www.Crossover-agm.de Up in Smoke Vol. 1 - Elektrohasch Label Night mit Colour Haze, RotoR, Sungrazer, Papir   17.02.2011   Kopenhagen (DK), Stengade
von lene

Der Club Stengade liegt - wie der Name schon sagt - in einer Straße namens Stengade. Hat man die erst einmal auf dem Kopenhagener Stadtplan lokalisiert, bedeutet das aber noch nicht, dass man auf Anhieb den richtigen Hinterhof findet. Aber an dem Donnerstagabend, als ich dort das "Up in Smoke", eine Art reisendes, internationales Minifestival, suchte, war es das Beste, einfach den Ohren nach zu gehen. Denn als ich den Club betrat, hatte die dänische Band Papir gerade den ersten Song angestimmt.
Papir  Papir
Genau wie die drei anderen Bands des Abends traten Papir mit Gitarre, Schlagzeug und Bass an, um dem Publikum eine schmackhafte Kostprobe von Kopenhagens psychedelischem Untergrund zu geben. Schlagzeuger Christoffer Brøchmann Christensen stand nicht nur optisch, sondern mit seinem virtuosen Trommelwirbel auch musikalisch im Zentrum. Das hat man selten - steht vor den Schlagzeugern sonst doch häufig ein Sänger im Weg. Auf diesen können Papir aber getrost verzichten, ohne dass es dem Zuschauer langweilig wird. Als Warm-Up bot die Kopenhagener Band fünf spannende, durch Rhythmenwechsel, interessante musikalische Wendungen, Steigerungen, Tempovariationen gekennzeichnete Songs, inspiriert vom Krautrock der 60er Jahre. Das Trio, bestehend aus Nicklas Sørensen, Christoffer Brøchmann Christensen und Christian Becher Clausen, ist demnächst auf Deutschland-Tour, u.a. in Halle (20. April, Hühnermanhattan), Ansbach (21. April, 13eins) und Leipzig (22. April, Zoro).

Sungrazer  Sungrazer
Nach nur kurzer Pause spielte die niederländische Stoner-Rock-Band Sungrazer, ebenfalls zu dritt mit Gitarre (Rutger Smeets), Bass (Sander Haagmans) und Schlagzeug (Hans Mulders).
Inzwischen verbreitete nicht nur die Nebelmaschine Rauch, sondern auch die Pfeifen der Zuschauer, die getreu dem Motto der Veranstaltung den passenden Smoke verbreiteten. Sungrazer warteten mit wabberndem und wummerndem Sound auf, der sich manchmal wie ein alter dicker Omnibus dahin schob, der hin und wieder auch schneller fährt. Ich konnte riechen, dass der Typ neben mir den Pulli ausgezogen hat - auch das gehört zum Stimmungsbild. Dann wurde der alte Bus schneller, es ging bergab und die Köpfe nickten, die Augen geschlossen. Minutenlang. Der Bass brummte, die Musik wurde langsamer und der Omnibus blieb schließlich stehen.
"You guys smell good, you put hashish under your arms!", konstatierte Bassist Sander Haagmans nach dem zweiten Song.
Bei der dritten Nummer steigerten Sungrazer das Tempo. Die Stücke der Band kamen insgesamt sehr chillig und psychedelisch daher, lang und nur sparsam mit Gesang von Bassist und Gitarrist untermalt. Dadurch wirkten sie insgesamt weniger dynamisch als die der Vorgängerband Papir. Im letzten Song drehten Sungrazer aber noch einmal richtig auf und nun kamen auch die Headbanger im Publikum zum Zuge. In der ersten Reihe spielte man Luftgitarre und sogar Luftschlagzeug. Nach ebenfalls einer halben Stunde räumten die Niederländer nach einer insgesamt guten Vorstellung die Bühne.
Dass eine gute halbe Stunde eine optimale Länge für alle vier Bands des Abends gewesen wäre, wurde mir im Laufe des Abends klar. Denn wenn man die Musik nicht in tiefster Trance erlebt, können insgesamt fast fünf Stunden psychedelischer Stoner-Rock doch sehr langatmig werden.

RotoR  RotoR
Als nächstes betrat die Berliner Instrumentalrockband RotoR, ebenfalls mit Gitarre (Tim Mentzel), Bass (Marco Baale) und Schlagzeug (Milan Pfützereuter) ausgerüstet, die Bühne. Da wurde es nicht nur von der Beleuchtung, sondern auch musikalisch dunkler. In RotoRs erstem Song brummte der Bass bedrohlich wie ein sich nähernder Hornissenschwarm und selbst langsame Passagen klangen eher wie die Ruhe vor dem Sturm. Verstärkt wurde der leicht aggressive Bühnenstil des Trios dadurch, dass die Musiker so wenig wie möglich mit ihrem Publikum interagierten, und auch nach dem dritten Song hatten RotoR noch nicht einmal ihren Bandnamen genannt. - Das vorwiegend männliche Kopenhagener Publikum ließ sich davon aber nicht stören und lockte den Bassisten nach dem zweiten Song immerhin zu einem gemeinsamen "Skål!". Hin und wieder befand sich RotoRs Rock an der Grenze zum Metal, und die Lautstärke überstieg zuweilen meine Schmerzgrenze (trotz Ohrstöpsel). Schlagzeuger Milan Pfützereuter hielt die vielen, für RotoR charakteristischen Rhythmenwechsel, Stilbrüche und Steigerungen musikalisch zusammen, während Bassist Marco Baale den Klang insgesamt dominierte. Bis auf die Liedanfänge ähnelten sich viele der in Kopenhagen gespielten Songs allerdings stark - erst beim sechsten oder siebten Lied brachten verschiedene Soli und ein paar andersartige Melodien etwas Abwechslung. Zum Dank warf ein Fan in der ersten Reihe dem Schlagzeuger Luftküsse zu, danach dröhnte Marco Baales Bass wieder in gewohnter Lautstärke. - Fazit: RotoR sind am besten in voller Trance zu genießen, aber dann hätte ich diese Zeilen hinterher nicht mehr zu Papier bringen können.

Colour Haze  Colour Haze

Colour Haze
Am inzwischen späten Abend lösten Colour Haze dann RotoR auf der Bühne ab. Das Trio, bestehend aus Stefan Koglek (Gitarre, Gesang), Philipp Rasthofer (Bass) und Manfred Merwald (Schlagzeug), hinterließ ganz klar einen professionellen, aber zeitweise auch kühlen bis teilnahmslosen Eindruck. Statt aber noch mehr den Bass und den Lautstärkeregler aufzudrehen, näherte sich das Volumen wieder erträglichen Höhen und der Abend fand zurück zu energievollen, melodischen Kompositionen, hin und wieder aufgelockert durch Gitarrist Stefan Kogleks Gesang. Colour Haze besitzen ganz klar einen kleinen Fanclub vor Ort und auch zu späterer Stunde war der Club in der Stengade noch gut besucht. Beim zweiten Song ("All") schraubte das Trio aus München das Tempo zunächst ganz herunter und stille, chillig-entspannende Gitarrenklänge erfüllten den Raum minutenlang, bis die Band das Tempo schrittweise steigerte. Stefan Koglek brauchte seine Stimme mehr zur melodischen Untermalung der Gitarre, anstatt tatsächlich als Sänger hervorzutreten. Beim Song "Moon", rhythmisch mit Gitarren-Schlagtechnik startend, sang Koglek so hoch, dass er fast etwas unschön an Tobias Künzel in einem Lied von den Prinzen erinnerte - als reines Instrument passte der Gesang aber gut zum Song.
Mit deutlich mehr Variation und ausgefeilteren Kompositionen, als RotoR bieten konnten, krönten Colour Haze mit einer langen, fast endlosen Session den Abend. Zeitweise schien sich aber auch Colour Haze etwas festgefahren zu haben, und man konnte sehen, dass sich die Reihen des Publikums nach so viel Elektrohasch-Dröhnung gegen Mitternacht langsam lichteten. Der andere Teil der Zuschauer befand sich zu diesem Zeitpunkt schon in tiefer Trance - wie vielleicht auch die Band oder zumindest Bassist Philipp Rasthofer, der zeitweise mit geschlossenen Augen spielte und begeisterte Zwischenrufe aus dem Publikum nur mit mattem Lächeln quittierte. Colour Haze warteten zu dieser späten Stunde mit Instrumentalstücken wie endlosen Gitarrensoli auf. Erst beim Song "Peace Brothers Sisters" kam wieder Leben in den Club und der Gesang rüttelte die Zuschauer dann doch noch einmal aus der Meditation. Zum Ende der Session hin gewannen Colour Haze noch einmal an Tempo und erweiterten auch noch einmal das musikalische Spektrum um buschtrommelartige Rhythmen und einem Song, der langsam wie ein dicker Elefant dahergestapft kam - der vielleicht einzigen Ballade des Abends.

Links:
http://papir.bandcamp.com/ (Lustig: Album-Kauf mit Preis zum Selbstbestimmen)
http://www.sungrazer.nl/
http://www.RotoRotor.de/
http://www.colourhaze.de/



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