www.Crossover-agm.de
Jekyll & Hyde   26.01.2008   Dresden, Staatsoperette
von ks

Sollte man als Zuschauer misstrauisch werden, wenn bei einer Premierenfeier in so einem kleinen Saal, wie dem der Staatsoperette, nicht alle Plätze besetzt sind? Sicherlich nicht, denn mit dem neuen Stück "Jekyll & Hyde" (nach der Geschichte "Dr. Jekyll und Mr. Edward" von Robert Louis Stevenson) unter der Leitung von Winfried Schneider ist dem Haus ein Wurf gelungen, der vor allem Musicalliebhaber anlocken wird.
Die Geschichte ist allgemein bekannt, wenn auch nicht im Detail: Dr. Henry Jekyll forscht an einem Mittel, das Gute und Böse im Menschen zu trennen. Dies gelingt ihm auch, doch fehlt ihm das menschliche "Versuchskaninchen". Deshalb nimmt er die Tinktur selbst ein und verwandelt sich zum bösen Mister Hyde. Jener rechnet bei jeder neuen Injektion des Mittels mit den Heuchlern der Stadt ab: Bischöfe, die kleine Jungs kaufen, bekommen ebenso ein Messer in den Leib gerammt wie Damen, die Wohltätigkeitsbälle nur des Essens wegen geben ... Dass der (Anti-)Held diesen ewigen Wandel zwischen Gut und Böse nicht übersteht, ist von Anfang an zu erwarten.
Nicht zu erwarten war die gelungene Umsetzung. Besonders in der Besetzung zeigte Schneider ein gutes Gespür: Marcus Günzel überzeugte als Jekyll/Hyde, ständig im Kampf mit sich selbst. Ein Höhepunkt des Stückes war dabei sein letztes Lied: ein Wechselgesang zwischen Jekyll und Hyde. Auch Femke Soetenga als Prostituierte Lucy - der zweite Star des Abends - kam durch ihre stimmliche und tänzerische Darbietung beim Publikum gut an. Dem Stück entsprechend erinnerten ihre Stimmen eher an Musical als Operette - besonders deutlich wurde der Kontraste bei den Figuren, die - passend zur Rolle - operngleiche Töne von sich gaben. Die musikalische Umsetzung in ihrer jugendlich-frischen Art und Weise gelang - wenngleich einige Töne etwas zu laut dargeboten wurden.
Nur der Mittelteil, das ewige Hadern und die Zwiegespräche der drei Hauptfiguren Jekyll, seiner Verlobten Emma (etwas steif verkörpert von Ilonka Vöckel) und Lucy, waren zum Ende des ersten Teils hin etwas ermüdend. Dies führt dazu, dass man erst nach einer Stunde Zeuge wurde, wie Jekyll sich die Mischung injizierte - die Morde Hydes hingegen werden in flotter Manier im zweiten Teil abgehandelt.
Lobend hervorzuheben ist auch der Chor, der sowohl durch Solo-Sequenzen als auch durch schauspielerische Umsetzung überzeugte. Mit Grauen sei dabei an Musicals a la "Starlight Express" erinnert, bei denen das amerikanische Ensemble versucht deutsch zu singen und eine Botschaft zu übermitteln - es aber bei einem Versuch bleibt.
Und auch das Bühnenbild und die Kostüme versetzten das Publikum in die Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts und gaben dem Stück die passende, historische Note.
Ob die Standing Ovations zum Schluss gerechtfertigt waren - nun ja, es war eine Premiere, und Musicals in Dresden sind nicht zu häufig anzutreffen.

Weitere Termine anno 2008: 29. bis 31. Januar, 16., 17., 19., 20. Februar, 26. bis 28. März, 16. Mai



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver