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Hochschulsinfonieorchester   11.10.2014   Leipzig, Hochschule für Musik und Theater
von ta

Messiaen, Mozart, Schumann, Debussy. Das klingt zumindest nach einem bunten Abend und unserem Klassik-Crack Roland, der derlei Konzerte in der Regel bespricht, würde sicherlich viel Interessantes dazu einfallen. Da Roland an diesem Abend allerdings verhindert ist, begibt sich ein Schreiberling aus der dritten Reihe zum Konzert. Pardon. Tschuign.
"Un sourire", ein Lächeln, heißt der Einstieg. Das kurze Stück für eine kleine Orchesterbesetzung ist Teil von Olivier Messiaens Spätwerk. Im Jahr 1989 komponierte Messiaen es mit Blick auf Mozarts anstehenden zweihundertjährigen Todestag. Aber natürlich klingt "Un sourire" nach Messiaen und nicht nach Mozart, sage ich jetzt mal fachmännisch. Gespenstische, Tritonus-basierte Streicher dominieren und reduzierte Klangfarben, die so gut wie keine Bässe enthalten. Die Interpretation des Hochschulsinfonieorchesters kostet die Wechselhaftigkeit des Stücks aus - zwischen den flirrenden Streicherflächen und den kecken Xylophon-Passagen liegen kleine, fast unmerkbare Pausen und die Dur-Akkorde, die nach den ersten dissonanten Minuten immer mehr durchbrechen, werden lang ausgespielt. Wie der Klassiker das am Ende nennt, weiß ich nicht, ich sag mal ganz plump: Jo, cool.
Es ist das erste Konzert des Hochschulsinfonieorchesters unter dem Dirigierstab von Matthias Foremny, das ich besuche, deshalb bin ich überrascht, als der Orchesterleiter sich nach dem Stück dem Publikum zuwendet und erstmal zu erzählen anfängt - über Messiaen, Mozart und darüber, dass das nächste Stück nicht von ihm, sondern einem Studierenden der Hochschule dirigiert würde. Und der Übergang von Messiaen zu Mozart ist sonderbar passend. Denn wo "Un sourire" relativ leichtfüßig für Messiaen ausfällt, mutet die Sinfonie Nr. 39 Es-Dur für eine Mozart-Sinfonie recht dunkel an, so dass sich beide Stücke aus jeweils anderer Richtung kommend einander annähern. Schon die punktierten Schläge zu Beginn des ersten Satzes kommen schwerfällig und danach folgen immer wieder Dissonanzen und subtile Wechsel zwischen Dur und Moll, insbesondere im traumhaften Adagio. Die Interpretation ist akzentuiert, aber dem Stück entsprechend nicht so streng, wie man (ich) es von Mozart sonst erwartet (erwarte). Bei den romantisch anmutenden Verzögerungen zeigen sich die technischen Fertigkeiten der Studierenden, denn keine Passage wird verschleppt und jede Unisono-Pause am Ende einer Verzögerung sitzt punktgenau. Nicht zuletzt der vierte Satz, der den Violinen einiges abverlangt, beeindruckt auch unter technischer Hinsicht. Wie sagt der Klassiker: Bravo!
Nach der Pause treten die Solisten des Abends auf die Bühne, drei Studierende und ein Professor der HMT, alle Hornisten, denn Robert Schumanns Konzertstück F-Dur ist für vier Hörner und großes Orchester komponiert. Und jetzt mal unter uns und ein wenig subjektiv: Das ist ein stinklangweiliges Ding. Unentschlossen, frei von großen Momenten, vor sich hin kleckernd und auch vom HSO nicht zu retten. Es bildet aber zumindest optisch den Höhepunkt des Abends: Drei Hornisten und eine Hornistin, die in der ersten Reihe stehen und jede Spielpause dafür nutzen, Kondenswasser aus ihren Trichtern zu kippen, sind zumindest für mich kein Standardanblick. Aber auch das zählt für unseren Blechbläser Roland sicher nicht.
Den Abschluss des Konzertabends, Debussys Weltberühmtheit "La Mer", moderiert Foremny wieder an. Das Vorzeigewerk des Impressionismus, dem Orchesterleiter zufolge als Antithese zum Pathos Richard Wagners komponiert, wird abermals von einem bzw. einer Studierenden der HMT dirigiert. Dass die junge Frau aus Taiwan stammt, verbuche ich trotz der eindeutig ostasiatisch beeinflussten Skalen des Stücks mal als Zufall. Technisch an vielen Stellen eine Herausforderung, zocken die Musiker und Musikerinnen, insbesondere die hervorragende Besetzung an der ersten Geige, das Stück ebenso kühl wie tadellos. Im dritten Teil donnern die Pauken so tief, dass man sie mehr spürt als hört. So muss das. Ein famoser Abschluss.
Um 21:50 Uhr, bald zweieinhalb Stunden nach Beginn verhallt der letzte Klatscher im Saal, der übrigens zu zwei Dritteln besetzt ist. Nächstes Mal dann wieder mit Roland.



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