www.Crossover-agm.de 50 Hertz, Trautmann feat. Pötsch, Tina Kademann   04.02.2006   Kohren-Sahlis, Evangelische Heimvolkshochschule
von rls

"Schlagzeuger, ich kann jetzt Metal", begrüßt ein vom Haarschopf her wie ein junger Dave Mustaine aussehender Nachwuchsgitarrist seine eintreffenden Nachwuchsbandkollegen. Klarer Fall: Es ist mal wieder Gitarrenseminar im Kirchenbezirk Borna, und in Beibehaltung einer liebgewonnenen Tradition spielt der Dozent des Fortgeschrittenen-Kurses samstagabends ein Konzert im Foyer der Heimvolkshochschule. Der Dozent hört auf den Namen Thoralf Pötsch und ist bekanntlich in etlichen Projekten involviert, deren Mitstreiter dann wiederum in anderen Projekten involviert sind etc. So ergibt sich ein Netzwerk aus zahlreichen personellen Verflechtungen rings um den Liedertour-Verein, und so ergibt es sich, daß der Dozent in der ersten Band zunächst gar nicht auf der Bühne steht. Mit Tina Kademann erscheint dafür ein neues (und ausgesprochen hübsches) Gesicht im Kreise der üblichen Verdächtigen und beweist, daß man für entspannte chansonähnliche Kompositionen gar keine so spektrumsbreite Stimme braucht, um überzeugen zu können. Frank Oberhof an den Tasten beschränkt sich zumeist aufs Unterwerfen weniger Stützakkorde oder atmosphärischer Elemente (nur im seemannsthematisierenden "Marie" tritt er mit einem Akkordeon etwas in den Vordergrund), die instrumentalen Farbtupfer dagegen setzen die Gebrüder Trautmann an Akustikgitarre respektive Akustikbaß. Für eine volle Konzertdauer von zwei Stunden müßte man sich zwar (trotz der gelungenen sprachlichen Bilder in den Texten) noch das eine oder andere einfallen lassen, um das Auditorium vom Abgleiten in Morpheus' Arme abzuhalten, aber bei fünf Songs (von denen "Vielleicht" an dem Abend seine öffentliche Weltpremiere erlebt) besteht diese Gefahr noch nicht, zumal man Tinas Gesang dank der reduzierten Begleitung sehr gut versteht. Das gelingt im zur vollen Bandbesetzung aufgerüsteten sechsten Track "Morgen danach" (Enno Trautmann wechselt vom Akustikbaß an die Drums, dafür übernimmt Sören den E-Baß, und auch der o.g. Dozent schnallt sich die E-Gitarre um) aufgrund der höheren Gesamtlautstärke dann nicht mehr so gut. Trotzdem ist Tina eine Entdeckung, die nur noch bissel an der Publikumskommunikation feilen muß.
Christian Trautmann übernimmt dann von Tina das Mikrofon, und schon steht ohne weitere Personalwechsel eine Formation namens Trautmann feat. Pötsch auf der Bühne, die drei Songs spielt, darunter als Auftakt den bereits von diversen Samplern bekannten Poprocker "Feuervogel", allerdings in einer etwas zu entspannten Version, die zudem darunter leidet, daß das Frontmikro für alles, was energischeren Unterbau erzeugt, etwas zu leise eingestellt ist (dieses Problem soll sich bis zum Konzertende fortpflanzen). Thoralf Pötschs herausragende gitarristische Fertigkeiten werden dennoch bereits hier überdeutlich, während der Rest der Truppe sich nicht in den Vordergrund schiebt, sondern solide Grundarbeit leistet. "Sonntage" und das fragile "Weinender Clown" schließen sich an, wobei besonders letztgenanntes das große Potential Trautmanns offenbart, während erstgenannter einen Tick zu unauffällig aus den Federn gekrochen kommt.
Der nächste Personalumbau ist auch nicht gerade umfassend: Sascha übernimmt Ennos Drums, Christian geht, statt seiner besetzt Michael Günther Akustikgitarre und Frontmikro - das Resultat nennt sich 50 Hertz und ist im Herbst 2005 mit seiner ersten CD "Salz" in Erscheinung getreten. Die beinhaltet all das, was man auf einer guten "Ostrockscheibe" (doofe Kategorisierung, ich weiß) früher hören konnte, und stellt auch die komplette Setlist (man hat also auf weitere Umarbeitungen alten Güntherschen Solomaterials verzichtet - eines Tages will ich aber nochmal 'ne schöne Doom Metal-Version von "Der Phlegmatiker" hören). Günthers goldenes Händchen für wendungsreiche Texte im Spektrum von purer Romantik bis kurz vorm Nonsens wird auch bei 50 Hertz jederzeit spürbar (leider versteht man wie erwähnt nicht alles von seinem Gesang), und das musikalische Spktrum erweist sich als immens breit: Da folgen einem leidenden Slowblues ("Wer denn") das mittelalterlich-tanzbare "Totentanz", das in der Liveversion angenehm schnell rockende "Ich bin" (zu dem einige Unentwegte im Auditorium fleißig bangen und von Michael zur Belohnung zwischen den Zeilen immer mal noch ein metallisches "Uh Yeah" ernten) und das fast an Grönemeyer gemahnende "Lach doch" (übrigens erinnert Michael in diesem Stück auch gesanglich etwas an Herrn Ö). Zum größten Wohlfühler in der Setlist wird allerdings "Zuviel", ein vergleichsweise schleppender Rocker, in dem Thoralf, der sich ansonsten im Material von 50 Hertz auffällig zurückhält, in bester Siebziger-Manier drauflossoliert und Szenenapplaus des Publikums erntet. Eingerahmt von den beiden Teilen von "Sing ein Lied für mich" steht so ein starkes Konzert, gut ergänzt durch einen von Michael eingebrachten humoristischen Aspekt, für den er ja bekannt ist, und zugleich das letzte Konzert von 50 Hertz in dieser Besetzung markierend, da sich Bassist Sören (der übrigens optisch auch bei Amon Amarth eine gute Figur abgeben würde) aus Zeitgründen ausklinken wird; Ersatz steht aber schon zum Test bereit (nein, es ist kein Teilnehmer des Gitarrenseminars ...).



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