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Tobias Richter & Freunde beim christlichen Musikfestival "Padod Uguni"   01.-03.09.2006   Talsi (Lettland)
von Tobias Otto-Adamczak

Wellnesswochenende für gestresste Musikerseelen

Was tut man als sächsischer christlicher Liedermacher nebst Band, wenn man Mitte August von einem bis dato relativ fremden sächsischen christlichen Musikkulturfunktionär angerufen wird:
Ob man "mal eben" für eine andere sächsische Band einspringen könne? Warum nicht.
Bei einem Open-Air-Festival? Klingt interessant.
In 14 Tagen? Schon denkbar, mal die Jungs von der Band anrufen.
In Lettland?

...

(Pause)

...

WIE BITTE??!??

...

Die Überraschung war gelungen. Nachdem der Schreck verdaut war, wurde man sich schnell und kollektiv einig: Wir sind dabei.

Vorbereitung und Anreise
Also los: Flug raussuchen, Mietwagen buchen, Kontakt nach Lettland aufnehmen, Setlist erstellen, nochmal proben. Aus Aufwandsgründen konnten wir nur die Gitarren und ein paar Schlagzeugbecken mitnehmen, es würde also etwas Vor-Ort-Flexibilität notwendig sein. Nur Mut, Jungs, da finden wir uns schon durch.

In Berlin am Flughafen
Freitagnachmittag standen wir in Berlin am Flughafen. Lettland hat sogar eine eigene Airline: Air Baltic. Die Gitarren wurden etwas misstrauisch beäugt, es gab aber keine Schwierigkeiten.
Der Hinflug war schon das erste Highlight: Wir hatten den Flieger fast für uns alleine. Essen und Getränke waren preiswert und lecker und dann erlebten wir über den Wolken gleich noch einen unglaublich schönen Sonnenuntergang - Praise God!

Sonnenuntergang
Nach anderthalb Stunden Flug landeten wir wohlbehalten in Lettland. Lettland? Das war bisher ein ziemlich weißer Fleck auf meiner Landkarte. Über Riga hatte ich mal etwas gehört, das soll eine schöne Stadt sein ... aber zum Glück gibt es ja Wikipedia, wo man sich informieren kann.
Wir wurden am Flughafen in Riga mit dem Auto abgeholt und fuhren in die Nacht hinein nach Talsi, einer Kleinstadt im Nordwesten des Landes. Agris, unser Chauffeur, sprach sehr gut deutsch und wich das ganze Wochenende kaum von unserer Seite. Das war für uns sehr angenehm, da Lettisch für deutsche Ohren doch eine recht "fremde Fremdsprache" ist und wir auch zum Russischen keine merkliche Sprachverwandtschaft feststellen konnten.

Zu Gast bei Freunden
Quartier erhielten wir in zwei sehr schönen Gästezimmern im frisch renovierten lutherischen Gemeindehaus von Talsi, in dem außer uns noch zahlreiche Jugendliche übernachteten, die offenbar wegen des Festivals aus ganz Lettland hierher gekommen waren. Trotzdem fanden wir ausreichend Schlaf :-)

Quartier im ev.-luth. Gemeindehaus
Es stellte sich schnell heraus, daß Agris und seine Frau Inese maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung des Festivals beteiligt waren. Die Gastfreundschaft der beiden war - mit einem Wort - außergewöhnlich.

Gottesdienst in der freien Gemeinde
Am Samstagmorgen besuchten wir einen ökumenischen Gottesdienst in einer freien evangelischen Gemeinde in Talsi, der Teil des Festivalwochenendes war. Der Gottesdienstraum dieser Gemeinde hatte früher sicher als Kultursaal o.ä. gedient; Details wie die Holztäfelung an der Decke erinnerten uns an sowjetische Zeiten. Hier prallten nun Gegensätze fröhlich aufeinander, denn die Gottesdienstkultur, die wir erlebten, war stark westlich geprägt: eine Lobpreisband, Texte auf Overheadprojektor, ein geschäftsmännisch auftretender Pastor usw.
Da außer uns noch mehrere ausländische Gäste anwesend waren, wurden die Predigt und die Grußworte der Vertreter der anderen örtlichen Gemeinden ins Englische übersetzt, so dass wir gut folgen konnten; in einige der englischsprachigen Songs stimmten wir mit ein.

In Talsi
Danach schauten wir uns ein wenig in der Stadt um und erlebten u.a. eine Gruppe junger brasilianischer Missionare, die ebenfalls wegen des Festivals in der Stadt waren und auf der Straße sehr ausdrucksstarke Tänze und Performances zeigten.

"Padod Uguni" - das Festival
Am Sonnabendnachmittag fuhren wir dann auf das Festivalgelände, eine idyllisch gelegene Freilichtbühne am Stadtrand. "Padod Uguni" (etwa: "Gib das Feuer weiter" oder "Entzünde das Feuer") ist das größte christliche Musikfestival in Lettland und fand 2006 zum fünften (?) Mal statt (Homepage: http://www.padoduguni.lv). Organisiert wird es von einer Allianz christlicher Gemeinden und Werke aus Talsi: der freien evangelischen Gemeinde, der evangelisch-lutherischen Gemeinde, der Baptistengemeinde, der römisch-katholischen Gemeinde und Mitarbeitern eines JMEM-Zentrums ("Jugend mit einer Mission"). Finanziert wird es größtenteils durch lokale Sponsoren. Bei den Organisatoren war eine starke Hingabe zu spüren, was mich sehr beeindruckte.
Bald waren wir mit dem Soundcheck an der Reihe. Alles schien sehr gut organisiert. Die Bühne war für unsere Bedürfnisse riesig (bestimmt 60 Quadratmeter?), Sound- und Lichttechnik komfortabel. Allein die Kommunikation mit dem Tontechniker gestaltete sich schwierig, da er weder deutsch noch englisch verstand, was speziell unseren Frontmann doch ziemlich verunsicherte.

Padod Uguni
Gegen Abend füllte sich das weiträumige Gelände mit schätzungsweise knapp 1000 Besuchern. Auffällig war die große Altersspanne. Das Wetter war perfekt; es entstand eine unbefangene, lockere Atmosphäre. Es traten mehrere lettische christliche Bands auf, sowohl Newcomer als auch "alte Hasen", musikalisch alle mehr oder weniger im Mainstream Pop/Rock angesiedelt; außerdem: eine junge Rockband aus Litauen, die schon genannten brasilianischen Missionare, weiterhin noch einige Absolventen eines sechswöchigen Musik-Seminars, welches im JMEM-Zentrum Talsi stattfand - und wir: Tobias Richter, der Liedermacher aus Chemnitz samt seiner Beinahe-Rockband-Begleitung.

Tobias Richter & Freunde  Tobias Richter & Freunde
Wir spielten ca. 50 Minuten. Der ob der Verständigungsprobleme suboptimale Monitorsound trübte die Hörfreude auf der Bühne etwas; trotzdem war es ein klasse Konzert. Wir hatten ein dankbares und wohlwollendes Publikum. Obwohl die meisten vermutlich wenig von den deutschen und englischen Texten verstanden haben, erklangen zu unserer Überraschung nach dem Set deutlich vernehmbar "Noch Einmal!"-Rufe aus den vorderen Reihen.

Padod Uguni - Mitternacht
Um Mitternacht wurde das Licht komplett abgeschaltet (sogar die Straßenlaternen) und passend zum Namen des Festivals teilte man Kerzen aus, die von Nachbar zu Nachbar entzündet wurden - ein sehr emotionaler Moment. Spät aber glücklich fielen wir ins Bett.

Ostsee und Heimfahrt
Für Sonntag war vor dem Rückflug noch ein Kurztrip Richtung Ostsee geplant; noch ahnten wir nicht, dass dies der heimliche Höhepunkt des Wochenendes werden sollte. Also packen, einsteigen, losfahren, aus-dem-Fenster-schauen. Land und Leute haben auf uns vier einen nachhaltig positiven Eindruck gemacht. Die Gegend erinnerte mich - besonders im ländlichen Bereich - an Ostseelandschaften in Mecklenburg.

Unterwegs zur Ostsee
In Roja, einem kleinen Küstenort, machten wir Halt. Bei traumhaftem Wetter starteten wir zu einem Strandspaziergang, steckten die nackten Beine ins kühle Nass und ließen die Haare vom Meerwind zausen. Das allein wäre ein würdiger Abschluss des Wochenendes gewesen.

Am Meer
Da Seeluft aber bekanntlich Hunger macht, kehrten wir noch in ein unscheinbares Hotel zum Mittagessen ein. Wir wurden aufs Angenehmste überrascht. Zwei von uns bekannten hinterher ohne Übertreibung, noch nie im ihrem Leben etwas so Leckeres vorgesetzt bekommen zu haben - und das zu Preisen, für die man in Deutschland noch nicht einmal eine anständige Pizza bekommt!
Gegen Ende des Essens begann es stark zu regnen, was sich während der anschließenden Fahrt dann mehr und mehr zu einer Art Wolkenbruch entwickelte. Der nur sporadisch seine Arbeit verrichtende Scheibenwischer unseres Autos machte die Insassen nervös, trotzdem kamen wir wohlbehalten auf dem Flughafen in Riga an. Der Abschied von Agris fiel schwer. Es war, als würden wir einen guten Freund verlassen - obwohl wir uns nicht mal 48 Stunden kannten.

Über den Wolken
Der Rückflug verlief problemlos. Auf der Autobahn in Deutschland behinderte der flutartige Regen das zügige Vorankommen - da half auch der beste Scheibenwischer nicht mehr viel ... Den Abschluss unserer außergewöhnlichen Reise begossen wir kurz vor Mitternacht in Chemnitz in einem Drive-In.

Fazit
Es war für uns ein echtes Highlight in diesem Jahr - jederzeit wieder! Es ist uns eigentlich (bis auf die Verständigungsprobleme beim Soundcheck :-) nur Angenehmes widerfahren. Auch die ach so empfindlichen Gitarren haben die Tour unversehrt überstanden. Anderen Bands können wir nur Mut machen, sich auf so ein Abenteuer einmal einzulassen.
Unser Dank geht an Dr. Thomas Feist, den "christlichen Musikkulturfunktionär", ohne den wir nie dahin gekommen wären.

Kontakt zu Tobias Richter: http://artists.sound7.de/tobiasrichter






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