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Dream Theater, Symphony X   23.10.2007   Stuttgart, Kongreßzentrum B
von CSB

Was für ein fantastisches Package! Die beiden besten Progmetalbands der Szene zusammen auf einer Bühne. Keine Frage, das durfte sich keiner entgehen lassen. Entsprechend gut gefüllt war dann auch das Kongresszentrum B auf dem Stuttgarter Killesberg. Im direkten Vergleich zur letzten Tour, als das Traumtheater in der Liederhalle im Stadtzentrum aufschlug, vielleicht ein etwas weniger ehrwürdiges Anwesen, doch womöglich geräumiger und mit besserer Akustik gesegnet. Negativ fiel allerdings gleich zu Beginn die verhältnismäßig niedrige Bühne auf, die es Menschen unter 1,90 m leider nicht ermöglichte, wesentlich mehr als Schlagzeug und Haaransatz der Protagonisten des Abends zu erahnen. Zweites großes Ärgernis war das bei größeren Konzerten immer gravierender um sich greifende Fotoverbot, das von ziemlich konsequenten Ordnern auch rigoros durchgesetzt wurde. Sobald in der Menge eine Digicam auftauchte, schon hatte die arme Person alle Aufmerksamkeit auf sich, da sie sich mit einem Mal im Lichtkegel einer Taschenlampe befand ... Was bitte soll das denn? Sollen ein paar verwackelte Erinnerungsshots und eine Handvoll potentielle Youtubefilmchen den professionellen Fotografen etwa den Arbeitsplatz streitig machen? Aber, um es gleich vorweg zu nehmen, dies waren die einzigen, wenngleich gewichtigen Wermutstropfen eines sonst überwältigenden Konzertabends.
Symphony X legten überpünktlich los und hatten mit dem brachialen Opener "Set The World On Fire" zumindest die Metalfraktion des wie immer äußerst durchmischten Publikums sofort geschlossen hinter sich. Die amerikanischen Ausnahmekönner um Gitarrengott Michael Romeo und den immer muskulöser werdenden Hammerfronter Russell Allen legten den Schwerpunkt verständlicherweise auf ihr Neues, meines Erachtens etwas einseitig hart daherkommendes Machwerk "Paradise Lost". Metalkracher wie "Domination", "Serpents Kiss" oder "The Walls Of Babylon" haben ganz sicher ihren Reiz, doch leider geht bei aller Power auch ein bisschen unter, wie virtuos und vielschichtig diese Truppe eigentlich sein kann. Der fantastische Titelsong "Paradise Lost" und natürlich das zu Recht unverzichtbare "Of Sins And Shadows" holten dann aber die Kohlen aus dem Feuer und offenbarten die ganze breitgefächerte Extraklasse dieses Fünfers. Es gibt wahrlich wenig Headliner, die es sich leisten können, Supports von diesem Kaliber mit auf Tour zu nehmen.
Für Dream Theater natürlich kaum ein Problem, gehören sie doch zu der Handvoll Bands, die sogar technisch noch spielend einen draufsetzen können. Auch in Sachen Show hatten sich die New Yorker was einfallen lassen. Wie auf dem Cover des aktuellen Rundlings "Systematic Chaos" bevölkerten jede Menge überdimensionale Ameisen die Bühne, an der Seite stand eine altmodische Straßenlaterne und an der vorderen Lichttraverse prangte eine riesige Ampel, die nach langer Umbaupause endlich grünes Licht für eine Show der Extraklasse gab. Die Setlist war mal wieder komplett umgekrempelt worden - nicht einen einzigen Song (nimmt man ein paar Schnipsel vom Abschlussmedley mal aus ...) vom letzten Besuch in Stuttgart hatte das Traumtheater im Angebot. Und auch im Vergleich zu anderen Dates der Welttournee hatte man ordentlich umgestellt, um den mitreisenden Fans auch was bieten zu können. Und dennoch bestand auch dieser Abend beinahe nur aus Highlights. Beim beeindruckenden, mittlerweile immerhin aus neun durchweg gefeierten Studioalben bestehenden Backkatalog dieser Formation eigentlich auch kein Wunder. Was nun besonders herausstach, wird wohl jeder anders beantworten. Den Opener "Constant Motion" hatte ich im Vorfeld sicher nicht auf der Rechnung. Aber wie sehr diese auf Platte etwas vorhersehbar daherkommende Metallicahommage mitriss, war schon überraschend. Gleiches gilt für das unglaublich druckvolle und brettharte "The Dark Eternal Night" mit seinem abgedrehten Instrumentalpart, welcher von einem wunderbaren, selbstironischen Cartoon (inkl. einem Mike Portnoy als Schlagzeug-Springkasper und einem im Spinnennetz zappelnden John Myung ...) untermalt war. Auch packten Dream Theater endlich mal wieder den wunderschönen "Images & Words"-Klassiker "Surrounded" aus, der in den letzten Jahren wegen James LaBries Stimmbandproblemen selten auf der Setlist stand. Diesmal überzeugte der Kanadier uneingeschränkt und meisterte selbst die schier unmenschlichen Passagen gegen Ende ohne mit der Wimper zu zucken. Die nächste kollektive Dauergänsehaut ergriff die ansonsten unverständlicherweise etwas müde wirkende Menge, als der einmal mehr göttliche John Petrucci "The Spirit Carries On" eröffnete. Insbesondere den Schlussteil mit einem sensationellen Solo von Jordan Rudess kann man einfach nicht besser und emotionaler hinkriegen. Danach wurde es finster und nach ein paar Sekunden stiller Ergriffenheit folgte das Mammutwerk "In The Presence Of Enemies" in voller Länge, das wirklich restlos beeindruckte und einmal mehr offenbarte, warum diese Band seit Jahren einsam auf dem Prog-Olymp thront. Und wem das immer noch nicht klar war, dem wurden spätestens beim großen Finale die Augen geöffnet. Ein gigantisches Medley, aus einigen der größten Momenten der Band bestehend ("Trial Of Tears", "Learning To Live", "Finally Free", "In The Name Of God" und "Octavarium"), ließ nur noch feuchte Augen zurück.
Kann man diesen Göttern überhaupt etwas ankreiden? Vielleicht, dass der Kontakt mit dem Publikum manchmal etwas spärlich war? Dass alles fast schon zu professionell und abgeklärt wirkte? Dass man sich bei dieser instrumentalen Extraklasse vielleicht die eine oder andere Improvisation gewünscht hätte? Peanuts im Vergleich zu dem, was man an diesem Abend alles geboten bekam. In dieser Form sind Dream Theater im Rockzirkus derzeit das Maß der Dinge!

Setlist:
Intro
Constant Motion
Strange Deja Vu
Blind Faith
Surrounded
The Dark Eternal Night
Lines In The Sand
The Spirit Carries On
In The Presence Of Enemies I+II
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Medley: Trial Of Tears/Finally Free/Learning To Live/In The Name Of God/Octavarium-Razors Edge



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