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Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 8 c-Moll   20.06.2007   Chemnitz, Stadthalle
von rls

Als Herbert Blomstedt anno 2005 aus dem Amt des Gewandhauskapellmeisters in Leipzig schied, dirigierte er in seinem letzten Konzert Anton Bruckners 8. Sinfonie. Zwei Jahre später nun bestreitet Niksa Bareza seine letzten Konzerte als Generalmusikdirektor der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz mit dem gleichen Werk. Immerhin gibt es einen markanten Unterschied: Von dieser Sinfonie existieren drei Fassungen, zwei von Bruckner selbst und eine von Robert Haas, die quasi Elemente beider Bruckner-Fassungen vereinigt. Hatte Herbert Blomstedt die Haas-Fassung gewählt, stellt Niksa Bareza die zweite Fassung (1890) von Bruckner zur Debatte, und seine Interpretation - das sei vorweggenommen - überzeugt voll und ganz, obwohl oder gerade weil sich Bareza aus den bisweilen zu hörenden Materialschlachten vollkommen heraushält und einen äußerst schlanken Bruckner hervorzaubert, dem durch die gute Akustik der Halle aber nichtsdestotrotz keinesfalls die nötige Power fehlt, obwohl gerade mal ein einziger Pauker besetzt ist. Der Ärmste hat auch noch das Problem, daß es in der Halle recht warm ist, und muß quasi permanent seine Felle nachstimmen. Auch das Holz klappert im eröffnenden Allegro moderato bisweilen etwas zu heftig, die Flöte hätte "schneidender" kommen dürfen, und auch das zweite Tutti hinterläßt einen eher ungeordneten Eindruck. Wenigstens gelingt das anstehende Schwelgen auf durchaus gutklassigem Niveau, auch die Dialogpassagen zwischen Horn und Kontrabaß machen durchaus Hörspaß. So richtig in Form kommt das Orchester aber trotzdem erst im zweiten Satz, dem Scherzo (richtig: Bruckner hat die Mittelsätze gegenüber der klassischen Sinfonieform vertauscht): Wie hier Kontrastpunkte zwischen unbändiger Power und den flirrenden Streicherpassagen, bei denen man die in der Halle herrschende Temperatur (man klebt an den kunststoffbezogenen Stuhlreihen) förmlich mit Händen greifen kann, wie das an einem heißen Sommertag auf der Wiese der Fall ist, gesetzt werden, das überzeugt auch das verwöhnte Ohr, das sich zugleich über die gute Herausmodellierung des leicht orientalischen Charakters des Hauptthemas freuen darf und da auch gewillt ist, den Fakt zu verzeihen, daß das Solohorn in der letzten Steigerung akustisch völlig untergeht. Noch besser wird's allerdings im gewaltigen Adagio: Dessen Einleitung gelingt dem Orchester richtig schön trostlos, man hat das Gefühl, daß der Dirigent das Orchester erst wieder aus der schleppenden Lethargie reißen muß, weil es sonst in diesem Gestus weitergespielt hätte. Im Schlußteil dieses Satzes darf es dieses Feeling noch einmal reproduzieren, geprägt nicht zuletzt durch das Horn, und auch das gelingt perfekt, wenngleich der Höhepunkt dieses Satzes zweifellos in dem zentralen Choral zu suchen ist, den die Blechbläser in wirklich erstklassiger Manier hinbekommen. Wer übrigens in den drei bisherigen Sätzen noch nicht gemerkt haben sollte, warum man Bruckner zu Lebzeiten als "Wagner-Jünger" apostrophierte, der wird in der Einleitung des Finales förmlich mit der Nase darauf gestoßen, denn hier grüßt Richard W. an allen Ecken und Enden. Die Dynamik stimmt auch hier, die Streicherfuge gelingt recht gut, und nur die Trompeten haben in der hohen Temperatur stimmungsseitig offenbar noch etwas gelitten. Nach dem doch etwas überraschend komponierten Schluß sind Standing Ovations der nahezu vollbesetzten Halle für den scheidenden Dirigenten jedenfalls nicht nur Form- bzw. Ehrensache, sondern durchaus auch durch große Teile der musikalischen Leistung dieses Abends gerechtfertigt. Und so bleibt zum Abschluß nur noch eine weitere Parallele zu ziehen: Herbert Blomstedt kehrt seit seinem Abschied als Gewandhauskapellmeister immer mal wieder zum Gewandhausorchester zurück, und auch Niksa Bareza wird man schon in der Saison 2007/2008 wieder als Gastdirigent am Chemnitzer Pult erleben können.



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