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Tower Of Power   04.11.2012   Berlin, Tempodrom
von (fm)

Wohl keine Soul- und Funkband ist erfolgreicher und bekannter als sie. Seit über 44 Jahren stehen sie gemeinsam auf der Bühne und rocken die Konzerthallen der ganzen Welt. Sie nahmen schon mit Musikern wie Aerosmith und Elton John Platten auf. Sie performten live auf der Bühne mit Madonna, Heart, The Rolling Stones, Little Feat, The Eurythmics and David Sanborn und mit Linda Ronstadt. Sie tourten mit Creedence Clearwater Revival und Sly Stone. Die Rede ist von Tower Of Power.
Ich werde in den Backstage-Bereich geführt und vom Manager in Empfang genommen. Es ist schon 20.10 Uhr - das Konzert hat schon angefangen und die Vorband spielt. Ich setze mich auf die rote Couch in der Künstlergarderobe und warte, bis Emilio Castillo den Raum betritt. Er wirkt total entspannt und routiniert. Sehr schnell kommen wir ins Quatschen über Musik, über Soul, die 60er und 70er und das Saxophonspielen, übers Familienleben, Bandmitglieder und sein Lebensmotto. "Feel right, do right!"
Castillo war schon im sehr jungen Alter begeistert von Soulbands wie The Platters, aber vor allem von Vocal Soulmusic und lernte durch seinen Vater, der als Barkeeper in Detroit arbeitete, das Business der Show- und Tanzbands kennen. Zusammen mit Doc Kupka gründete er 1968 die Band Tower Of Power. Doch was machte Kupka so besonders? - Die Antwort von Castillo: "Schau ihn dir einfach an, dann weißt du es!" Und in der Tat ist er eine Erscheinung auf der Bühne mit seinem Hut, seinem riesigen Baritonsaxophon und seinem tiefen vollen Sound und Soul im Ton. Auch seine Tanzeinlagen finden beim Publikum großen Anklang.
Doch wie kann eine Band so lange zusammenhalten? Castillo meint dazu, er suche die Musiker vor allem nach ihrer Persönlichkeit aus, denn man verbringe fast das ganze Leben mit ihnen. Da müsse es schon passen. Aber nicht nur das: Emilio Castillo sieht in der Band eine Lebensaufgabe. Die Kraft dafür nehme er vor allem aus dem Glauben an Gott. "Es ist die Aufgabe, die er mir gegeben hat." Und natürlich warte zu Hause auch eine Familie, die ernährt werden müsse.
Weiterhin würde das alles nicht funktionieren ohne die vielen Leute im Hintergrund - mindestens fünf - für Management, Finanzen, Technik und Beratung.
Wie entstehen die groovigen Songs von Tower Of Power? Emilio Castillo und Doc Kupka sind beim Schreiben vor allem beeinflusst durch den Soul der 60er und 70er. "Gute Songs können eine wunderschöne Melodie haben, einen erdigen Groove oder es ist der Text oder die Harmonien, die zuerst kommen und dann entwickelt sich alles drum herum. Meistens bringen wir einfach die Songs mit in die Proben und erarbeiten sie zusammen. Da gibt es kein Konzept, wie man am besten Songs schreibt - es kommt einfach."
Doch was macht diesen typischen Tower-Of-Power-Sound aus? - Viel Funk, viel Soul und einige klassische Balladen. Neben den wirklich durchdachten, komplizierten Grooves besticht Tower Of Power vor allem durch die unsagbare, auf den Punkt spielende Hornsection mit fünf Bläsern. Ich habe selten so einen perfekt intonierenden und hoch spielenden Trompeter gehört wie Mic Gillette an diesem Abend. Wohl keine andere Hornsection ist so bekannt wie die von Tower Of Power. Zwei Geheimnisse stecken dahinter: Auf der einen Seite hat wohl kaum eine Section so lange zusammen gespielt und auf der anderen Seite geht nichts über das Arrangement. Nicht ohne Grund haben die fünf Musiker von Tower Of Power schon mit Bands wie Aerosmith aufgenommen. Die einzige Streitfrage ist dann immer: Wer wird die Arrangements schreiben? Emilio Castillo pflegt dazu zu sagen: "If you want the real Tower Of Power sound, you should use our arranger Greg Adams - one of the most famous and best horn section arranger in the world." So spielten sie z.B. auf der Platte von The Hawkins Family, die damit sogar einen Grammy gewann.
"Wir sind Tower Of Power, wir machen Soul und wir wollen nicht in eine andere Schublade geschoben werden. Dass unsere Musik mal etwas mehr in Richtung Reggae, mal etwas mehr zum Blues geht, stimmt nicht - es ist einfach der echte Soul, der Oakland Soul." Doch da stellt sich manchmal auch die Frage, ob vielleicht andere Einflüsse und Richtungen neue interessante Türen öffnen können und den traditionellen Sound von Tower Of Power bereichern würden.
10 Musiker, eine Menge Soul und Funk, tanzendes Publikum und eine richtig gute Bühnenshow - das ist es, was Tower Of Power ausmacht und was sie auch wieder beweisen, als sie gegen 21 Uhr die Bühne betreten ...
Heute sind sie mit einem Ersatzdrummer für David Garibaldi und einem Ersatzsänger - er hatte erst zwei Konzerte gesungen - angereist, wodurch die ersten paar Songs ein wenig unsicher wirken. Doch nach ein paar kleinen Anlaufschwierigkeiten legt die Band los mit dem "echten Soul", mit sehr witzigen Bühnenchoreographien und dem typischen powervollen Sound der Hornsection von Tower Of Power. Das Eis bricht, sobald Emilio meint: "Ey guys, I mean it's really polite of you being quiet, but you are allowed to stand up and dance!" Sofort drängen sich auch die letzten Zuschauer von den hinteren Rängen nach vorne und fangen an zu tanzen zum Song "You Got To Funkifize" - selbst ich kann nicht anders, als mein Notizbuch beiseite zu legen und mitzumachen. Zu dieser Musik muss man einfach tanzen, auch wenn die Menge bei den Balladen in die Stühle sinkt, weil sie sich bei den Funksongs tänzerisch so verausgabt hat.
Spätestens die Choreographie, bei der die Hornsection ihre Oberweiten schüttelt, reißt das Publikum von ihren Sitzen hoch und sorgt für große Erheiterung im Saal. Auch der für Larry Braggs eingesprungene Sänger hat jede Aufregung verloren und zeigt nun, was er wirklich mit seiner Stimme anstellen kann. Er erzählt die Geschichte der "Mrs. Jones" mit einer wirklich bewundernswerten, berührenden Stimme, sodass er tosenden Applaus erntet.

Tower Of Power haben wieder einmal bewiesen, dass sie eine der begehrtesten Soulbands sind, und ein sehr rundes Konzert abgeliefert. Insgesamt ein sehr schöner Abend mit wirklich guter Musik!






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