: Drummer Chris spielt ein in "Crying In The Rain" eingebettetes Solo, und nach einem "normalen" ersten Teil spielt er den zweiten Teil mit bloßen Händen und den dritten dann mit brennenden Drumsticks, wobei ihm beim Einnehmen der Schlußtriumphhaltung einer der Sticks entgleitet und nach wie vor brennend ins Publikum fliegt, wo er aber zum Glück keinen Schaden anrichtet. Ein Szenario wie in "Smoke On The Water", das den Schluß des zweiten Sets bildet, bleibt somit zum Glück aus, das Publikum ist nach wie vor bester Laune und wird noch mit einer Doppelzugabe belohnt: erst "Child In Time" (leider wieder einen Tick zu basisch) und direkt angeschlossen noch "Give Me All Your Love", und nach etwa zwei Stunden Nettospielzeit verabschieden sich die Hannoveraner mit der Ankündigung, wiederkommen zu wollen. Sehr gerne!



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