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Emil Steinberger   31.05.2010   Borna, Stadtkulturhaus
von rls

Was haben Emil Steinberger und das Gebäude der Schweizer Botschaft in Berlin gemeinsam, vom Direktbezug zur helvetischen Alpenrepublik mal abgesehen? Nun, beide sind an ihrem jeweiligen Standort quasi unkaputtbare Denkmäler, die allen Herausforderungen, welche die Zeit so an sie gestellt hat, erfolgreich trotzen konnten und können. Wer die Geschichte des in unmittelbarer Nähe des Reichstages gelegenen Botschaftsgebäudes kennt, weiß, was da so alles passiert ist (alle anderen beschäftigen sich mal etwas genauer damit - ist hochinteressant), und auch ein Kabarettdenkmal wie Emil Steinberger hat mancherlei Sturm in der Umgebung ausgehalten und präsentiert sich trotzdem immer noch vital, wovon sich an diesem regnerischen Montagabend das Publikum im seit Monaten ausverkauften Bornaer Stadtkulturhaus überzeugen kann.
Steinberger hat allerdings nicht etwa sein erfolgreiches Emil-Sketchprogramm nach 23 Jahren wieder neu aufgelegt (wobei freilich auch niemand im Saal böse gewesen wäre, wenn er's denn getan hätte - als Bewohner der seinerzeitigen DDR hielten sich die Möglichkeiten, ihn mal live zu erleben, naturgemäß in Grenzen, und man war somit auf ARD und ZDF angewiesen), sondern ist quasi auf Lesereise, um sein neues Buch "Lügengeschichten" zu promoten. Daß er natürlich nicht nur das tut, ist klar - er liest auch aus älteren Büchern und füllt den größeren Teil der etwa 100 Minuten mit freien Wortbeiträgen, die "Überleitungen" zu nennen ihrem Umfang und ihrer durchaus auch eigenständigen Qualität nicht gerecht würde. Dabei schöpft er teilweise aus einem allgemeinen, auch von anderen Kabarettisten genutzen Ideenpool (etwa was den Vergleich der Wortzahl in den 10 Geboten mit der in der EU-Karamelproduktionsverordnung angeht, den die letztere mit etwas über 100:1 für sich entscheidet), zapft aber auch originelle bis originäre Quellen an. In diesem Punkt stehen ihm als Schweizer natürlich erstmal die gesamten Eigenheiten dieses Volkes zur Verfügung, von den "kriegserprobten" Swiss Army-Uhren als Exportgut (was Steinberger dann zur neuen Idee führt, Schweizer Armeekäse zu exportieren, also Emmentaler mit Einschußlöchern) bis hin zu sich durch den ganzen Abend ziehenden verbalen Vergleichen zwischen Schwyzerdütsch und Hochdeutsch, bei denen selbst Steinberger noch etwas lernen kann (beispielsweise daß man das Bettmümpferli hierzulande selbst außerhalb des grenznahen süddeutschen Raumes Betthupferl nennt, ohne damit irgendeine sexuelle Absicht kundzutun). Wie man solche Momente gekonnt ins Programm einbaut, das zeichnet den Meister des Faches aus, und Steinberger erweist sich zweifelsohne als ein solcher. Nicht daß man das nicht schon vorher gewußt hätte, aber man bekommt es auch immer wieder gerne bestätigt, und da hat der Humoristennachwuchs doch noch ein gutes Stück weit zu stricken, um wie Steinberger einerseits die breite Masse zu erreichen, sich aber andererseits nicht auf deren Durchschnittsniveau hinunterbegeben zu müssen. Daß sich in seinem 77jährigen Leben ein immenser Anekdotenschatz angesammelt hat, ist klar, und auch aus diesem schöpft er an diesem Abend reichlich. Zudem führt er das Publikum in den Gebrauch einer Abwandlung des Victory-Zeichens ein - immer dann, wenn er es zeigt, ist die gerade erzählte oder vorgelesene Geschichte wahr (das System hat er vor 40 Jahren erfunden, als er seinem kleinen Sohn Geschichten vorlas), womit der Bogen zum Titel seines Buches geschlagen ist. Das gut gelaunte Publikum erklatscht sich natürlich noch zwei Zugaben, und als Vollprofi baut Steinberger in die zweite einen Cliffhanger ein - man solle sein Buch erwerben, dort könne man die Geschichte von einem Hai, der auf einer Bootstour vor New Jersey an die Angel ging, zu Ende lesen. Ob freilich die kuriose Szene am Ende des "regulären" Teils (Steinberger will nach hinten von der Bühne gehen, findet aber die Lücke im schweren roten Vorhang nicht) gespielt oder echt war, weiß nur der Künstler alleine ... Allerbeste Unterhaltung - ob auch in einem Theater in seiner Nähe, verrät dem Interessenten der Tourplan auf www.emil.ch



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