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Ben Becker   06.11.2012   Leipzig, Oper
von Elisabeth Audersch

"Im dunklen Anzug auf der Bühne stehen, Zigaretten rauchen und traurige Lieder singen"

Getreu diesem Wunsch zündet sich Ben Becker kurz nach 20 Uhr auf der Bühne des gut gefüllten, aber nicht ausverkauften Opernsaals verschmitzt lächelnd die erste Zigarette an. Ohne große Worte geht es los mit der "Ode an Bruno", gewidmet einem verstorbenen Freund. Sichtlich bewegt berichtet Becker danach, daß er vergangenen Freitag einen weiteren Freund namens Bruno zu Grabe getragen hat, so das dieses Lied nochmal an Aktualität für ihn gewonnen hat.
Becker wartet mit Band um Yoyo Röhm auf, deren musikalisches Repertoire sich im Laufe des Abends immer mehr entpuppt - von rockig über chansonesk, sanft und spannungsgeladen ("Seemansuhr") oder experimentell ("Schwarze Frau"). Die Lieder im etwas kryptisch "Den See" betitelten Programm handeln von verflossenen aber immer noch brennenden Liebeleien ("Isabell"), Sehnsucht ("Paris" - O-Ton BB: "Ich hatte leider noch nie eine Affäre in Paris"), Erotik ("Schwimmen gehen)", Selbstmord.
Zugegeben - sonderlich tiefsinnig muten Beckers Texte zunächst nicht an ("Wir waren zweisam und unsterblich ... ich kann dich nicht vergessen ... ich liebe dich noch immer"- aus "Isabell"). Aber das erwartet auch niemand. "Man wirft mir immer Pathos und Kitsch vor." Zu Recht. Wo Ben Becker draufsteht, ist Ben Becker drin. Mit großen Gesten stürmt er über die Bühne, flirtet mit dem Publikum, Kunstfigur, aber charmant selbstverliebt. Die einen schmachten, die anderen schmunzeln.
Natürlich darf "Hurt" nicht fehlen, mittendrin; nach Gefühl der Rezensentin beginnt erst danach der spannendere Teil, der, wo das Schmunzeln auch in ein Berührtsein übergeht, spätestens bei "3 Sekunden" (welches von jenen 3 Sekunden handelt vom Sturz bis zum Aufschlag eines sich aus dem Fenster Stürzenden) und dem eingedeutschten Lied von Georg Danzer "Heite drah i mi Ham" ("Heut fahr ich nach Haus, schneid mit die Pulsadern auf"). Da kommt Ernsthaftigkeit, ein Stocken ins Publikum. Ben Becker ist nämlich bei allem sehr leidenschaftlich dabei - bei Liebe, Sex und Tod. Da bleibt manchmal die Frage, was ist Ben, was ist Kunstfigur? Eine Frage, die an diesem Abend nicht hinreichend beantwortet werden kann.
Der Sound in der Oper ist fast durchweg gut, schön ausgewogen und klar, nur der Gesang teilweise zu leise. Die beiden Backgroundsängerinnen tragen für den Geschmack der Rezensentin manchmal zu sehr auf - aber s.o., der Kitsch.
Was seine Singeskunst angeht, auch hier: Wo Ben Becker draufsteht, ist Ben Becker drin. Sein Gesang ist oft eher ein Sprechgesang, ein Hauchen, nicht ganz treffsicher und es bedarf einer Weile, um sich darauf einzulassen, zu -hören. Seine Singstimme hat einen eigenwilligen Charme, sicher, und irgendwie gönnt man es ihm ja auch - wenn er singen will, soll er singen, warum nicht? Ein Seufzen geht manchmal durchs Publikum, wenn diese unverschämt tiefe und sonore Stimme in den Zwischenpausen sprechend und einfach so, wie man sie kennt, durch die Oper brummt. Aber heute wird überwiegend gesungen und das dürfte jeder wissen, der an diesem Abend in der Oper sitzt.
Die letzte Zugabe "Loreley" kommt erstaunlich klar. Unüberhörbar allerdings der Kommentar einer weiblichen Besucherin: "Der kann einfach nicht singen, der kann einfach nicht singen!" während des begeisterten Applauses.
Trotz dessen - ein gelungener Abend. Becker muß heute noch zurück nach Berlin, weswegen 22:00 Uhr der Vorhang fällt.






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