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Disturbed, Shinedown   26.10.2008   Karlsruhe, Europahalle
von gl

Mehr als baff war ich, diese große Halle als Auftrittsort der Tour von DISTURBED in der Vorankündigung zu sehen, spielte die Band doch andernorts ein paar Tage zuvor in wesentlich kleineren Spielstätten (Hamburg: Docks, dort allerdings 2x hintereinander). Doch die Wahl war in Ordnung, ca. 4500 Menschen wollten sich bei stolzem Preis dieses Package nicht entgehen lassen, wenn auch das hintere Drittel einmal mehr abgetrennt war.

Heute auf dem Programm
Grund meiner Anwesenheit war die Vorgruppe SHINEDOWN, die mit "The Sound Of Madness" wenige Tage zuvor ihr 3. Album mit Verspätung in die deutschen Läden hievten, übrigens ihr 1., das bei uns regulär erscheint, obwohl sie von den beiden Vorgängern in Nordamerika 7-stellig verkauften. (Diese Veröffentlichungspolitik soll man einer verstehen.) Und die große Frage war, ob sie diese grandiose Produktion auch auf die Bühne bringen konnten. Um es vorweg zu nehmen, das gelang nicht.

SHINEDOWN-Bandkopf Brent Smith  Moderne Rock'nRoll Animals: SHINEDOWN

Guter Einsatz trotz schlechtem Sound: Shinedown  Jede Faser angespannt: Brent Smith / Shinedown
Das Quintett aus Florida um die beiden Gründungsmitglieder Brent Smith (Gesang) und Barry Kerch (Schlagzeug) steigt hochmotiviert mit ihrer neuen Single "Devour", dem wütenden Opener des Albums ein. Man sieht Bandkopf Brent Smith geradezu den eisernen Willen an, seine Band auch in Europa zu etablieren, denn mit seinen zurückgegelten Haaren und seinem entschlossenen Agieren lässt er gar nichts anderes zu als Begeisterung und peitscht das Publikum auch ständig auf in der kurzen Zeit, die seiner Band zur Verfügung steht. Hätte nicht drei Stunden zuvor ein überaus herzlicher und angenehmer Zeitgenosse beim Interview Mineralwasser getrunken und mir auch eines serviert (soviel zum Klischee ...), hätte man auch vermuten können, der Mann sei besessen. Leider haben seine Nebenleute, die Gitarristen Nick Perri und Zack Myers sowie der Bassist (war klar, oder) Eric Bass nicht das Charisma ihres Frontmannes und der Sound stimmt auch gar nicht. Viel zu laut und indifferent tönt da ein Soundmatsch aus den Boxen, in dem die filigranen Feinheiten der exzellenten Kompositionen der Band gar nicht zum Tragen kommen können. Brent fordert zum Mitsingen und auch zum Springen auf und zählt ein, als seien SHINEDOWN heute die Hauptband und die Menge macht bereitwillig mit - und habe ich da nicht etliche Fans mitsingen hören bei der Ballade "45" vom "Leave A Whisper"-Album aus dem Jahre 2004?!?
Leider geht das Gänsehautstück "Second Chance" auch fast in dem Mist-Sound unter, was wirklich extrem schade ist. Dabei hatten SHINEDOWN ihren eigenen Soundmenschen dabei, wenn man bedenkt, dass dies FOH-Profis sind ...

Hannibal Lecter (=David Draiman) ist zurück!  Und das Band-Maskottchen gleich auf die Schulter tätowiert

DISTURBED-Sänger David Draiman  DISTURBED-Drums
Denn bei DISTURBED war der Klang in der Halle dann interessanterweise etwas leiser und wesentlich besser. Die Band darf getrost als Phänomen bezeichnet werden, gingen ihre letzten drei Alben doch allesamt auf Platz 1 - nicht in Metal- oder Rock-Charts sondern in den offiziellen Billboard Hot 100. Sänger David Draiman wird wie Hannibal Lecter mit Maske und auf eine Bahre geschnallt hereingefahren, was sicherlich ein fototrächtiger Anfang ist. Über das gesamte Konzert hinweg hat er jedoch das Esprit eines Kartoffelsackes, in dem er auch gewandet scheint und langsam behäbigen Schrittes auf der Bühne hin- und herläuft. Sicherlich hat seine einzigartige Gesangsweise, ein eigenwilliger fast schon rapartiger Mischmasch zwischen Sprechen und Gesang seine Momente, wenn er mit tiefer Stimme "Are you with me?" ruft und die fäusteschwingende Meute weiter antreibt. Überhaupt ist dies das einzige, was die ca. 3000 Leute im Innenraum - der Rest sitzt auf der Empore, dazu später mehr - an Reaktionen zeigen, ein Fäuste-in-die-Luft-Schwingen, was zugegebenermaßen klasse aussieht. (In einem kurzen Moment kam mir in den Sinn, dass eine in gleicher Stärke angetretene Fanhorde von z.B. DEATH ANGEL, SABATON oder den wieder erstarkten MORTAL SIN wohl im übertragenen Sinne alles kaputt gemacht hätte heute abend.) Als Rezensent muss auch erwähnt werden, dass der Song "Land Of Confusion" (Coverversion von GENESIS) komplett neben der Spur gesungen wurde und wirklich schief klang. Die restlichen Musiker können auch nicht gerade als Blickfänger bezeichnet werden, machen aber solide ihren Job in den ähnlich klingenden Songs, die oft mit einem mechanisch klingenden Intro eingeleitet werden. Gegen Ende richtet dann David, dem die Reaktionen auch zu lahm waren und die Sitzplätze wohl ein Dorn im Auge sind, ein paar Takte an die "Sesselpupser" auf der Empore, sie mögen ihren Arsch bewegen, "Heavy Metal ist kein Fernsehgucken daheim, sondern ein Vollkontakt-Sport!!" Wo er Recht hat ...
Als dann aber nach 65 Minuten "Thank You - Good Night!" verkündet wird, um nach einigen Minuten Wartezeit noch Zugaben dranzuhängen, begibt sich der aus der Zielgruppe rausfallende Unterzeichner einmal mehr genervt von dem Dauer-Stroboskop auf den Weg nach Hause.

Fotos: Georg Loegler






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