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The Magnets   29.05.2013   Leipzig, Werk 2
von rls

Das A-Cappella-Genre hat sich, obwohl man doch eigentlich vermuten müßte, daß die menschliche Stimme gewissen Limitierungen unterliegt, in den letzten Jahren vor und nach der Jahrtausendwende in erstaunliche Richtungen diversifiziert, und das 14. A-Cappella-Festival in Leipzig stellt sich wie schon seine Vorgänger der Aufgabe, einen bunten Querschnitt durch all das zu bieten, was heutzutage die Möglichkeiten der Geräuscherzeugung ohne Zuhilfenahme von Instrumenten auslotet. Dazu gehören auch The Magnets, ein britisches Sextett, das gewissermaßen eine klassische Rockband nachbildet. Man hat mit Andy Frost also einen Beatboxer dabei, der stimmlich einen Drummer imitiert (er ist von Haus aus allerdings "echter" Schlagzeuger), und C G Fraser singt nicht nur Baß, sondern übernimmt praktisch auch die Funktion des Baßgitarristen, gemeinsam mit dem Drummer das Rhythmusfundament zu legen, wenngleich eben nur mit den Mitteln der menschlichen Stimme. Die restlichen vier Sänger stellen dann die Gitarren-, Keyboard- und natürlich Leadgesangslinien dar, und sie tun das in wechselnder Besetzung, so daß jeder mal die Rolle des Leadsängers übernimmt. "All This Time" heißt die aktuelle CD der Magnets, der eine EP namens "Homegrown" vorausgegangen war, und ebenjenes Motto steht auch über dem Konzert: Die Songs stammen nahezu ausnahmslos von britischen Komponisten verschiedenster Stilistika. Das beginnt also mit Led Zeppelins "Kashmir" und geht weiter über u.a. "Rolling In The Deep" von Adele, Peter Gabriels "Solsbury Hill", "Tiger Feet" (eine Komposition des für zahlreiche The-Sweet-Hits verantwortlichen Duos Chinn/Chapman, bei dem der Rezensent allerdings eher die Querverbindung zur Version von Girlschool zieht, der die magnetische Version indes durchaus ebenbürtig ist) oder "After The Rain" von Shirley Bassey (als walisischer Farbtupfer) bis hin zu vereinzelt eingestreuten Eigenkompositionen wie "What Ya Gonna Do", das, wäre es von einer "normalen" Band geschrieben worden, vermutlich irgendwo im relativ zugänglichen Poprock einzusortieren wäre. Große Experimente im Arrangementbereich sind die Sache der Magnets nicht - sie konzentrieren sich aufs in vielen Melodielinien ziemlich detailgetreue Nachschaffen, wenngleich keineswegs aufs Kopieren der Vorlagen, und sie geben zudem vom ganzen Habitus her das Bild einer Boygroup ab, zumal C G Fraser für die Bühnenshow auch noch eine strenge Choreographie erstellt hat. Das gefällt nicht jedem Besucher (man hört auch Stimmen, die das zu statisch und vorhersehbar finden, und das sexuelle Klischee des potenten Farbigen wird auch ein wenig überstrapaziert), über die stimmlichen Qualitäten der Truppe aber sind sich alle einig, und der Unterhaltungsfaktor des Gebotenen stimmt zweifellos auch. Für das absolute Highlight sorgt allerdings Andy Frosts Drumsolo - wohlgemerkt sein stimmlich imitiertes, denn auch hier kommt er ohne ein entsprechendes Instrument aus, aber er stellt das Gespielte auch noch exakt gestisch nach, so daß man die Augen schließen und tatsächlich einen echten Drummer vor sich wähnen könnte. Hier greift dann auch der einzige kleine Problemfall nicht: Hier und da klingt die Drumimitation des Mannes nämlich wie ein zischelnder Drumcomputer, und wenn sich die mit einem original eher bluesgeerdeten Stück wie "I'm Not In Love" von 10cc paart, fallen dem Traditionsrockliebhaber im Publikum erstmal büschelweise Haare aus. Für Puristen sind The Magnets also eher nichts, aber solche scheinen im begeisterten Publikum auch nur in überschaubarer Dichte anwesend zu sein. Zugaben sind folglich Pflicht, und die erste derselben stellt das Mega-Medley dar, für das die Auftritte der Truppe berühmt sind. Dazu werden zwölf Personen auf die Bühne gebeten (es sind zufälligerweise an diesem Abend alle weiblich), die sich jeweils zwischen zwei angebotenen Bands entscheiden müssen (also The Beatles oder The Rolling Stones, Black Sabbath oder The Who, Bob the Builder oder Coldplay ...). Aus je einem Song der ausgewählten Bands stricken The Magnets dann ihr zwölfteiliges Medley, das den Hörer mit einer gewissen chronologischen Ordnung durch die britische Musikgeschichte der letzten knapp 50 Jahre führt, beginnend mit "Hey Jude" und sich mit "Paranoid" und "Killer Queen" fortsetzend bis zur Gegenwart in Gestalt von "What Makes You Beautiful" (One Direction). Bob the Builder verliert an Position 11 merkwürdigerweise gegen Coldplay ... Person 6 ist übrigens Marie Charlotte Seidel von Sjaella, die selbst reichlich Bühnenerfahrung besitzt und während der Wiedergabe "ihres" Wham!-Songs gestalterisch (wenngleich nicht musikalisch) ins Geschehen eingreift, während Person 8 noch eins draufsetzt, indem sie "ihren" Oasis-Song "Wonderwall" kurzerhand aktiv (und recht kompetent!) mitsingt. Danach folgt als weitere Zugabe noch "Highway To Hell" (die Quasi-Entschuldigung, hier einen australischen Beitrag ins Programm geschmuggelt zu haben, wäre gar nicht nötig gewesen, denn schließlich sind die Gebrüder Young geborene Schotten ...), das die Dämme im Publikum endgültig brechen läßt, die Passage "...payin' my dues playin' in a Rock'n'Roll band" geschickt in "...payin' my dues singing in an a cappella band" umdichtet und schließlich in die vom Band kommende Originalversion übergeht, während der das Hallenlicht wieder angeht. Aber das Publikum feiert weiter und bekommt mit Cee-Lo Greens smart betiteltem "Fuck You" schließlich sogar noch eine außerplanmäßige Zugabe vorgesetzt.

Setlist:
Kashmir
Sowing The Seeds Of Love
Solsbury Hill
Town Called Malice
Holding Out
I'm Not In Love
More Than This
Dreamer's Ball
Every Little Thing She Does Is Magic
What Ya Gonna Do
Tiger Feet
In Love Since Then
Running Around
Romeo & Juliet
Next To Me
Promise To Love Me
After The Rain
Another Place
Valerie
Rolling In The Deep
Hello
--
Mega Medley
Highway To Hell
Fuck You



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