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Rainald Grebe & Das Waldbühnen Orchester   18.06.2011   Berlin, Waldbühne
von CSB

Halleluja Berlin - Das Jubiläumskonzert
Auch wenn Grebe dies womöglich anders sähe, Deutschland ist noch zu retten! Daran konnte man allerdings lautstarke Zweifel anmelden, als es einem wie Mario Barth vor einiger Zeit tatsächlich gelang, mit billigstem Caveman-Klamauk gleich zweimal hintereinander das Olympiastadion zu füllen ... Dass sich die Massen auch von allerhöchstem Kabarett-Niveau locken lassen, dieser Beweis war noch anzutreten. Und siehe da, zur Nachfeier seines 40. Geburtstages versprach der Großmeister des gepflegten Federschmucks ein Freilichtspektakel der Superlative und statt erhofften mindestens 6000 strömten über 14000 Fans in das wohl schönste Amphitheater der Welt, die Waldbühne hinter dem Olympiastadion. In der O2 Arena spielte zur gleichen Zeit übrigens Elton John vor angeblich gerade mal 8000 ungefähr das Vierfache zahlenden Gästen ...

Rainald Grebe  Rainald Grebe

Rainald Grebe  Rainald Grebe
Aber Grebe hatte sich auch ordentlich was einfallen lassen. Als wir unsere Plätze einnehmen, ist das Feuerwerk schon in vollem Gange. Im Boxring, an der an gleicher Stelle schon Max Schmeling gekämpft hat, wird gerade ein griechischer Nachwuchssportler zu Boden gestreckt. Die Bolschewistische Kurkapelle marschiert durch die Arena und auf der Bühne schmettert der Gropiuschor bekannte Heimatkamellen. Mitten in dem bunten Treiben erscheint am Rand ein weißer Wallach und Häuptling Grebe reitet ein. "Auf, Schattenfell, zeig ihnen, was Eile ist ...". Erste Station ist der Boxring und eine kleine Band hat sich auch schon um ihn versammelt. Ein paar Hits werden angespielt, eine Bestandsaufnahme im Publikum ergibt, dass der Szenebezirk Prenzlauer Berg ziemlich spärlich vertreten ist oder sich die Offenbarung nicht zutraut. OB Wowereit wird begrüßt und gleich noch ein geschmackloser Schwulenwitz hinterher geschoben. Und wenn man schon dabei ist, kann man auch gleich das Ende der Spaßgesellschaft in Gestalt von "Dörte" besingen. Spätestens jetzt hat Grebe sein Publikum im Sack, was angesichts der sehr bedingten Mitsingkompatibiltät seiner "Hits" schon verwundert. Aber die 14000 zeigen sich auch bei den schrillsten Wortschöpfungen enorm textsicher. Weiter geht's auf der großen Bühne und zum Häuptling gesellen sich ein DJ im Militäroutfit, ein Bassist im Brautkleid, der legendäre Keyboarder Buddy Casino mit Dinosaurierstacheln auf dem Rücken, ein Drummer mit Fischkopf, das Rentnerstreichquartett um Onkel Horst und ein Kamel auf Rollschuhen. An Skurrilität reicht Grebes Show sicher an einen Helge Schneider heran, allein Grebe ist um Längen relevanter! Seine Milieustudien rund um den Prenzlauer Berg, die 30-jährigen Pärchen, die sich in Luxusproblemchen zerreiben, und die sinnsuchenden Stadtflüchtlinge, die auf dem Land die Dörfler verachten, sind natürlich überspitzt und teilweise bösartig und treffen doch einen Gutteil des Publikums bis ins Mark. Man fühlt sich bei seinen Songs stets anteilig ertappt und muss darüber lachen und mitfeiern. Immerhin ist Grebe, wie er zugibt, selbst Mitglied bei LPG, dem größten Naturkostverbund, und damit selbst ein angespießter Ökostädter ;-) Grebe wertet nicht, er übertreibt. Und das meistens aus der Innensicht. Politisch wird es bei "Der Präsident", wo Grebe in Militäruniform den südamerikanischen oder wahlweise aktueller den arabischen Despoten mimt. Das Gefühl der Allmacht bei gleichzeitigem völligen Sinnverlust konkretisiert er dann nochmal eindrücklich in "Oben" stilecht in Krone und Purpur. "Seit mein Geld für mich arbeitet, mach ich nur noch Sudokus und Arschbomben". Wir unten sind fasziniert!

Rainald Grebe  Rainald Grebe
Bei aller Sprachgewalt und textlicher Brillanz liegt heute der Schwerpunkt aber auch auf der Show, und die zelebriert Grebe höchst souverän. Alles wirkt wie aus einem Guss, Grebe improvisiert, plaudert mit dem Publikum, provoziert einen Zwischenrufer und agiert mit einer Lockerheit, die man von einem gelernten Kabarettisten vor einer solchen Masse eigentlich nicht voraussetzen müsste. Dass es sich nicht um Grebes Wohnzimmer sondern um die Berliner Waldbühne handelt, daran erinnert uns Dieter. Angeblich war der Rollifahrer schon 1965 beim gerademal 20-minütigen Stoneskonzert dabei, als die Location völlig verwüstet wurde und auf Jahre keine Konzerte mehr stattfinden konnten. Diesem Ereignis will man gedenken und bittet das Publikum auf die Bänke zur Zerstörung der Waldbühne. Auf einen Stock gestützt feuert Dieter die Massen an. "Ihr habt keinen Drive. Zerstört das Ding!!" Aber nichts passiert - wir sind zu harmlos geworden. "Massenkompatibel", wie Grebe uns auch noch vorführt. Weiteres Highlight ist ein Kurzauftritt von Rene Marik, Deutschlands bekanntestem Puppenspieler, und seinen Maulwürfen, Eisbären und Fröschen, die dem Publikum dank diverser Videoplattformen bestens vertraut sind. Daneben taucht immer wieder ein krakeelender Bauchredner auf, der mit seinen Versuchen, einen toten Papagei zum Sprechen zu bringen, höchst amüsant scheitern muss.

Rainald Grebe  Rainald Grebe
Das ganz große Highlight allerdings ereilt uns natürlich zum Ende der Show. Nach 4 Hymnen, in denen die "schwierigen" Länder Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen grandios durch alle Klischees gezogen wurden, versammeln sich diverse Chöre auf der Bühne, ein Typ baut ein so genanntes Holzfeuerwerk auf (ein echtes wird von einer ominösen Anwaltskanzlei, die ihren Sitz im Wald hinter der Bühne habe, nicht gestattet ...), die Bolschewistische Kurkapelle bezieht Stellung und das Publikum holt nochmal tief Luft. "Brandenburg" ist das phänomenale Ende einer Show, die ihresgleichen sucht. Zum hymnischen Refrain werden gigantische Berlinbanner entrollt, das Holzfeuerwerk schießt über die Bühne und Grebe hat 14000 Menschen dazu gebracht, ironisch-selbstironisch "Halleluja Berlin" zu singen. Reife Leistung!!



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