www.Crossover-agm.de Helen Schneider, Etta Scollo   08.05.2008   Hamburg, Kultursalon
von lene

Sizilianischer Folk trifft auf Helen Schneider

Ein Teil der Hamburger Mittel-High-Society hat sich in Schlips und Kragen (oder eher langen weißen Seidenschals) im Kultursalon am Hamburger Hafen eingefunden. Anlass: je eine Stunde Konzert von der sizilianischen Sängerin Etta Scollo und der amerikanischen Jazz-Legende Helen Schneider. Ort: Die edle Lounge des Plattenlabels Edel. Nachdem sich draußen beim ersten Weißweingläschen noch das AIDA-Kreuzschiff mit winkenden Rentnern an Bord vorbeigeschoben hat, startet Kultursalon-Moderator Dénes Törzs, indem er dem Hamburger Hafen zum 819. Geburtstag gratuliert und darauf hinweist, dass der Geburtstag eines anderen Hamburgers - Johannes Brahms - dadurch im Hafentrubel immer untergeht.

Etta Scollo  Etta Scollo
Weder Etta Scollo noch Helen Schneider haben aber wirklich viel mit Brahms und dem Hafen zu tun. Nichtsdestotrotz boten sie ein paar feine Musikstunden. Die Sizilianerin Etta Scollo entpuppte sich dabei als wahres Unterhaltungstalent. Auf sehr gutem Deutsch fasste sie die Inhalte ihrer Lieder als lustige Märchengeschichten für das Publikum zusammen, bevor sie dann auf Italienisch sang. Auf diese Art bekam das Publikum eine Art ersten Einstieg in sizilianische Geschichte, Mythen und kulturelle Bräuche. Da ist beispielsweise von dem sizilianischen Nationalhelden Nicola - halb Mensch, halb Fisch - die Rede, der bis heute eine der drei Säulen, auf denen die Insel laut Sage steht, festhalten muss, damit Sizilien nicht im Meer versinkt. Untermalt mit bizarren Lauten aus einer Muschel, spielten Frau Scollos beiden Begleitmusiker auch auf der Säge und allen möglichen altertümlichen traditionellen Instrumenten. Etta Scollo selbst verkörpert genau das, was man sich unter einer Sizilianerin vorstellt: Sie ist zierlich und dunkelhaarig, sehr schwungvoll und singt mit lauter Stimme auch mal feurige Tanzlieder. Mit ihrer Stimme meistert sie unglaubliche Tonhöhenunterschiede. Ihre Tarantella-Musik brachte dann sogar die eigentlich etwas steifer anmutende Gesellschaft in der Edel-Lounge zum begeisterten Mitklatschen. Und warum Tarantella? - Na klar, weil die Tarantel-Spinne bevorzugt Frauen beißt, die dann "spinnen" und so lange zur Tarantella-Musik tanzen müssen, bis sie das Spinnengift ausgeschwitzt haben. Diesmal mit Akkordeonbegleitung und Schellenkranz machte Etta Scollo den Tanz vor. Sie und ihre beiden Musikerkollegen entwickelten eine Dynamik, die in eigentümlichem Kontrast zum norddeutsch-zurückhaltenden Publikum stand.

Helen Schneider  Helen Schneider
Nach kurzer Pause kam dann Helen Schneider als Hauptakt des Abends in schwarzer Robe vermutlich direkt von ihrem Auftritt in der RTL-Chartshow auf die Bühne. Sie nutzte die Chance, in vertrauter Hamburger Runde ihr neues Album anzukündigen. Mit drei Musikern - Schlagzeug, Bass, Gitarre - bot sie Blues, Jazz, sogar eine Cover-Version von Stings "Mad About You". Immer wieder fing sie an, auf Deutsch private kleine Geschichtchen zu erzählen, die sie dann doch nicht zu Ende erzählte ("Anyway, forget it, ich erzähl das nächstes Jahr") und sang "Only You", gewidmet ihrer Mutti. "Anyway", sagte sie häufig, wenn sie deutsch sprach. Das Programm war variantenreich. Besonders im Anti-Kriegs-Lied "Band The Drums" kamen Kontrabass und Schlagzeug gut zum Tragen. Bob Dylans "Just Like A Woman" interpretierte die New Yorkerin zum Ende hin so eigenwillig, dass man es beinahe erst beim Refrain erkannte - vorher ähnelte es eher einem Song von Sinéad O'Connor. "Dieses Lied singe ich, seit ich 20 bin", sagte sie. Dann schaute sie den Schlagzeuger an: "Das letzte Mal habe ich gesagt, seit ich 22 bin. Oder 24?" Helen Schneiders Auftritt an diesem Abend war gewürzt mit liebenswürdigem Chaos. Ganz diesem Prinzip folgend sagte sie nach dem tosenden Applaus, dass das übliche Die-Bühne-Verlassen-und-das-Publikum-warten-Lassen alles nur Quatsch ist. Sie hat noch eine Zugabe und spielt sie lieber gleich.
Helen Schneider und ihr Trio



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