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Symphony in Rock, Prager Philharmonie Orchester   21.10.2010   Berlin, Konzerthaus
von CSB

Ich bin mir nicht sicher, was Jon Lord und Roger Waters 1970 davon gehalten hätten, wenn ein Zeitreisender ihnen berichtet hätte, dass einige ihrer Hits einmal von den Prager Philharmonikern im altehrwürdigen Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt aufgeführt werden. Vermutlich hätte man sich damals bei dem Gedanken ein wenig pikiert, als Anführer der Rockrevolution einmal Bestandteil der kultiviert-erwachsenen Hochkultur zu sein. Gleichermaßen hätte sie sicher der Stolz gepackt, denn beide hatten schon immer ein Faible für gewaltige Produktionen - und dass Rock und Klassik zumindest musikalisch nah beieinander liegen, haben ja schon viele Projekte zuvor bewiesen.
Der Dirigent dieses Abends, Friedemann Riehle, verkörpert diese verwandten Welten dann auch wie kaum ein anderer. Mit Jeans, halblangen weißen Haaren und einem überlangen Lederhemd steht er an diesem Abend einem der profiliertesten Orchester Europas vor, das sich insbesondere im Bereich der Filmmusik (u.a. für David Lynch und Roman Polanski) mit jährlich über 200 Aufnahmesessions mehr als einen Namen gemacht hat.
Zur klassischen großen Besetzung kommen heute noch ein Schlagzeuger, ein Bassist und drei ausgesprochen ansehnliche Sängerinnen der tschechischen Rock- und Theaterszene. Die mit zahlreichen Preisen dekorierte Markèta Poulickovà macht von dem Trio allerdings die schlechteste Figur. Schon beim Opener "Perfect Strangers" wirkt sie eher piepslig und zudem recht unsicher, klebt am Blatt und vermeidet jeglichen Blickkontakt zum Publikum. Zwar taut sie im Verlauf des Sets etwas auf, dennoch sind ihre stimmlich etwas rauchigeren Mitstreiterinnen Tereza Hàlovà und Nikoleta Spalas da schon von anderem Format und scheinen nie was anderes gemacht zu haben, als Rockklassiker neu zu vertonen.
Auch die Arrangements sind überwiegend stimmig und werden den großen Vorbildern durchaus gerecht. Denn bei diesem Projekt ist das Orchester nicht nur Füllmasse und Hintergrund der Rocker, sondern gewissermaßen die Rockband selbst.
Den Bläsern und dem Schlagzeug kommen in diesem neu arrangierten Gesamtsound eine tragende Rolle zu, was manchmal etwas zulasten der Streicher geht, die bei den härteren Sachen etwas unterrepräsentiert sind. Überraschenderweise sind es vor allem die schnelleren Deep Purple-Songs wie "Fireball", "Strange Kind Of Woman" oder insbesondere "Pictures Of Home", die im großen Orchestergewand mit Bigband-Einschlag eine besonders gute Figur machen. Highlight des Abends ist meines Erachtens allerdings klar Pink Floyds "Echoes" in einer fulminanten, epischen Version, die auch die brillante Laut-Leise-Dynamik des Originals beibehält. Genau das gelingt weniger gut bei "Shine On You Crazy Diamond" und "Comfortably Numb", die beide deutlich zu gewaltig klingen und wo man dem Orchester anmerkt, dass es sonst hauptsächlich mit Filmmusik zu tun hat. Die fragile Schönheit von Gilmours unvergleichlichem Gitarrensolo bei Letzterem will als Trompeten-Einzel zudem so gar nicht funktionieren. "Smoke On The Water" und "Stairway To Heaven" gehen als gelungen durch, ohne zu überragen. Witzig ist beim Zeppelinklassiker vor allem der leicht verhunzte Schluss, den der Dirigent mit einem impulsiven "Das ist Rock'n'Roll" quittiert. Bei "Another Brick In The Wall" kurz vor Schluss kommt im Konzerthaus zudem zum ersten Mal sowas wie Stimmung auf und die Sängerinnen scheinen sich in Sachen Performance mal so richtig einig. Den vorläufigen Schlusspunkt setzt "Brain Damage/Eclipse" in einer wuchtigen und schlicht und ergreifend großartigen Version, die beinahe an "Echoes" heranreicht. Fantastisch, wie Riehle hier die Möglichkeiten des Orchesters voll ausnutzt, um den Spannungsbogen des Originals aufrecht zu erhalten. Klar gibt es Standing Ovations und nach einer gefühlten Ewigkeit gibt's noch den Police-Klassiker "Every Breathe You Take" in einer ziemlich verkürzten aber trotzdem wirklich überzeugenden Variante.
Nach 2 Stunden großer Kunst bin ich mir ziemlich sicher, dass Waters und Lord ziemlich gut mit Friedemann Riehles Arbeit leben können. Mit Purple-Fronter Ian Gillan ist das Orchester immerhin schon aufgetreten. Das nächste Programm wird eine Queen-Hommage sein, wohl leider ohne Freddie Mercury ... Kommt aber trotzdem gleich auf den Merkzettel für den nächsten Herbst!!
Kontakt: http://www.symphonyinrock.com/

Setlist:
Deep Purple: Perfect Strangers
Deep Purple: Strange Kind Of Woman
Pink Floyd: Time
Pink Floyd: Echoes
Rolling Stones: Paint It Black
Deep Purple: Fireball
Deep Purple: Smoke On The Water
Led Zeppelin: Stairway To Heaven
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Gustav Mahler: Out Of Universe (from Symphony No. IV)
Deep Purple: Black Night
Deep Purple: Picture Of Home
Deep Purple: Highway Star
Pink Floyd: Shine On You Crazy Diamond
Pink Floyd: Another Brick In The Wall
Pink Floyd: Brain Damage/Eclipse
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The Police: Every Breathe You Take



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