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Element Of Crime, Florian Horwath   29.01.2010   Dresden, Alter Schlachthof
von mi

Einen besseren Zeitpunkt für ein Konzert von Element Of Crime als einen Freitagabend nach einer anstrengenden und langen Arbeitswoche kann es wohl kaum geben. Da es dazu auch noch mein erster Livekontakt mit EOC sein sollte, war die Vorfreude dementsprechend groß.
Das Publikum zumindest erfüllte meine Erwartungen, sobald ich vor Ort war: Soweit ich das einschätzen konnte, muss ich mit Abstand der Jüngste gewesen sein (der Altersschnitt lag sicher ein bis zwei Generationen über mir). Ein Umstand, der nicht unbedingt negativ sein muss, aber auf jeden Fall teilweise amüsante Beobachtungen zuließ. So war kurz vor Setbeginn der Supportband der Saal halb leer. Während die Podeste im hinteren Teil vollständig als Sitzgelegenheit genutzt wurden, standen vorn am Bühnenrand die "fanatischen" Oldiefans, die den Eindruck erweckten, wie in ihren Jugendjahren auch diesmal wieder schon Stunden vor Einlass den Eingang belagert zu haben. Eine Traube an Menschen tummelte sich außerdem im Vorraum an der Bar, trotzdem bekam ich kurz Zweifel, dass das Konzert tatsächlich ausverkauft ist, wie es schon seit Wochen zu lesen war. So fiel es mir leicht, einen Platz in der zweiten Reihe zu ergattern und den Gesprächen um mich herum zu lauschen. Bald wurde mir klar, dass diese Art von Konzerten für einige Besucher eher die Ausnahme sein musste: Ein benachbarter, älterer Herr wusste nichts mit einer Supportband anzufangen und die Unterhaltungen wurden alle mit leiser Stimme geführt. Diese bemerkenswerte Ruhe kurz vor Konzertbeginn konnte jedoch nicht über die nahezu greifbare Euphorie im Publikumsraum hinweg täuschen.

Florian Horwath
So war die Freude groß, als plötzlich Sven Regener selbst auf die Bühne trat, den Support Florian Horwath als aufstrebende Band an Europas Freak-Folk-Himmel ankündigte und danach ebenso schnell wieder verschwand. Die Klänge, die nun den Raum erfüllten, waren sichtlich nicht jedermanns Sache, aber bestätigten die Worte Regeners. Die Wiener Band, bestehend aus Pianist, Gitarrist, Schlagzeuger (der hier aber durch EOC-Drummer Richard Pappik ersetzt wurde, welcher nur eine Cajón bediente) und dem namensgebenden Sänger, spielten ein teils sphärisches, teils rumpelndes Folkset und bestachen dabei vor allem durch ein nahezu perfektes Zusammenspiel. Horwath, der rein äußerlich wie Adam Green in groß wirkte, nutzte dabei den riesigen Tonumfang seiner glasklaren Stimme, die der von Chris Martin in nichts hinterher steht, vollends aus und schuf dadurch einige Fleet Foxes-Momente. Durch das von Horwarth gespielte Omnichord, ein elektronisches Instrument, welches einer Zither nicht unähnlich ist, erhielt die Musik eine ganz besondere Klangfarbe. Beendet wurde das in meinen Augen sehr kurzweilige Set mit einem Cover von Norman Greenbaums Hit aus den 1970ern "Spirit In The Sky", welches auch beim ansonsten eher verhaltenen Publikum für Stimmung sorgte.

Sven Regener  Sven Regener
Nach kurzer Umbaupause war es dann schon soweit: Das Licht ging aus und die vier Herren von Element Of Crime kamen mitsamt einem Tourgeiger auf die Bühne, begaben sich an ihre Instrumente und begannen den langen Abend mit dem ersten Song des neuen Albums "Kopf aus dem Fenster". Das Publikum war sofort Feuer und Flamme und wippte mit der beschwingten Melodie im Takt. Von Beginn an strahlten alle Bandmitglieder eine Souveränität aus, die man nur durch lange Tourerfahrung erlangen kann. Jede Note war auf den Punkt, jeder Griffwechsel passte, jedes Zwischenspiel saß und Regeners Stimme hatte einen schon mit dem ersten Ton in seinen Bann gezogen. Nach einer kurzen, aber augenzwinkernden Begrüßung ("Ja, wir sind's.") ging es auch schon weiter im Anderthalb-Stunden-Programm. Im dezent gehaltenen Bühnenlicht, das eine gewisse Spelunkenatmosphäre vermittelte, flossen die Songs nur so dahin. Gitarrist Jakob Ilja zeigte beeindruckend sein Können am Griffbrett, Bassist David Young wirkte wie die Ruhe selbst und hatte das gesamte Konzert über einen zufrieden schmunzelnden Gesichtsausdruck, Schlagzeuger Richard Pappik war so vertieft in sein Spiel, dass er jeden seiner Schläge mit einer interessanten Mimik bedachte, und Sven Regener hatte wohl einen besonders guten Tag erwischt, sang so enthusiastisch, als wären ihm die Zeilen gerade eben eingefallen, und wirkte wie beschwingt vom jubelnden und textsicheren Publikum, dass er häufig zwischen den Songs die Arme in die Luft riss und laut "Romantik" rief. Das Publikum ließ sich davon leicht anstecken: Immer wieder hörte man Freudenschreie, bei "Kaffee und Karin" tanzten einige einen Wiener Walzer und wenn man seinen Blick durch den nun doch bis auf den letzten Quadratzentimeter gefüllten Saal schweifen ließ, sah man viele Zuhörer, die mit geschlossenen Augen der wohligen Musik lauschten. Sehr beeindruckend war auch die Fähigkeit Regeners, den ohnehin schon sehr kraftvollen Songs durch seine mal kratzende, mal nuschelnde, fast lallende Gesangsweise noch mehr Gewicht zu verleihen und dabei dem Publikum nahezu ein Gefühl des Mitleids für den Sänger, aufgrund der tiefgründigen, teils pathetischen Texte zu entlocken. Natürlich durfte auch die Trompete nicht fehlen, der der gebürtige Bremer immer wieder herzzerreißende Soli entlockte.
So ging der Abend schnell vorüber und kaum hatte man sich versehen, eilte die Band nach tosendem Beifall ein drittes Mal zurück auf die Bühne, um das endgültig letzte Stück "Der weiße Hai" anzustimmen, welches Regener amüsiert mit den Worten "Wir wissen gar nicht mehr, was wir noch spielen sollen. Wir haben nicht so viele Songs" ankündigte.
Einziger Wermutstropfen war die penetrant laute Geige, die immer einen Tick zu hoch klang, weshalb man über ein Versäumnis des Soundchecks spekulieren konnte. Aber dieser Lapsus trübte den fantastischen Abend keineswegs, sodass man schließlich mit einem Lächeln im Gesicht in die Nacht entschwand mit dem Wissen, soeben Deutschlands größte Rockpoeten live erlebt zu haben, und sich schon auf das nächste Mal freut, wenn es wieder heißt: "Romantik!"

Setlist:
1. Kopf aus dem Fenster
2. Am Ende denk ich immer nur an Dich
3. Deborah Müller
4. Du hast die Wahl
5. Immer unter Strom
6. Schwere See
7. In mondlosen Nächten
8. Damals hinterm Mond
9. Bitte bleib bei Mir
10. Death Kills
11. Don't You Smile
12. N.N. (englisch)
13. Weit ist der Weg
14. Jetzt musst Du springen
15. Kaffee und Karin
16. Euro und Markstück
17. Immer da wo Du bist bin Ich nie

Zugaben:
1. Einer kommt weiter
2. Delmenhorst
3. Weißes Papier
4. Draußen hinterm Fenster
5. Vier Stunden vor Elbe
6. Der weiße Hai






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