www.Crossover-agm.de
Element Of Crime, Apples In Space   31.08.2013   Leipzig, Parkbühne Geyserhaus
von Sonja Golinski

Ich kannte die Parkbühne Geyserhaus bisher nur vom Hören-Sagen und nachdem alle begeistert waren, schraubten sich meine Erwartungen entsprechend hoch. Gut, dass mir jemand gesagt hat, ich solle eine kleine "Schlippe" nehmen, denn die war nicht besonders gut ausgeschildert, wenn man mit der Bahn bis zum Eutritzscher Markt anreist. Aber okay, dann war ich da - und ja, es ist ein idyllischer Ort. Die Bühne liegt mitten in einem kleinen Park und die hölzernen Sitzreihen sind im Halbrund an einem Hügel angelegt, so dass man auf allen Plätzen gute Sicht auf die Bühne hat. Man ist von Bäumen und Grün umgeben und sieht an vielen Stellen, dass hier engagierte Menschen geplant und gebaut haben. Die bestehende Gastronomie mit überdachten Sitzgelegenheiten wurde durch Pavillons ergänzt, das Angebot ist klassisch - es gibt Fleisch vom Grill (für Vegetarier allerdings nur Salzbrezeln). Das Personal ist auch bei großem Andrang entspannt und sympathisch - sogar die Security ist nett. Es herrscht eine relaxte familiäre Atmosphäre. Gegen 19.00 Uhr sind alle 560 Sitzplätze gefüllt - das Konzert ist mit 1.800 verkauften Karten ausverkauft und die Location hat mit dieser Zahl die Kapazitätsgrenze erreicht.
Trotz gegenteiliger Wettervorhersage beginnt es zu regnen ... hört aber wieder auf. Zur Begrüßung erklärt eine Mitarbeiterin des Geyserhauses, wie sehr sie sich darüber freut, dass das Toilettenhaus pünktlich zum Konzert fertig geworden ist - und hat natürlich damit die Publikumslacher verdient.

Apples In Space
Dann betreten Apples In Space die Bühne. Ein junges norwegisch/deutsches Songwriter-Pärchen, das durch seinen Beitrag zur Filmmusik von Leander Haußmanns "Haialarm am Müggelsee" zu Popularität gelangt ist. Phil Haussmann & Julie Mehlum (ja, er ist der Sohn von Leander Haußmann) spielen drei Songs, klassischer Folk rund um die Liebe und man merkt ihnen ihre Aufgeregtheit und Jugendlichkeit an. Fast der perfekte Gegenpol zum lebenserfahrenen, doch eher düsteren, ironischen Habitus von Element Of Crime.
Das Publikum - die mitgealterte, schwarzjackige Fangemeinde (Durchschnittsalter 40) hat noch Zeit, seine Regenvorbereitungen zu treffen. Man sieht aufklappbare Sitzpolster mit Rückenlehne und beim Anblick eines "Ortlieb-Südwesters" musste ich sehr schmunzeln. Meine ca. 60jährige Sitznachbarin ist sichtlich aufgeregt. Auf meine Frage, was sie auf dieses Konzert führt, antwortet sie, dass die Texte über das wahre Leben sehr berühren und sie die handgemachte Musik in Zeiten der elektronischen Beats total schätzt. Ich schiebe meine Vorurteil-Schublade wieder zu. Und reihe mich ein in die Harmonie einer vermeintlichen Gleichgesinnung.

Element Of Crime  Element Of Crime

Element Of Crime
Und dann geht es endlich los. Dynamisch betreten Sven Regener und "seine" Band Jakob Ilja (E-Gitarre), David Young (Bass), Richard Pappik (Schlagzeug) und Christian Komorowski (Geige) die Bühne und legen nach kurzer Begrüßung mit "Mittelpunkt der Erde" los. Regener muss niemanden überzeugen oder anheizen, das Publikum gehört ihm sofort. Es sind alles alte Bekannte. Da es keine neue Platte gibt, freut man sich auf die alten Hits zum Mitsingen.
Er sei mit dem Taxi zur falschen Parkbühne gefahren (in Leipzig gibt es zwei) und habe sich gewundert, was dort zum Soundcheck für merkwürdige Musik gespielt worden sei - auch diese Anekdote so herrlich unprätentiös und nachvollziehbar. Er wolle heute alle Fehler machen, die es zu machen gibt - im schwarzen Hemd (er trägt sein schwarzes Polo-Shirt) auftreten und die Hits am Anfang spielen. Und dann tun sie es auch, auf "Deborah Müller" folgt "Delmenhorst", sie spielen "Seit der Himmel", "Immer da, wo du bist, bin ich nie", "Karin und Kaffee", "Straßenbahn des Todes". Die Beleuchtung wechselt, bleibt aber dem Anlass entsprechend schlicht. Das Publikum honoriert Soli von Trompete und Geige. Die Stimmung geht mit den Songs - "Death Kills" etwas schneller, "Vier Stunden vor der Elbe" wieder schön melancholisch - fein austariert hoch und runter. Hits aus allen Alben, "Am Ende denk ich immer nur an dich", das BeeGees-Cover "Start With A Joke", "Jetzt mußt du springen" , "Bitte bleib bei mir" und in den drei Zugaben "Surabaya Johnny" (Brecht/Weill), "Bring den Vorschlaghammer mit" und "Weißes Papier". Zwischen den Songs gibt es immer wieder ein "Dankeschön" aber ansonsten wenig Redebeiträge - schade, denn diesem norddeutschen schnodderigen Mann möchte man gerne zuhören. Aber okay, er sagt alles in den Texten.

"Immer, wenn ich Pillen nahm und hinterher beim Fahrrad fahren
am Steintor in die Rillen kam, gezogen für die Straßenbahn
Und in der Luft die Arme wie
zur Massenhysteriebekämpfung schwenkte und aufs Pflaster fiel,
dachte ich, ich wär am Ziel
Immer da, wo du bist, bin ich nie"

oder

"Fad' und ohne Lustgewinn
ist dir die immer gleiche Jagd
nach Ruhm und Ehre auf dem Schlachtfeld der Geschlechter,
hast du doch vor Jahren schon
den seither gültigen Rekord im Schnellvergessen
eines Ex-Freunds aufgestellt.
Wo deine Füße stehen,
ist der Mittelpunkt der Welt"

Seine Texte, Beziehungslieder gespickt mit Gesellschaftskritik, sind beispiellos lyrisch, melancholisch und immer mit einem herrlichen Wortwitz, nie platt. Sie werden es wohl nie in die Top 10 der besten Liebeslieder bringen, schräge Romantik und herbe Poesie sind eben nicht massentauglich - aber genau dafür lieben wir Element Of Crime und gehen nach zwei Stunden mit einem Lächeln beim irgendwie passenden Nieselregen nach Hause.






www.Crossover-agm.de
© by CrossOver