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Porcupine Tree, Paatos   21.09.2006   Pratteln (CH), Z7
von CSB

Bereits zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres beehrten Steven Wilson und Co. das Z7 im schweizerischen Pratteln vor den Toren Basels. Und man hätte ja eigentlich erwartet, dass Porcupine Tree nach dem Wechsel zu Warner und dem letztjährigen Geniestreich "Deadwing" entgültig zu - entfernt - verwandten Megaacts wie Tool, Coldplay oder Radiohead würden aufschließen können, der Durchbruch auf ganz breiter Ebene blieb den Briten aber (noch) versagt, wohl auch, weil man sich jeglichem Anbiedern an den Mainstream bislang verweigerte. Porcupine Tree setzen sich konsequent zwischen alle Stühle und werden dafür vielleicht nicht von der breiten Masse, aber dafür von Fans aus den unterschiedlichsten Lagern innigst geliebt. Diese szeneverbindende Funktion war an diesem Abend im geräumigen und fast ausverkauften Z7 jedenfalls gut zu beobachten. Da standen Metaller, staunende Musiker, Hornbrillen-Progger, Althippies, Alternativrocker und jede Menge "normales" Volk in Eintracht beisammen, um dieser einzigartigen und gleichermaßen absolut vereinnahmenden Definition von zeitlosem Progrock andächtig zu lauschen.

Paatos
Vorher waren aber noch Paatos an der Reihe, welche zwar musikalisch in eine ganz andere Kerbe schlugen, aber insofern gut zum Hauptact passten, als daß die Schweden sich ähnlich konsequent jeglichen Schubladen verweigern. Der kunstvolle, melancholische und in sich gekehrte Artrock des Fünfers um die charismatische Sängerin Petronella Nettermalm zog einen jedenfalls sofort in seinen Bann, weil es Paatos spielend gelang, vom ersten Ton weg eine beeindruckende und dichte Atmosphäre zu erzeugen, die bis auf die stimmigen Lichteffekte einzig und allein aus der musikalischen Präsenz der Band resultierte, während sich die Schweden als Personen auf der Bühne vollkommen zurücknahmen und keinerlei Wert auf Posen oder technische Kabinettspielchen legten. Wer an diesem Abend also die Party seines Lebens feiern wollte, der war definitiv am falschen Ort, diejenigen aber, die bereit waren, sich auf intensive Musik einzulassen, wurden mit wunderschönen und facettenreichen Kleinoden wie der Ballade "Falling" belohnt.

Porcupine Tree  Porcupine Tree
Auch Porcupine Tree wurden nicht vom ersten Ton an abgefeiert wie die Superhelden, auch weil sie sich eben auch kein bisschen so verhielten. Ebenso wie bei Paatos stand einzig und allein die Musik im Vordergrund, die von einer fantastischen und auf jeden einzelnen Ton perfekt abgestimmten Lightshow illustriert wurde. Daß da auch noch fünf megatalentierte Typen auf der Bühne standen, war dabei eher eine Nebensache. Mächtige Sprech- und Mitsingchöre, Anfeuerungsrufe, wilder Pogo oder kollektives Headbangen, dafür bieten Steven Wilson und seine kongenialen Mitstreiter einfach nicht das geeignete Forum. Porcupine Tree erzeugten eine ganz andere intensivere und introvertierte Form der Euphorie, die sich aus dem perfekten Zusammenspiel der Töne, der erwähnten einmaligen Lichtshow und einem unglaublich transparenten, wenn an diesem Abend auch stellenweise etwas zu lauten Sound zusammensetzte und die natürliche Grenze zwischen Band und Zuschauer aufhob.
Es mag wie eine hohle Phrase klingen, aber man fühlte sich tatsächlich mittendrin, eingehüllt in diesen einmaligen Klangkosmos und da spielte es auch kaum eine Rolle, daß die Briten zunächst ausschließlich brandneue, unbekannte Songs spielten, von welchen eine wunderschöne Ballade und ein epischer 17-Minüter am eindringlichsten haften blieben - am beinahe entrückenden und betörenden Charakter dieser Show änderte das kaum etwas. Wohl auch, weil das neue Material eben nicht weniger faszinierte als die Highlights der letzten beiden Scheiben, die dann natürlich in Sethälfte zwei ihren gebührenden Raum einnahmen. Und auch, wenn man sich bei dieser tiefgründigen Band nicht auf den ersten Eindruck verlassen sollte, wage ich die Prognose, dass das im Frühjahr erscheinende, neue Album den genialen Vorgängern "In Absentia" und "Deadwing" das Wasser wird reichen können.

Porcupine Tree  Porcupine Tree
Doch genug der Spekulationen, nach einer kurzen Pause kamen nur noch altbekannte Hits zum Zuge, wovon vor allem Jahrhundertsongs wie das grandiose "Sound Of Muzak", das Gänsehautepos "Arriving Somewhere But Not Here", das satt rockende "Blackest Eyes" und das in weiten Teilen akustisch vorgetragene "Trains" absolut begeistern konnten. Schade nur, dass der von mir sehnlichst erwartete geniale Titelsong und das Riffmonster "Shallow" vom letzten Album nicht zum Zuge kamen und man stattdessen auf das verzichtbare "Start Of Something Beautiful" zurückgriff. Doch das waren letztlich die einzigen winzigen Schönheitsfehler einer der besten und emotionalsten Shows, welcher der Rezensent in den letzten Jahren beiwohnen durfte. Porcupine Tree sind in dieser Form ein absolut faszinierendes Erlebnis!



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