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Klangbezirk, Vokalfabrik L.E.   15.03.2009   Leipzig, Hochschule für Musik und Theater
von rls

Erst Ende 2008 gegründet, lud die Vokalfabrik L.E. zu ihrem Debütkonzert ein, und da man an diesem Wochenende sowieso einen Workshop mit Klangbezirk hinter sich hatte, verpflichtete man die Dozenten kurzerhand auch noch zur Konzertmitwirkung. Das Ganze legte man in den Großen Probesaal im Hochschulzweitgebäude am Dittrichring, dessen Name "Großer Probesaal" nicht absolut zu verstehen ist, sondern relativ, da es auch noch kleinere Proberäume in der Hochschule gibt. Seine Plätze reichten jedenfalls hinten und vorn nicht, so daß die Späterkommenden die Saalseiten noch mit Stühlen zustellten, die Empore und die dorthin führende Treppe letztlich auch noch okkupierten.
Die Vokalfabrik bildete den Opener, marschierte zwanzigköpfig aus verschiedenen Ecken des Saals ein und erzeugte dabei allein mit stimmlichen Mitteln ein akustisches Bild, das dem Dschungel glich, also mit Affen, Vögeln, Insekten und allerlei anderem Getier. Unterstützt durch einen Percussionisten, führte der erste Song "Papa loko/Rara papiyon" passenderweise dann auch nach Haiti, nicht nur in Kreolisch gesungen, sondern auch musikalisch etwas "angeschwärzt" und mit einigen sich auf den ersten Hör nicht erschließenden, sondern noch leicht holprig wirkenden Passagen ausgestattet, aber prinzipiell durchaus Hörspaß machend. Und dieses Bild zog sich durch den ganzen Set: Man war positiv beeindruckt, wie weit dieses junge, sowohl aus Hochschulstudenten als auch aus weiteren Interessierten (man sucht übrigens noch Verstärkung) bestehende Ensemble stimmlich schon ist, bemerkte aber an etlichen Stellen doch den noch zurückzulegenden Weg. Vor allem ein paar ausdrucksstarke Leadstimmen könnte die Vokalfabrik noch gebrauchen, denn so gut Laura Wasniewskis fast spröder Alt auch zu dem schwedischen Wiegenlied "Vaggviselåt" an Setposition 3 paßte, so sehr machten die Herren, welche Lionel Richies "Easy" oder das an vierter Position stehende "Love's In Need Of Love Today" von Stevie Wonder an vorderster Front bestritten, deutlich, daß sie zwar solide singen können, aber für eine Führungsrolle schlicht und einfach noch nicht durchsetzungsfähig und expressiv genug sind bzw. es im zweitgenannten Fall auch auf die Art und Weise der Expressivität ankommt, die hier eher mißglückt anmutete. Dafür saß der Vokalgroove des großen Chores, der den Background bildete und die Instrumente imitierte, über weite Strecken schon sehr gut, besonders im abschließenden "Say" fiel dies sehr positiv ins Gewicht, wohingegen der Effekt des Singens mit zugehaltener Nase in diesem Song zwar eine originelle Klangfarbe hervorrief, aber die gesamte Passage skurrilerweise wie ungewollt sächsisch klang. Unterstützung bekam die Vokalfabrik in drei Songs von Matthias Knoche vom Klangbezirk, der wahlweise eine Baßgitarre oder einen Drumcomputer vokal imitierte, in "Fine" auch noch von Tanja Pannier vom Klangbezirk, die auf Lauras Klavierbegleitung noch einige Vokalisen legte. Ein guter Anfang ist jedenfalls gemacht (mit staubtrockenem Humor von Ensembleleiter Christian Fischer, Dozent an der Hochschule, moderiert), und man darf auf die weitere Entwicklung der Truppe gespannt sein.
Nach einer kurzen Pause traten dann die "Lehrmeister" Klangbezirk ins Rampenlicht und zeigten, wohin die Vokalfabrik nach noch viel Aufbauarbeit auch mal gelangen kann. Das Quartett demonstrierte die hohe Schule dessen, was man mit nur vier Stimmen und einem kleinen technischen Hilfsmittel alles anstellen und wie "dicht" man damit musizieren kann. Dabei überzeugte "Nothing Compares 2 U", das den Opener bildete, noch nicht mal richtig, sträubte sich der männlich bestrittene Refrain doch partout, irgendwie ins Ohr gehen zu wollen (der weibliche dagegen saß wie eine Eins - rationale Gründe oder irrationale Gewöhnung, weil man's halt von einer Frau kennt?). Aber das sollte der einzige kleine Problemfall des Klangbezirk-Sets bleiben. Das kleine technische Hilfsmittel hörte übrigens auf den Namen Loopstation und funktionierte so, daß über ein fünftes Mikrofon einer der Sänger eine meist lautmalerische Passage sang und diese dann als Loop weiter erklang und wahlweise zu- oder abgeschaltet werden konnte; auch die Überlagerung mehrerer Loops erwies sich als möglich. Daraus konnte man ganz entzückende Effekte basteln (etwa indem man den Applaus des Publikums gleich mit einloopte) und die Klangvielfalt natürlich enorm erhöhen, wobei andererseits aber auch die reinen vierstimmigen Sätze ohne Technik überzeugten. "Take 5" bestach vor allem durch ein klasse Vokalisensolo von Tanja, während Barbara Bürkle ihren großen Auftritt im Intro von "Quiet Place" hatte, wobei der ganze Song generell als Lehrstück dienen konnte, wie weit man mit "weißen" Stimmen in den Black Gospel vordringen kann. Auch eine Eigenkomposition hatte sich in die Setlist gemischt und fiel dort im positiven Sinne nicht aus dem Rahmen, während "Ain't No Sunshine When She's Gone" wegen besetzungstechnischer Geschlechtsumwandlung kurzerhand zu "Ain't No Sunshine When He's Gone" umgedichtet wurde. Den Closer des Sets bildete "I Want You Back", ein E-Dur-Stück des zwölfjährigen Michael Jackson, "eingetanzt" von Juan Garcia, der mit fast heliumverdächtigen Passagen auch stimmlich einen hervorragenden Jacko abgab und nebenher noch mit trockenem Humor durchs Programm führte (wenngleich dieser und die äußerst legere Art des Quartetts nur bei ca. 98% des Publikums auf Gegenliebe stießen, wie man nach dem Konzert einem Gespräch an der Ampel vor der Hochschule entnehmen konnte). Die Zugabe bestritten Klangbezirk auf Zuruf, lehnten allerdings Vorschläge wie "Highway To Hell", "Girl From Ipanema", "The Final Countdown" oder "Der Mond ist aufgegangen" ab und widmeten sich schließlich einer Improvisation auf Basis von Alanis Morissette. "Shower The People" von James Taylor sowie "Good Night" der Beatles als rein klassisch gehaltenes Abendlied, die letzten beiden Zugaben, bestritten Klangbezirk und die Vokalfabrik schließlich gemeinsam, das Publikum nach zwei Stunden über weite Strecken gut- bis hochklassigen Konzerts hochzufrieden in den regnerischen Abend entlassend.

Setlist:
Vokalfabrik L.E.:
Papa loko/Rara papiyon (aus Haiti/Arr. Sten Källman)
Easy (Lionel Richie/Arr. Juan Garcia)
Vaggviselåt/Wiegenlied (A.H.Grøv/Arr. Håvard Gravdal)
Love's In Need Of Love Today (Stevie Wonder/Arr. Jens Johansen)
Fine (Rhiannon)
Say (SOVOSO/Arr. Jens Johansen)

Klangbezirk:
Nothing Compares 2 U
What Can I Do
Take 5
Quiet Place
You Gotta Be
I Deserve
Ain't No Sunshine
You've Got A Friend
I Want You Back
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Improvisation
Shower The People (James Taylor/Arr. Juan Garcia)
Good Night (Lennon/McCartney/Arr. Juan Garcia)



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