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Night Of The Jumps   08.03.2013   Berlin, O2-World
von Corey5

Vorweg: Im Laufe dieser Rezension gehe ich nicht auf Fahrer und die Statistiken der einzelnen Läufe ein, da dies alles online mit Videos und Punktständen nachzulesen ist. Hier sollen lediglich Atmosphäre, Feeling und Qualität der Veranstaltung im Vordergrund stehen.
Night Of The Jumps: Adrenalin, lautstarke Motoren, der Geruch von Abgasen sowie eine Menge Staub, die aufgewirbelt wird, und das alles umrahmt von einem pyromanen Festakt, der sich sehen lassen kann - eine nette Vorstellung, die sich einem bei diesem Begriff im Kopf dreht. Bei Ticketpreisen von bis zu 90 Euro darf man dies wohl auch durchaus erwarten, oder?!
Bei Betreten der Halle gegen 18 Uhr ist dieses Bild jedoch zunächst komplett verblichen. Wenngleich der Beginn der Show noch zwei Stunden hin ist, wirkt die Halle eher, als hätten alle fluchtartig das Weite gesucht. Alles ist aufgebaut, doch die Zuschauerränge sind leer. Bis circa 19:30 ist das Fahrerlager zugänglich - auch für Zuschauer. Also nichts wie hin. Unter der Voraussetzung, dass man sich vorher das offizielle Tour-Magazin gekauft hat, bekommt quasi jeder Zugang zum "Boxenlager". Für Familien mit Kind/ern reicht auch 1 Heft - ein feiner Zug. Hier findet schon eher ein - wenn auch noch nicht sonderlich reges - Treiben statt. Es werden ein paar Erklärungen zu den Motorrädern und deren Spezifikationen auf einer kleinen Bühne vorgestellt. Zwischendurch laufen - aus der Nähe leider eher mäßig gutaussehende - Boxen-Girls umher und lassen sich mit den Zuschauern fotografieren. Auch die Fahrer stehen für kurze Gespräche und Fotos zur Verfügung. Prinzipiell wirkt das Ganze aber wie ein presse- und werbeaktives, leicht aufgesetztes Grinsen für die Kamera, als eine Unterhaltung der Zuschauer. Eigentlich schade - hier hätte man mehr rausholen können. Mit der Zeit wird es so voll in den kleinen Backstage-Räumlichkeiten, in denen das Fahrerlager aufgebaut ist, dass man kaum noch vorankommt. Zeit, das Ganze auf sich wirken zu lassen und in Ruhe die Motorräder zu bestaunen, geschweige denn zwei Worte mit den Fahrern zu wechseln, bleibt da dann leider auch nicht - zumal Fotografen, Presse-Leute und Zuschauer gleichermaßen von allen Seiten schieben.
Das komplett gegenteilige Bild zur Box bietet sich allerdings, wenn man (ja, auch noch sehr kurz vor Beginn der Show) einen Blick auf die Ränge wirft. Es könnte voller sein - immerhin ist die Night Of The Jumps die offizielle Weltmeisterschaft des Freestyle Motocross und feiert mittlerweile ihr 13-jähriges Bestehen. Mit Events auf drei Kontinenten (Europa, Asien und Südamerika), also z.B. in China, Brasilien, Russland, der Ukraine und vielen europäischen Staaten, zählt sie immerhin zu den größten und bekanntesten Veranstaltungen dieser Art und ist ein Aushängeschild der professionellen Sport-Szene.
Nachdem sich nun alle so langsam aus der Boxengasse rausgezwängt haben, wie Tausende Sandkörner durch eine Uhr zu gerinnen pflegen, füllt sich die Halle. Dennoch wirkt die Tribüne relativ leer in der großen Halle. Es sind viele freie Flächen auf den Rängen zu beklagen. Zu Beginn der Show wird ein kleines Feuerwerk gezündet und verkündet den Start des verheißungsvollen Abends.
Der Moderator des Abends stellt sich und anschließend die Jury vor. Anschließend werden die Fahrer einzeln in die Halle gebeten, um eine kleine Runde zu fahren, sich möglichst prominent in die Mitte der Halle zu stellen und für das Publikum zu posieren - wobei dies eher für die Kameras am unteren Rand geschieht. Die Zuschauer auf der gegenüberliegenden Seite der Halle bekommen hier nur die Rücken der Fahrer zu sehen. Optimal fände ich das als Zuschauer auf der "falschen Seite" nicht wirklich. Die Stimmung auf den Rängen ist dennoch relativ ausgelassen, könnte aber für diese Location durchaus ein wenig präsenter sein. Nachdem die Fahrer nun ausgiebig gefeiert wurden, geht es also los. Es folgt die Erklärung, wie der Abend verläuft. Ein Durchgang über 1:30 Minuten, die jedem Fahrer zur Verfügung steht, so viele Tricks wie möglich zu zeigen, um möglichst viele Punkte zu erreichen, soll folgen. Dies ist somit die Qualifizierung für das Finale (ja, es gibt nur 2 Runden). Hier läuft alles sehr geordnet ab und man beobachtet die Fahrer bei zwar halsbrecherischen Sprüngen wie Backflips, Supermans und anderen Showeinlagen - welche durchaus beeindrucken - aber generell wirkt die Stimmung noch nicht, als wäre sie auf dem Siedepunkt. Hier hatte ich mehr Show, mehr Feuerwerk und eine gewaltigere Inszenierung erwartet. Recht nett gemacht ist der "Hot Seat". Nach jeder einzelnen Runde eines Fahrers werden die erreichten Punkte durchgesagt und der zurzeit Führende darf sich auf dem Podest beim Moderator auf einen elektrisch nach oben fahrenden Stuhl setzen und das Event von dort aus beobachten. Leider ist der Gesamtführende des ersten Durchgangs schon relativ früh dran und die Wechsel auf dem Stuhl bleiben aus. Das ist der Spannung leider nicht sonderlich förderlich. Nachdem alle Fahrer der Reihe nach ihre Spuren im Dreck hinterlassen haben und das Dröhnen der Motoren langsam verklingt, liegt nur noch der Schall des Publikums in der Luft.
Dann werden die Mountainbiker angekündigt, welche eine super Show hinlegen: Double-Backflip, Superman, Wheeltwist und wie sie nicht alle heißen. Die Stunts, die hier vom Stapel gelassen werden, sind schon nicht ohne. Apropos "ohne": Ohne die Motorengeräusche und mit nur etwas Musik im Hintergrund wirkt die Inszenierung beim Anblick der kleinen Fahrräder in der großen Halle jedoch etwas deplatziert und einsam - vor allem von den oberen Rängen. In einer kleinen Skateboard-Halle, wenn man näher am Geschehen ist, würde dieses Spektakel mit Sicherheit wesentlich intensiver und beeindruckender wirken. Nichtsdestotrotz ziehe ich meinen Hut vor der Leistung der Fahrer.
Anschließend gibt es den Whip-Contest. Hier geht es darum, das Motorrad in der Luft so schräg wie möglich zu drehen. Wer es am besten schafft, das Motorrad in eine Schräglage von 90° und zusätzlich zu bringen, und dazu eine horizontale Drehung von bis zu 180° einbaut, der hat gewonnen. Recht einfach eigentlich - zumindest wenn man währenddessen nicht selbst auf so einem Hobel sitzt. Es ist schon faszinierend, was die Fahrer leisten und mit ihren Maschinen in der Luft anzustellen im Stande sind. Da alle Fahrer versuchen, das Gleiche am besten zu schaffen, wird es hier aber nach Fahrer drei - zumindest mir - ein wenig fade. Schade.
Nach einer Pause von einer halben Stunde (das erscheint recht lang, doch wenn man bedenkt, dass mal eben mehrere Hundert Menschen die Toilette aufsuchen, ist das durchaus verständlich) geht es dann weiter mit einem absoluten Highlight - einem Weltrekordversuch. Zum ersten Mal wird eine Frau vor Live-Publikum bei der Night Of The Jumps einen Backflip auf einem Motorrad vollführen. Wow - ein Weltrekordversuch. Da darf ich doch richtig was erwarten. Showeinlagen vorneweg und hinterher? Wenigstens drei Motorräder, die gleichzeitig parallel durch die Halle fahren und von deinen die Frau in der Mitte sich dann von der Gruppe abspaltet und als einzige publikumswirksam über eine von Feuerwerk entlang des Sprungs begleitete Rampe springt, einen Backflip vollführt, nach der Landung noch zwei Runden mit den anderen Motorrädern dreht und die Stimmung richtig ankurbelt? Ja bitte! Was man dann zu sehen bekommt, ist jedoch wieder ein wenig ernüchternd. Emma McFerran kommt in Begleitung guter Rock-Musik in die Halle gefahren und wird bejubelt, beklatscht und vom Moderator in den höchsten Tönen gelobt. Er erzählt kurz etwas über sie und dann nimmt sie Anlauf, springt einen Backflip, ein kleines Feuerwerk(chen) zündet und Emma steigt ab und lässt sich bejubeln. Nun folgen noch ein kurzer Plausch mit dem Moderator und eine kleine Dankesrede an das Publikum. Fertig. Klar, der Sport steht im Vordergrund und es ist und bleibt ein Weltrekord. Ich bin auch beeindruckt von dem, was die Frau schafft - aber es steckt so extrem viel Potential in dieser Show und ihrer Inszenierung. Es ist unglaublich, was hier verschenkt wird.
Nun, vielleicht macht der "Maxxis High Air"-Contest dies ja wieder gut. Dies ist ein Contest, bei dem es darum geht, über eine Rampe einen Hochsprung zu vollführen. Das funktioniert prinzipiell wie bei normalem Hochsprung: Wer es schafft, über die Latte zu springen, ohne diese zu Fall zu bringen, kommt eine Runde weiter - so lange, bis nur noch einer drüber kommt. Wie das in den geplanten zwanzig Minuten zu schaffen sein soll, ist allerdings auch eine gute Frage. Wahrscheinlich sollen hier alle Fahrer einfach ein bis zwei Mal springen, um das Publikum zu begeistern (hier sind auch mal ein paar, soweit aber immer glimpflich ausgehende, Stürze dabei). Und das ist es doch, worauf man insgeheim bei Motorsportveranstaltungen (egal ob Motocross, Formel 1, Nascar oder Speedboot) hofft - natürlich unter der Prämisse, dass den Fahrern nichts passiert, denn nichts wäre schlimmer als das. Also darf man gespannt sein und es geht los mit dem Maxxis High Air Contest. Aber was ist das? Der Fahrer kommt die Rampe nicht richtig hoch und winkt ab. Da gab es wohl ein wenig "Pfusch am Bau" - laut Fahrer. Gut, die Rampe wird angepasst und ein weiterer Fahrer versucht sein Glück, nur um sich am oberen Ende der Rampe eingestehen zu müssen, dass auch er nicht mit einem High Air drüber kommt. Die Rampe wird so an der Absprungkante mehrmals angepasst, aber nichts bringt Besserung und der Event wird abgebrochen. Und wieder: Schade. Erneut verschenktes Potential. Testet das denn am Nachmittag zuvor niemand? Da die Night of the Jumps an zwei Tagen stattfindet, ist aber davon auszugehen, dass am Samstag dann diesbezüglich alles reibungslos über die Rampe geht. Eventuell ist es am zweiten Tag auch voller? Die Schreckvorstellung wäre natürlich, dass es noch leerer ist. Das wünsche ich aber weder dem Veranstalter noch den Zuschauern.
So sind die eingeplanten zwanzig Minuten aber auch gut verplant - nämlich damit, den Helfern auf der Rampe beim Schaufeln zuzusehen.
Nach einer Entschuldigung durch den Moderator geht es nun also zum Finale. Wieder haben die Fahrer, die in der Vorrunde nicht ausgeschieden sind, 1:30 Minuten Zeit, um verschiedenste Sprünge zu zeigen. Hier nehmen sich der Ablauf und die Stunts nur bedingt etwas zur vorigen Runde. Es ist super anzusehen, ist aber wieder das einzelne Rundenfahren, bis die Zeit um ist. Der Zuschauer erkennt die großen Unterschiede wahrscheinlich auch nicht wirklich - es sind alles Profis, die quasi auf einer Stufe stehen und ähnliche Stunts zeigen. Die Jury hat nun also nach Ende des Durchgangs die ehrenvolle Aufgabe, einen Sieger zu ermitteln.
Nach einer erneuten Pause von knapp zehn bis 15 Minuten werden dann die Sieger aufgerufen und kommen auf das Podest. Hier folgt nun endlich noch einmal etwas, das man als richtiges Feuerwerk bezeichnen kann. Die Pokalübergabe findet statt und die musikalische Untermalung passt durchaus. Die Atmosphäre wirkt hier sehr stark. Damit war es das dann aber leider auch schon wieder für den Abend.
Alles in allem hätte ich mir gewünscht, dass das Publikum stärker (zumindest indirekt) involviert oder angesprochen und unterhalten wird. Das Potential, das diese Veranstaltung neben dem sportlichen Aspekt auch in Sachen Unterhaltung hat, ist so ungemein hoch. Die Veranstaltung ist ja beeindruckend anzusehen und durchaus einen Besuch wert, jedoch wirkt das Ganze etwas zu aufgesetzt und steif - als wäre es ein Event, das nur um seiner selbst willen durchgeführt wird und Zuschauer zulässt, weil es nur dadurch finanzierbar ist. Letztlich ist es - wie bei vielen Sportarten - aber auch eine Meisterschaft, um die es sich hauptsächlich dreht, was man natürlich nicht vergessen darf. Dennoch könnte man aber wesentlich mehr daraus machen und die Show auf ein gänzlich anderes Niveau heben - ähnlich wie bei Wrestling-Veranstaltungen in den USA oder dem Live-Act von Travis Pastranas Nitro Circus (wenngleich bei letzterem keine Meisterschaft im Mittelpunkt steht). Die Fahrer, die nicht an der Reihe sind, könnten während des High Air Contests beispielsweise etwas die Motoren aufheulen lassen und in der Halle auf den anderen Rampen ein wenig posen und Sprünge vollführen oder den Zuschauer beeindrucken. Es könnte während der Show ein Live-Act auftreten. (NullDB waren zwar als Live-Act vor Ort, doch haben diese während der Show nicht gespielt - was ich auch nicht so wirklich nachvollziehen kann. Warum spielt die Band nicht, wenn das Haus quasi voll ist, beispielsweise in der Pause bzw. davor oder danach, und untermalt den Event noch einmal?)
Wer jedoch bezüglich der A- und B-Noten der Fahrer, der Ausführung der Stunts, der Technik und der möglichst sauberen Sprünge (ähnlich wie beim Ski-Springen) ein wenig mit fachsimpeln möchte, der ist hier genau richtig. Wahrscheinlich habe ich einfach nur zu viel Show erwartet, weil die Werbevideos und Flyer etc. immer fliegende Motorräder, begleitet von massig Feuerwerk und sprühenden Funken aller Art sowie atemberaubende Show-Acts versprechen und den Eindruck erwecken, als sei die Veranstaltung die reine "Partymeile". Die schönen kleinen Events zwischendrin (Mountainbiker, High Air etc.) sind da schon eine nette Abwechslung zu den steif nacheinander springenden Fahrern - sofern sie nicht aufgrund unzureichend präparierter Rampen ausfallen.
Letztlich ist es eben eine Veranstaltung, bei der der seriöse Sport im Vordergrund steht. Solange man dies berücksichtigt, ist es eine durchaus beeindruckende und gewaltige Sportveranstaltung, die definitiv einen Besuch wert ist. Die Night Of The Jumps bekommt somit für alle Motorsportinteressierten eine klare Besuchsempfehlung - sofern man bereit ist, für einen vernünftigen Sitzplatz auch entsprechend tief in die Taschen zu greifen. Dieses Urteil sollte aber jeder für sich - gern bei einem Besuch der Night Of The Jumps im Jahr 2014 - für sich selbst fällen.

Eine kleine Bildersammlung in chronologischer Reihenfolge des Abends (Fotos: Peter Frommann):

  

  

  

  

  

  

  

  

  






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