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Rock gegen rechte Gewalt   16.09.2011   Chemnitz, Südbahnhof
von rls

Drei Nachwuchsbands aus Chemnitz und Umgebung treten an einem lauen Septemberabend unter obenstehendem Motto im Pilspub des Südbahnhofs auf. Aufgrund logistischer Schwierigkeiten kommt der Rezensent erst dort an, als When The Horizons Die gerade die Bühne verlassen wollen, aber mit Zugaberufen daran gehindert werden. Was von draußen dann noch zu hören ist, entpuppt sich als kompetentes Herunterbeten der gängigen Metalcore-Stilmittel mit Wechselgesang aus Gebrüll und Clean, wobei letztgenannte schon einen erstaunlich sicheren Eindruck hinterläßt - die Band ist noch reichlich grün hinter den Ohren, aber durchaus mit gesundem Selbstbewußtsein ausgestattet.
In der Umbaupause strömt ein guter Teil der Besucher durch den direkt neben der Bühnenecke gelegenen Ausgang, der aber aufgrund Platzmangels im Regelfall von mindestens einem Bandmitglied verstellt wird, nach draußen, was dem Rezensenten Gelegenheit gibt, in die Lokalität zu gelangen und dort einen günstigen Beobachtungsplatz auf der Treppe einzunehmen. Das ist an diesem Abend auch besser für die Gesundheit, denn etliche Figuren im Publikum hängen der Theorie an, Metalcoregigs seien ein geeignetes Forum für kampfsportähnliche Übungen, besonders bei äußerst knappem Platz wie hier; daß sich die meisten der in beträchtlicher Anzahl anwesenden weiblichen Wesen, die einfach nur gepflegt rocken wollen, mangels Rücksichtnahme bald aus der ersten Reihe zurückziehen, ist nur eine der Begleiterscheinungen solchen Gebarens. Dafür können Shelldiver prinzipiell erstmal nix, aber vielleicht wäre eine Ansage diesbezüglich doch angebracht gewesen. Auch sie sind stilistisch im Metalcore anzusiedeln, allerdings vom einmaligen Anhören an diesem Abend im Prinzip unbewertbar, was am Sound liegt: Die Drums sind mal wieder viel zu laut (was durch den kleinen Raum noch potenziert wird), von Rhythmusgitarre und Baß hört man dagegen so gut wie nichts, so daß der Gesamteindruck entsteht, Drummer, Sänger und Leadgitarrist hätten sich zu einer Probe getroffen, der Bassist fehle, und der Rhythmusgitarrist habe sein Instrument vergessen und müsse sich deshalb aufs Shouten der Backingvocals beschränken. Das, was zu hören ist, deckt stilistisch im Prinzip das komplette Spektrum des Metalcore ab, lediglich auf Cleangesang verzichtet das Quintett. Originalität scheint weitgehend ein Fremdwort zu sein, dafür klappt der Energietransport gut (beim Drummer sogar so gut, daß er regelmäßig das rechte Becken umwirft), die Leadgitarren lassen ein paar hübsche Melodien blicken, und die erste Hälfte von "Cliffhanger" beweist, daß Shelldiver durchaus interessante Songstrukturen jenseits bekannter Muster entwerfen können. Ohne eine Zugabe kommen auch sie nicht davon.
Bawl Of Beyond bleiben anschließend im Genre, allerdings agieren sie noch einen Tick abwechslungsreicher, ohne aber die gängigen Songwritingtugenden ganz zu vergessen, wie das zahlreiche Bands im heutigen Metalcore gerne tun. Der Bassist sorgt für Cleanvocals, der spindeldürre Sänger deckt ein sehr breites Spektrum im extremen Bereich ab, und der Gitarrist entpuppt sich als deutlicher Traditionsmetalliebhaber, zumindest in seinem Spiel, und das, obwohl er unlängst seines Kompagnons verlustig gegangen ist, was vermutlich manche Songs von der Gitarrenarbeit noch weiter an den klassischen Metal angelehnt hätte. Auch hier klappt der Energietransport tadellos, und sogar der Sound ist immer noch enorm laut, aber deutlich transparenter als bei Shelldiver. Mit "The Best One" streuen Bawl Of Beyond auch eine erfreulich unkitschige Halbballade ein, und das neue "My World My Promise My Fight" wird als Zugabe gleich nochmal gespielt, bis der Drumhocker seinen Geist aufgibt und ein unterhaltsamer Gig mit einigen Schönheitsfehlern (man hätte ja noch eher mit störenden Nazis gerechnet als mit diesen Windmühlenkampfsportlern) noch vor Mitternacht endet.



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