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Albert Frey   01.11.2014   Burkhardtsdorf, Eurofoam-Arena
von rls

"Zwischen Himmel und Erde" hatten Albert Frey und seine Frau Andrea Adams-Frey ihr aktuelles Tourprogramm getauft - an diesem Abend kommt zunächst die Erde zu ihrem Recht, nämlich mit einer ihrer üblichen Unwägbarkeiten: Ein Zettel vor der Halle belehrt die Konzertbesucher, daß Andrea krankheitsbedingt nicht dabeisein kann (sie liegt mit einer feisten Grippe flach) und man daher die Option habe, das Ticket an der Abendkasse zurückzugeben, wenn man sich das Konzert unter den veränderten Voraussetzungen nicht anschauen wolle. Von dieser Möglichkeit aber macht so gut wie niemand Gebrauch, zumal Albert und seine Band das Beste aus der Situation gemacht haben: Zum einen haben sie das Programm ein wenig umgestellt und auf Andrea fokussierte Stücke durch andere ersetzt, und zum anderen steht sehr wohl eine Sängerin auf der Bühne: Pamela heißt der Ersatz und singt keineswegs nur ergänzende Backings, sondern übernimmt hier und da durchaus auch Leadfunktionen und traut sich da einiges zu. Daß das letzte Quentchen an Harmonie, die Frey und seine Frau nach anderthalb gemeinsamen Jahrzehnten besitzen, bei einer derartigen Ad-hoc-Lösung logischerweise fehlt, ist so auch kein Grund für eine Träne im Knopfloch, und mit zunehmender Spieldauer klappt die stimmliche Zusammenwirkung immer besser, wobei interessanterweise Albert die längere stimmliche Anlaufzeit braucht und im Opener und Tourmottotrack "Zwischen Himmel und Erde" hier und da ein wenig wegklappt, was aber bald der Vergangenheit angehört.
Frey hat das Programm in zwei Blöcke geteilt, die mit einer 15minütigen Pause abgeteilt werden. Der erste Block gehört überwiegend Kompositionen der jüngeren Vergangenheit, wobei sich freilich beispielsweise im "Gnade"-Medley an zweiter Setposition schon der eine oder andere Klassiker befindet, den der Rezensent aus seiner schon etwas zurückliegenden Zeit in der lokalen Jugendarbeit noch mehr oder weniger diffus in Erinnerung hat. Darunter mischt sich allerdings viel Neues, so etwa gleich an Position 3 "Barmherzig" vom neuen Album "Tiefer sehen", zu dem über die Leinwand hinter der Bühne nicht nur die Texte, sondern gleich ein ganzes Lyric Video flimmert. Und daß Frey ein äußerst fähiger Songwriter im Poprockbereich ist, stellt beispielsweise auch dieser Track unter Beweis, der, wenn solcherart Inhalte heutzutage im Mainstream-Markt konsensfähig wären, durchaus Hitpotential besäße. "Was ist wahr" leitet der Frontmann mit einer interessanten Ansage ein, die sich dahingehend zusammenfassen läßt, daß er heute mit etwas mehr "Altersweisheit" (er steuert auf die 50 zu) gelernt habe, daß die Welt und auch der Glaube nicht immer nur schwarz oder weiß zu sehen wären. Die kongeniale Tonartenzirkelung im Solo stellt nicht nur dem Komponisten, sondern auch seinen vier Mitinstrumentalisten ein sehr gutes Zeugnis aus, und von denen muß Luca noch einmal besonders herausgehoben werden, denn der Mann stellt mit seinen beiden Instrumenten Cello und Flöte nicht nur einen Originalitätsfaktor dar, sondern tupft auch hier und da einen Klecks Nachdenklichkeit ein, der einige der abwägenden oder gar zweifelnden Aussagen prima unterstreicht. In "Loch in der Seele" entsteht trotz der anfangs einen Deut zu leise abgemischten Flöte gar ein musikalisches Jethro-Tull-Feeling, obwohl hier keine Querflöte erklingt, sondern eine riesige Baßblockflöte. Angebluestes gab es in "Sonne, steh still" schon zuvor, und über das selbstironische "Keine Lust zu beten" und das Regenbogen-Medley, in dem Pamela erstmals Leadfunktionen übernimmt, erreicht die Setlist den Closer des ersten Teils, das keltisch inspirierte "Urklang", wonach noch ein dreiminütiger Film über das Compassion-Hilfswerk, in dessen Rahmen Albert und Andrea eine Patenschaft für zwei Kinder auf den Philippinen übernommen haben, gezeigt wird.
Das immerhin in vierstelliger Kopfzahl anwesende Publikum hat im bisherigen Verlauf des Konzertes hier und da schon fleißig mitgesungen, sich aber ansonsten noch etwas reserviert verhalten. Das ändert sich im zweiten Teil, in dem Albert neben eingedeutschten Coverversionen (etwa "Celebrate" von Kool & The Gang) diverse Lobpreis-Klassiker (er war maßgeblich an der sehr erfolgreichen "Feiert Jesus"-Reihe beteiligt) auspackt, und hier brechen dann alle Dämme - das Publikum verwandelt sich in eine feiernde Masse, und fast niemand bemerkt, daß in diesen Texten aus Alberts Vergangenheit dann doch hier und da die Schwarz-Weiß-Mentalität durchscheint, von der sich der Sänger eben im ersten Teil noch etwas distanziert hat. Und wenn man von der textlichen Aussage her die zweite Strophe von "Das ist die Freiheit der Kinder Gottes" mal mit der Bridge vergleicht, bemerkt man, daß Differenzierung und Nichtdifferenzierung durchaus auch unmittelbar nebeneinander auftreten können. Rein musikalisch gibt es in dieser zweiten Hälfte wenig zu deuteln, es regiert die Spielfreude (was besinnlichere Töne in der dominierenden Poprockumgebung nicht ausschließt), und vor allem die ausführlichen Instrumentalsoli machen klar, daß hier Topmusiker auf der Bühne stehen (neben Luca sind das noch Pianist Dirk, Bassist Michael und Drummer Burkhard, die Albert und Andrea schon längere Zeit begleiten und daher auch bestens aufeinander eingespielt sind), und Albert tut sehr gut daran, ihnen die entsprechenden musikalischen Freiheiten zu gönnen. Mit der gigantischen Hymne "Für den König" endet der reguläre Konzertteil, und den Schlußsatz Alberts "Wir konnten Andrea nicht ersetzen, aber ich denke, wir haben trotzdem eine gute Zeit miteinander gehabt" dürfte jeder der Anwesenden relativ bedenkenlos (und zu Recht) unterschrieben haben. Zwei Zugaben sind somit Pflicht, und nach fast drei Stunden Bruttospielzeit (die Pause und die teils doch recht ausführlichen Ansagen müssen natürlich subtrahiert werden, aber es kommt trotzdem eine sehr ansehnliche Nettospielzeit heraus) endet ein definitiv interessantes Konzert.



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