www.Crossover-agm.de Blackfield, Pure Reason Revolution   20.02.2007   Hamburg, Knust
von lene

Obwohl ich extra eine S-Bahn später genommen habe, bin ich schon wieder zu früh dran. Im Knust, einem relativ kleinen Club in Hamburg-St. Pauli, sind schon einige Leute versammelt. Alle trinken etwas, haben jemanden zum erzählen dabei - nur ein einsamer CrossOver-Schreiberling, dessen Freunde dienstags abends nicht weggehen mögen, steht alleine da. Es gibt eine Art Seitenempore, von wo aus ich einen ganz guten Überblick habe. Die Bühne ist so vollgestellt mit Instrumenten, dass Musiker hier eigentlich gar keinen Platz haben dürften (und wenn doch, dann wäre ihre Bewegungsfreiheit ungemein eingeschränkt!). Zwei Schlagzeuge, ungefähr acht Gitarren und Bässe, ein großes Keyboard und ein Minikeyboard stehen da.

Die britische Vorband Pure Reason Revolution beginnt Punkt Neun inmitten dem Instrumentenwirrwarr auf der Bühne mit einem Instrumental-Intro, das entfernt an Placebo erinnert. Die Band ist zu viert - Drummer, Bassist, Gitarrist und eine Gitarristin, die Frontfrau, die auch für das Gerät für die durchgängig unterlegten Mike Oldfield-artigen Melodien zuständig ist. Alle außer dem Drummer singen und erzeugen dabei eine Art musikalischen Klangteppich - der Zuhörer versteht nur selten mal den Text, es lässt sich nur erahnen, dass auf Englisch gesungen wird, aber es entsteht eine interessante Grundmelodie. Mal klingt die Musik von Pure Reason Revolution verträumt, mal nach Regenwaldgeplätscher oder Weltraumrundflug - schön, aber für meinen Geschmack manchmal mit zuviel Bass und die einzelnen Stücke wenig abwechslungsreich. Nach 35 Minuten habe ich die erste zusammenhängende Zeile Text verstanden. Die Stimmen bilden einen wellenförmig steigenden und fallenden Rhythmus, Sologesang gibt es nicht. Manchmal kommt es mir dann doch vor wie ewiges Geplätscher von Wasser. Es irritiert mich zuweilen, dass immer auch Geräusche zu hören sind, die eindeutig nicht von den Instrumenten der Bandmitglieder live erzeugt werden. Beim Gitarrentausch zwischen den Liedern läuft die elektronische Hintergrundmusik einfach weiter. Pure Reason Revolution spielen mal schnell, mal langsam, mal dröhnend. Wie auf ihrer Website richtig festgestellt wurde, lässt sich der Sound dieser Band nur schwer in ein gängiges Schema pressen.

Nachdem Pure Reason Revolution nach einer Dreiviertelstunde den Platz für Blackfield frei gemacht haben, folgt allgemeines Rumgewusel auf der Bühne, in dessen Folge auch etwas Platz dort oben wird. Das Knust ist übrigens für einen Dienstagabend meiner Meinung nach ganz gut besucht, auch wenn es in der Halle nicht brechend voll ist.
Das Publikum wurde bisher nur zu leichtem Fuß- und Kopfnicken verleitet. In den nächsten Minuten werden Songlisten auf den Bühnenboden geklebt, grüne Scheinwerfer aufgestellt, ein Teppich ausgerollt, Wasserflaschen und Handtücher bereitgestellt und die Instrumente gestimmt - alles, was eben so gemacht werden muss, bevor die Hauptgruppe antritt.

Blackfield beginnen mit einem Schlagzeugsolo und kommen dann alle nacheinander auf die Bühne. Als der Brite Steven Wilson, mit langen, blonden Haaren, Brille und barfuß, zu singen beginnt, wird das Publikum schon lebhafter. Das zweite Lied ("Miss U") singt Wilsons israelischer Musikerkollege Aviv Geffen, der im schwarzen Anzug angetreten ist.
Blackfield sind ein multikulturelles, musikalisches Projekt von Wilson, Sänger der britischen Band Porcupine Tree, und dem israelischen Musiker und Friedensaktivisten Geffen, der in seiner Heimat auch solo auf Tour geht. Nachdem Geffen Porcupine Tree im Jahr 2000 erstmals zu einigen Auftritten nach Israel eingeladen hatte, war schnell auch ein gemeinsames Musizieren geplant, woraus inzwischen eine Art eigenständige Band - Blackfield - geworden ist, die soeben ihr zweites Album "Blackfield II" (nach "Blackfield") fertig gestellt hat. Im Moment befinden sich Blackfield auf Tour durch Europa und Amerika - und statten an diesem Abend eben auch Hamburg einen Besuch ab.
Blackfield können sehr langsam und melodisch daherkommen, mit Akustikgitarre und Klavier, aber auch mit voll aufgedrehter E-Gitarre und schneller Schlagzeugbegleitung. Steven Wilson und Aviv Geffen wechseln sich meist mit Singen ab, begleiten den Refrain des anderen. Zeitweise plätschern die Lieder nur so dahin, ohne dass man sich nach einigen Minuten noch an das eben Gehörte erinnert, aber einem Teil der Songs gelingt es, sich mit etwas Individualismus gegen den Rest abzusetzen und womöglich auch für einen gewissen Widererkennungseffekt zu sorgen. Charakteristisch für Blackfield sind melancholische, oft pessimistische Texte und melodische Klänge, langsame und ausgedehnte Gitarrensoli und manchmal düstere, dissonante Keyboardbegleitungen. Manche Stücke sind psychedelisch-rockig und mitreißend, andere irritierend anders - beispielsweise, als einmal alle außer dem Keyboarder von der Bühne gehen und der Gesang praktisch nur aus dem "Off" zu hören ist. Blackfield spielen das volle Programm ihrer Songs, beispielsweise "Open Mind", "Cloudy Now" und "Pain" vom ersten Album und "Where Is My Love?" von "Blackfield II". Passend zum Abschluss begeistern Geffen und Aviv mit dem Song "End Of The World", der bedrohlich, majestätisch und beinahe apokalyptisch daherkommt. "End Of The World" ist gleichzeitig auch das Ende der Vorstellung. Zur Freude des Publikums und des Fans, der in der ersten Reihe vor Begeisterung ständig eine rosa Plüschkatze schüttelt, kommen Blackfield aber noch für drei Zugaben zurück.

Blackfield sind:
Steven Wilson - Gesang, Gitarre und zusätzliches Keyboard
Aviv Geffen - Gesang, Keyboard und ergänzend auch Gitarre
Daniel Salomon - Klavier
Seffy Efrati - Bass, Gitarre
Tomer Z - Schlagzeug, Percussion

www.blackfield.org
www.purereasonrevolution.com



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