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The Musical Box   28.01.2006   Halle, Händelhalle
von *tf

Eine ungewöhnliche, merkwürdige Veranstaltung durfte ich am 28. Jänner in der Händelhalle Halle erleben. Inmitten eines Publikums, welches im Schnitt fünfzig Lenze zählte und überwiegend beschlipst auf den nummerierten Sitzreihen Platz genommen hatte, lauschte ich der "The Lamb Lies Down On Broadway"-Rekonstruktion der kanadischen Truppe The Musical Box. Ganz im Sinne ehrfürchtiger Verneigung vor dem Genesis-Original wurde nicht kopiert sondern zelebriert. Schnell wurde klar, dass Genesis-Shows mittlerweile echte Kunstwerke sind, denen man sich am besten in bequemer Sitzhaltung und gepflegter Ergriffenheit nähert. Auch wenn der Sound über weite Strecken zu basslastig war, was denn auch einige der bejahrten Herrschaften zu vorzeitiger Flucht aus dem Saal veranlasste, steht die musikalische Qualität des Dargebotenen außer Frage. Nicht ohne Grund haben Genesis und Peter Gabriel die Rechte zur Aufführung exklusiv an die Kanadier vergeben.
Die Atmosphäre jedoch blieb kühl, um nicht zu sagen über weite Strecken in einem komatösen Zustand. Irgendwie hofften die Damen und Herren des Publikums, dass sich das alte Gefühl wieder einstellt, welches einen in den späten Siebzigern und auch danach noch gelegentlich überkam, wenn man als DDR-Bürger den Klängen eines als Reliquie verehrten Genesis-Tonträgers lauschte. Nun sitzt man - die besten Jahre sind lange vorbei - inmitten von Leuten, denen es genau so geht und man wartet vergebens. Es stellt sich nichts ein. Die Träume werden durch die Realität auf der Bühne unsanft geerdet. Und da hilft es auch nichts, wenn Sänger Denis Gagné einen Großteil der Ansagen auf deutsch absolviert (... jaja, auch Peter Gabriel hat ja eine seiner Scheiben in deutscher Sprache besungen...), die Zuschauer wissen nun endgültig, dass das Leben sie betrogen hat und sie auch hier "nur" ein Second-Hand-Erlebnis bekommen.
Zurück zum Bühnengeschehen. Der antiquarische Purismus der Band ist schon bemerkenswert. Da werden die Original-Kopie-Dias in viel zu kleinem Format auf den Bühnenhintergrund projiziert - die Ästhetik der Siebziger mit der Technik von heute - die speziellen Verkleidungen wie auch Bewegungen von Altmeister Gabriel werden im "echten" Duplikat vorgeführt, bewirken heute allerdings nur noch ein anerkennendes Kopfnicken derjenigen, die sich intensiv mit solchen Dingen beschäftigt haben. Der andere Teil guckt lediglich irritiert, in der Gewissheit, wieder ein bedeutungsvolles Detail verpasst zu haben.
Die Songs, die mir am besten gefallen haben, waren die eher ruhigen, psychedelischen Stücke á la "In The Cage". Und da "The Lamb ..." ja überwiegend aus ruhigeren Tracks besteht, hat mir das meiste auch gefallen. Hat es im Original - also auf Platte und CD - auch schon vorher. Und um im Bilde zu bleiben: Nach der Original-Tournee stieg Gabriel, wie wir wissen, aus der Band aus. Er wird seinen Grund gehabt haben. Einer könnte gewesen sein, dass ein richtiger Hammer-Song auf der "Lamb"-Scheibe nicht zu finden ist. Diese Leerstelle macht sich auch im Konzert bemerkbar: Die Stimmung flaut von Song zu Song merklich ab und letztlich sind wohl beide Parteien dieses Spektakels in der halleschen Händelhalle froh, sich nach eineinhalb Stunden beiderseitigen Bemühens mit einem flüchtigen Gruß verabschieden zu dürfen. Ich will nicht sagen, dass jemand an diesem Abend enttäuscht wurde. Aber Liebe fühlt sich anders an ...
 






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