Così fan tutte 16.05.2010 Leipzig, Hochschule für Musik und Theater von rls
Mozarts Oper "Le nozze di Figaro" stand anno 2008 als von Jasmin Solfaghari inszeniertes Opernprojekt der Leipziger Musik- und Theaterhochschule auf dem Programm - ohne den Rezensenten, der zur gleichen Zeit den Ararat bestieg. Querverweise zu "Così fan tutte" außer dem bekannten, daß der Titel aus der Figaro-Oper stammt, kann er somit nicht ziehen. Fünf Abende lang steht das Stück auf dem Spielplan der Hochschule, wobei beim Betreten des Großen Saales eine veränderte Bestuhlung des unteren Teils auffällt. Der Grund wird im 1. Akt schnell klar, denn die untere Saalregion stellt quasi eine verlängerte Bühne dar, auf der sich einige der Protagonisten gelegentlich zu tummeln pflegen. Hauptprotagonisten gibt es sechs: die Offiziere Ferrando und Guglielmo, deren Soon-to-be-Bräute Fiordiligi und Dorabella, den Philosophen Don Alfonso und Despina, die Kammerzofe der Geschwister Fiordiligi und Dorabella - dazu tritt ein Chor, der meist Soldaten zu spielen hat, und er ist ausschließlich im Zuschauerraum aktiv. Die Ankündigung der Inszenierung hat verlauten lassen, das Geschehen sei in Bollywood angesiedelt - das aber ist für die Acineastenfraktion im Publikum praktisch unmöglich zu erkennen (geneigte Marmorfußböden, die das Fundament des Bühnenaufbaus stellen, gibt es schließlich überall, und auch die restlichen Accessoires sind nicht gerade indientypisch). Die Grundstruktur bleibt jedenfalls erstmal unangetastet: Die Offiziere stellen, vom alten Skeptiker Don Alfonso angestiftet, die Treue ihrer Soon-to-be-Bräute auf die Probe, und siehe da, jede verknallt sich prompt in den verkleideten anderen der beiden. Die Konstruktion ist nicht neu und erlaubt somit eher reizvolle Einblicke in die Detailarbeit. Daß in Hochschulopernproduktionen der Affe immer mal viel Zucker bekommt, ist bekannt - diese Diagnose kann man auch hier wieder stellen, allerdings sind die Einfälle durchaus kompetent in den Gesamtrahmen eingewoben worden. Den Mix aus Psychologin, Heimchen und Zicke, den Regisseurin Solfaghari Diana Kusnetzova für Despina zuweist, muß man jedenfalls erstmal so kompetent umsetzen und nebenbei noch so agieren, daß das Publikum in einem Text wie "Eine Frau von 15 Jahren muß alles können" keine bösen Hintergedanken bekommt. Interessant: Mit jedem ihrer Auftritte wird Despinas Oberteil kürzer. Im Gegensatz zu dieser Vielschichtigkeit führt Karsten Müller als Don Alfonso souverän durchs gesamte Spiel und meistert auch die zahllosen kleinen und größeren Schwierigkeiten, die ihm seine Wettobjekte machen, ohne Probleme. Daß Fiordiligi als biedere Sekretärin, Dorabella aber als emotionale Künstlerin gezeichnet ist und letztgenannte von beiden Frauen eher fällt, ist natürlich bitterböse Absicht und Wahrheit zugleich. Die bekannte Detailverliebtheit von Solfaghari und ihren Mitstreiterinnen in der Kreativfraktion äußert sich selbst in Winzigkeiten, etwa wenn zu "Weht sanft, ihr Winde" sich der hinter der Bühne befindliche Vorhang ganz leicht zu bewegen beginnt oder die beiden untreuen Damen einen roten Punkt auf die Stirn bekommen, wonach einem unwillkürlich kein Bollywood-Film, aber die klassische Verfilmung von "In 80 Tagen um die Welt" ins Gedächtnis springt (hier darf man lange überlegen, was diese Kennzeichnung, in der Opernszene ja eine Selbststigmatisierung, zu bedeuten haben könnte). Zu kreativ ist hingegen leider die Fraktion gewesen, die zum italienischen Gesang die deutschen Übertitel geschrieben hat - mindestens zwei Freudsche Fehlleistungen animieren zum Schmunzeln, diverse das Nachvollziehen unnötig erschwerende Reduzierungen aber zum Stirnrunzeln.
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