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Deep Purple, Marillion   16.11.2010   Mannheim, SAP Arena
von gl

Wer einen zu hohen Kurs aufruft, erhält die Quittung in der Halle - was sonst oft eben nicht zutrifft, hat heute wieder Bestand: Sage und schreibe 68.- Euro werden verlangt (somit gleich 20 mehr als noch vor 4 Jahren!) und das in Mannheim auch gerne mal "UFO" genannte, leicht futuristisch aussehende Rondell im Bösfeld ist infolgedessen nur ein wenig mehr als halb gefüllt.
Eine auf den ersten Eindruck seltsame Kombination ist hier unterwegs - welcher Alt-Rocker gibt sich gerne den feinen Klängen des Art-Rocks von Marillion hin? Für mich ein tolles Package und sicherlich schätzen sich die Musiker untereinander sehr, denn großzügig gewähren Purple ihren Landsleuten gleich eine ganze Stunde Spielzeit (jene stehen somit länger als W.A.S.P. bei ihrem Headliner-Set auf der Bühne!).

Der Beginn: Steve Hogarth mimt den tattrigen Professor  Pete Trewavas im Halbdunkel

Ian Mosley versteckt sich hinter seiner Trutzburg  Pete und h

Steve Rothery entrückt in himmlischen Gitarrenwelten  Mark Kelly spielt seitlich zum Publikum
Zunächst wankt ein unsicherer Tattergreis mit Krückstock gen Bühnenmitte: Steve Hogarth mimt einen Professor, schauspielert auch ein wenig und stützt sich auf den Mikroständer. Der Sound ist sehr laut, aber gut ausgesteuert, die Akteure bewegen sich wenig, ist auch nicht vonnöten, denn die Musik überzeugt. Mir ist's egal, wie dünn oder dick ein Musiker ist, aber Steve Rothery kann man mittlerweile fast schon als "fett" bezeichnen - ist deswegen sein Radius auf der doch großen Bühne so minimiert? Seitens des Publikums wird im Grunde nur ruhig zugeschaut wie bei einer Theatervorstellung, wobei ich mir nicht so sicher bin, ob es nun die Faszination oder gelegentlich auch die Langeweile war; geklatscht wird nur in den Pausen. Einige wenige Hardcore-Marillion-Freaks von "The Web" (dem Fanclub) gehen unter in einer still auf die Bühne glotzenden Meute. Sonst total verpönt bei Rockkonzerten, fehlt eigentlich nur noch die Bestuhlung! Was Marillion hier aber abliefern, ist musikalisch vom Feinsten und stellt in seiner allabendlich wechselnden Liedreihenfolge natürlich die vorab verteilten Zettel mit der angeblichen Setlist (im Grunde sollte es ein hilfreicher Service an Journalisten sein, hier eher kontraproduktiv, da komplett geändert - und das ist auch gut so!) auf den Kopf. Tatsächlich fügt die Band das lange nicht gespielte "Kayleigh", ihren größten Hit aus alten Zeiten, ein, bevor sie den Set mit dem überragenden "Neverland" beendet. Und gerade als ich endlich die allererste Konzertbesprechung aller Zeiten ohne Erwähnung des ehemaligen Sängers schreiben wollte, macht jener einen Strich durch die Rechnung. Denn Fish tritt von allen deutschen Städten ausgerechnet zeitgleich im Capitol zu Mannheim vor übrigens ca. 300 Leuten auf, und man nimmt sich somit gegenseitig die Zuschauer weg, welch ein Kuriosum!

072: Roger 'Kopftuch' Glover und Steve 'Indianer' Morse  Ian Gillan (man beachte: ohne In-Ear Monitoring)

Roger, Ian und Steve  'Na, Steve, soll'n wa noch einen?' 'Ha, na klar, Ian!'

Ian gibt alles!  Steve Morse

Ian Gillan  Ian Paice

Roger Glover  Don Airey
Die Tournee läuft unter dem Banner "40 Years In Rock". Ian Gillan und Roger Glover sind beide 65 Jahre alt und die beiden alten Hasen verbreiten immer noch bzw. wieder, dass sie Freude an ihrer Arbeit haben - das wird beim Eröffnungsstück "Highway Star" deutlich. Die Akteure brauchen sich gar nicht viel bewegen, es kommt auch so Stimmung rüber. Dauerlächler Steve Morse, der wie üblich ein Indianer-Flair verbreitet, holt scheinbar mühelos aus seiner Klampfe Faszinierendes raus. Nach "Hard Lovin' Man" (von "In Rock", 1970) ertönt das für mein Dafürhalten sehr selten gespielte "Maybe I'm A Leo" (vom Album "Machine Head", 1972), was zumindest ich noch nie live gehört habe. Drei solch alte Songs, die aber eben gerade nicht dafür stehen, dass dies heute eine Oldie-Veranstaltung ist, auch wenn ich mich freue, endlich mal ein paar Altersgenossen zu sehen, und nicht zu den Älteren im Saal gehöre. Tja, das letzte Album "Rapture Of The Deep" - es wird übrigens heute nur noch durch den Titeltrack berücksichtigt - erschien bereits vor über 5 Jahren, doch die üblichen Zyklen anderer Bands (Album, danach Tour, 2 Jahre später das gleiche …) sind bei dieser Band völlig irrelevant. Es ist immer wieder eine Freude, Ian Paice am Schlagzeug zuzusehen, wie auch er für andere Drummer Unmachbares scheinbar nebenher erledigt. Und da wäre da natürlich noch Keyboarder Don Airey, der wohl für unser Land noch die Nationalhymne in sein Solo einbaut. Danach gibt's zwar keine Überraschungen mehr, aber das ist ähnlich wie bei Quo, UFO oder Wishbone Ash, bei denen auch die Hälfte bis zwei Drittel des Sets von vorneherein fest stehen. Deep Purple haben heute einmal mehr bewiesen, dass sie zu Recht zu den ganz Großen gehören und ich wünsche ihnen, dass viele sie genau so in Erinnerung haben, bevor sich dies ändert. Es war abgesehen vom happigen Eintrittspreis ein sehr gelungener Konzertabend.

Setlist Marillion:
1. The Invisible Man
2. King
3. Easter
4. Cover My Eyes (Pain And Heaven)
5. Afraid Of Sunlight
6. Sugar Mice
7. Hooks In You
8. Kayleigh
9. Neverland

Setlist Deep Purple:
1. Highway Star
2. Hard Lovin' Man
3. Maybe I'm A Leo
4. Strange Kind Of Woman
5. Rapture Of The Deep
6. Fireball
7. Silver Tongue
8. Guitar Solo by Steve Morse
9. When A Blind Man Cries
10. The Well Dressed Guitar
11. Almost Human
12. Lazy Play
13. No One Came
14. Keyboard Solo by Don Airey
15. Perfect Strangers
16. Space Truckin'
17. Smoke On The Water
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18. Hush
19. Black Night

Fotos: Georg Loegler






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