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Silly   02.06.2012   Zeitz, Schlosspark Moritzburg
von mb

"In Zeitz ist alles ROT"

An einem Biertisch in Prenzlauer Berg fing alles an ... Eine Band wie Silly, mit ihrer Geschichte, ihren Liedern, ihren Texten - da ist eine persönliche Spannung durchaus berechtigt.
Auch die fantastische Location und Umgebung konnte nicht wirklich beruhigen. Der Schlossgarten in Zeitz war sonnendurchflutet und die Menschenmassen strömten durch zart bepflanzte Gartenwege (der Chefredakteur entdeckte drei Wochen später dort u.a. prachtvolle Lilium regale und interessante Sorten von Iris sibirica - Anm. rls), zielstrebig zur Hauptbühne der Schwarzbiernacht, deren Eröffnungskonzert Silly bestritten. In großer Erwartung. Viele von ihnen verdanken und verbinden mit dieser Band sehr viel. Einen Halt in schwierigen Zeiten. Ein Sprachrohr, welches sie sich selbst nie getraut haben zu benutzen. Eine Verbindung zu allen anderen.
Einige Zuschauer hatten Silly schon vor 1996 gesehen, vor dem Tod von Frontfrau Tamara Danz, aber noch nicht wieder nach 2006, dem Antritt von Anna Loos. In den Gesichtern vieler Männer und Frauen war deutliche Spannung zu erkennen. "Wie würden sie auftreten?" "Wie würden sie klingen?", "Wird man Lücken spüren?", "Werden sie ihrer Sache gerecht?"
Ohne viel Umwege und wenig überflüssige Ankündigungen begann es endlich. Jäcki Reznicek, Ritchie Barton, Uwe Hassbecker sowie die Gastmusiker Daniel Hassbecker, Herr Petereit und Ronny Dehn betraten als erste die Bühne. Musikalisch, versteht sich. Wie das Intro einer guten CD. Man hörte und spürte sofort: "Es wird was Gutes." Wie bei einer ersten Begegnung entscheiden die ersten Sekunden. Sie haben für Silly entschieden.
Dann sprang sie dazu. Einfach unbeschwert, in die Mitte der Bühne. Anna Loos. Die "Neue".
Und doch dauert es weniger als einen Augenaufschlag um zu bemerken, dass es sich gar nicht so neu anfühlt. Ein anderes Gesicht, eine andere Stimme, aber das gleiche Gefühl. Niemand wird gern oder sollte überhaupt verglichen werden. Dennoch wird sie sicher schon viele kritische Blicke hinter sich haben. Nachvollziehbar. Sie ändert eine tragische Lücke. Aber nicht um sie zu füllen, sondern um eine wirklich gute Band weiter zu bereichern. Tamara Danz war eine sehr beeindruckende Persönlichkeit. Anna Loos ist das nicht weniger. Im Gegenteil. Sie vereint das Beste von damals mit dem Schönsten von heute - ihre eigene Liebe für deren Musik mit der Möglichkeit, jetzt selbst ein wichtiger, klangvoller Teil zu sein. Ihre Stimme ist unglaublich schön, einfach klar, mit Stil und berührend.
Anfängliche kleine technische Ungereimtheiten verliefen sich unbemerkt im musikalischen Sand. Völlig überboten von ständigen Instrumentenwechsel. Bei den meisten Bands stellt sich dann sofort die Frage: "Wofür denn bitte?!" Aber hier, der personifizierte Gegensatz. Diese Leidenschaft beim Spielen jeder einzelnen Gitarre war unglaublich beeindruckend, mindestens genauso wie das damit einhergehende Talent. Was ich, wie ich persönlich eingestehen muss, überhaupt nicht erwartet hatte. Wunderbar. Zwischendurch schnipsten mir Namen wie Hendrix, Young, Page und Grohl in den Kopf. Wirklich wahrhaftiger Wahnsinn.
Die Verbindung zwischen Band und Zuhörern ist den Rockern mindestens genauso wichtig wie ihre Authentizität. Ihre Individualität. Heute wie damals. Anna wirkt sehr aufgeschlossen, begeistert und voller Lebensfreude. Es steckt an. Man muss einfach lächeln. Eine "allgemeine Verliebtheit", wie sie es beschrieb.
Man hat das Gefühl, sie ist genau da, wo sie hingehört. In diese Band. Man wird förmlich gezwungen mitzuwippen. Man sieht ihr gerne zu, sie strahlt übers ganze Gesicht. Es macht richtig Spaß. Sympathie und Ehrlichkeit ist nach Talent und Musik das Wichtigste für eine Band, zumindest wenn es nach mir geht.
Das Repertoire umfasste alte Hits aus der "Silly-Schatzkiste", Lieder vom neuen Album "Alles Rot" und einiges von der "Elektro-Akustik-Tour". Unter anderem ließen sich die Zuhörer von Songs wie "Asyl im Paradies", "Ich sag nicht Ja", "Bataillon D'Amour" und "Alles Rot" beflügeln.
Ein reges Mitmachen herrschte auch bei "Mont Klamott", ein Stück, was mir bis dato noch nicht bewusst zu Ohren gekommen war, aber äußerst mitgerissen hat. Selbst Menschen jenseits der magischen 40 riss es aus stupidem Zusehen. Da war das elterliche Vergnügen dann doch nicht mehr so uncool. Und wenn einen die Melodie und der Rhythmus nicht vom Hocker gerissen haben, dann der Spaß, den alle Musiker mit- und untereinander hatten. Wunderbar mitreißend. Sehr ehrlich, begründet und ansteckend. Trotz aller Freude kommt man nicht umhin, wenn auch nur kurz, über die Texte zu sinnieren. Sie sind deutsch, man kann sich also schlecht weigern, sie zu verstehen. Darüber nachzudenken, sich selbst darin wieder zu finden und sich berühren zu lassen. Oft sind Inhalte und Stil Geschmackssache, aber Silly treffen den Nerv der Zeit. Und bleiben sie selbst.
Nach 1,5 Stunden voll alter, neuer und echter Musik verließen Silly die Bühne mit der Zugabe "Silly lassen sich auf nichts festlegen, außer auf die Liebe!" (Anna Loos).

Mehr Infos: www.silly.de



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