www.Crossover-agm.de Woesner Brothers   19.05.2006   Altenburg, Logenhaus
von rls

Hätte es im Altenburg vergangener Jahrhunderte keine so hellen Köpfe gegeben, es wäre einiges anders gelaufen in der deutschen Kulturgeschichte - an vorderster Stelle wäre da zu erwähnen, daß das Skatspiel vielleicht nie erfunden worden wäre. Solche hellen Köpfe der Vergangenheit sammelten sich beispielsweise in Freimaurerlogen, und auch da war Altenburg ganz weit vorn dabei: Die Loge "Archimedes zu den drei Reißbretern" wurde 1742 als siebente Loge in deutschen Landen gegründet (wobei, mal von Bayreuth abgesehen, die anderen älteren ausnahmslos in Großstädten entstanden waren) und konnte 1804 in ihr neu erbautes Haus am Johannisgraben einziehen. 1933 verboten und auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder eingerichtet, nahm die Altenburger Loge 2000 wieder ihre Arbeit auf und machte sich schrittweise an die Sanierung des Gebäudes, das zu DDR-Zeiten u.a. durch das Institut für Lehrerbildung genutzt worden war. Zielstellung ist aber, das Haus nicht nur für Logenzwecke zu nutzen, sondern auch mit allgemeinen Kulturveranstaltungen an die Öffentlichkeit zu gehen, und diese Veranstaltungen koordiniert ein Verein, der für diesen Freitag zu einem Kabarettabend eingeladen hatte. Mit den Woesner Brothers hatte man zwei Künstler zu Gast, die in Altenburg keine Unbekannten sind: Bereits anno 2003 waren sie mit einem Herricht/Preil-Programm hier aufgetreten. Der Rezensent hatte das damals verpaßt und nahm daher die neue Gelegenheit gern wahr, stellte allerdings überrascht fest, daß er einer von gerade mal 14 Besuchern war, was den Vereinsverantwortlichen eine Ursachenforschung auferlegt, um in Zukunft eine größere Öffentlichkeit zu erreichen.
Am Thema des Abends kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Rolf Herricht und Hans-Joachim Preil waren das beständigste und wohl auch beliebteste Komikerduo in der DDR - ihre Künstlerpartnerschaft begann 1957 und reichte bis 1981, als Rolf Herricht unerwartet starb (auf der Bühne, wie sich das für einen Schauspieler gehört). Aus dieser Jahreszahl folgt, daß der Rezensent die beiden nie live gesehen hat (er war 1981 erst fünf Jahre alt) und sie somit nur von ihren Schallplatten "Eine Stunde gute Laune", "Eine 2. Stunde gute Laune" und "Eine Über-Stunde gute Laune" sowie dem einen oder anderen gelegentlich im Fernsehen gezeigten Livemitschnitt kennt. Von daher blieb die spannende Frage, wie die Gebrüder Woesner die Vorgaben umsetzen würden, die Preil als Autor der Szenen in den Ring geworfen hatte. 24 Jahre lang versuchte er, in oberlehrerhafter Manier Herricht aufzuklären, was es im Leben Wissenswertes gibt, und 24 Jahre lang hatte Herricht mit einer Mischung aus Naivität und Witz die Lacher grundsätzlich auf seiner Seite - an dieser Grundstruktur würden die Woesner Brothers natürlich nicht rütteln, das war klar. Das taten sie auch nicht, und sie hielten sich auch über weite Strecken an Preils Originaltext, den sie allerdings bisweilen variierten und auch an neue Situationen anpaßten (so hat Herricht wohl nie geahnt, daß er 25 Jahre nach seinem Tod mal eine Währung namens Euro einstecken haben würde). Dabei gingen sie bei diesen Anpassungen durchaus geschickt und mit Respekt vor dem Original vor, wohingegen die Variationen eher Problemfälle hervorriefen, und das auf zwei Gebieten: Einesteils zeigen besonders die Schallplatten eine sehr komprimierte Version der Szenen, die gerade durch diese Komprimierung einen starken Reiz besitzt: Wenn ein Gag sitzt, werden nicht erst noch drei Schlenker eingebaut, sondern unverzüglich die Schlingen für den nächsten Gag ausgeworfen. Bereits in späteren Fernsehaufzeichnungen wurde deutlich, daß sich Herricht und Preil teilweise von dieser komprimierten Herangehensweise gelöst hatten, was den Szenen nicht gut getan hat, und die Woesner Brothers orientierten sich nun eher an dieser aufgelockerten Variante, trieben die Auflockerung bisweilen sogar noch weiter als Herricht und Preil. Das dürfte den nicht mit dem Original Vertrauten kaum gestört haben, aber wer die Vergleichsmöglichkeit zum alten Material hatte, konnte sehr wohl leicht darüber stolpern. Zudem, und damit wären wir beim zweiten Gebiet, ließen die Woesners mitunter Textpassagen weg, was zu fehlenden Bezügen führte. Wenn beispielsweise im "Krimi" Preils Aufforderungen "Her mit den Mäusen" und "Her mit den Piepen" fehlen, verliert Herrichts Replik in der Schlußszene "Halten Sie Ihren Jargon, sonst hör'n Sie die Mäuse piepen" natürlich deutlich an Wirkung. Außerdem - das mag allerdings ein völlig subjektiver Eindruck sein - erschien mir Herrichts Figur einen Tick zu selbstbewußt gezeichnet. Aber für diese kleinen Schwächen entschädigten die beiden Woesners mit den insgesamt dargebotenen vier Szenen reichlich und rissen das Publikum zu Lachstürmen hin, wenn Herricht Preil mal wieder zur Weißglut brachte. Von der Setlist her orientierten sich die beiden Berliner an der "2. Stunde gute Laune", brachten also vor der Pause die beiden Szenen der A-Seite, "Der Gartenfreund" und "Der Krimi". Nach der Pause setzten sie allerdings nicht mit "Der Tierarzt" fort (der ist wegen des in der Schlußszene benötigten Hundes in kleineren Lokalitäten aber eh schwer zu spielen), sondern holten mit "Der Bleistift" einen weiteren großen Klassiker aus dem Hut hervor (der auf "Eine Stunde gute Laune" verewigt worden war), bevor sie das Finale wieder mit der "2. Stunde" bestritten: "Die Briefmarke" war Thema dieser Szene, nach der sich das Publikum noch eine Zugabe erklatschte, die allerdings nicht in einer weiteren Szene, sondern in einem Gedicht aus dem Tierreich bestand. So blieb in der Gesamtbetrachtung ein trotz der kleinen Steigerungsmöglichkeiten (zu denen auch noch Preils etwas zu nasale und daher manchmal schwer verständliche Sprechweise gehört) sehr unterhaltsamer Abend mit der Hoffnung auf gelegentliche Fortsetzung (würde doch zu gerne mal "Die Schachpartie" live sehen ...).



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