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Chris Barber 15.01.2006 Aurich, Stadthalle
von Werner Jürgens (Text/Foto), aufgearbeitet von mh
"Mister Ice Cream" kam nach Aurich
Die Jazz-Legende Chris Barber ließ für seine Fans kurzzeitig "die Sonne von New Orleans aufgehen".
Aurich. Mit begeistertem Applaus belohnten etwa 800 Besucher in der Auricher Stadthalle das mehr als zwei Stunden dauernde Konzert des 75jährigen Altmeisters des Jazz, Chris Barber, und seiner elfköpfigen Combo. Jazzgrößen wie Louis Armstrong, Duke Ellington und Miles Davis hätten das Konzert wahrscheinlich ebenso genossen. Virtuos auf Zugposaune und Kontrabass entfaltete Barber sein Können und zeigte, dass er noch Spaß an der Musik hat.
Musiklegenden wie Chris Barber setzten Trends. In den frühen 50er Jahren war es der Jazz, der Musiker beinflusste und von Amerika nach Europa und dann über die ganze Welt flutete. Chris Barber belebte nach dem 2. Weltkrieg die Urversion, den traditionellen New Orleans und Dixieland-Jazz. Die Zugnummer in diesem Musikstil war und ist seine 1955 aufgenommene Interpretation des heutigen Jazzklassikers "Ice Cream". Diesen Leckerbissen servierte Barber dem Auricher Publikum als "Dessert".
Musikalische Einseitigkeit kann ihm nicht vorgeworfen werden, denn er war schon immer auch an anderen Musikstilen interessiert. Zum Beispiel setzte er maßgebliche Impulse für das britische Blues-Revival, musizierte schon 1948 mit Alexis Korner, dem "Übervater" junger Rhythm & Blues-Gruppen der frühen 60er. Dazu zählten zum Beispiel die damals noch unbekannten Rolling Stones. Aus einer der damals Tausenden von Schülerbands, The Quarry Men, formierten sich später The Beatles. Mit Chris Barber und Lonnie Donnegan bekam der Skiffle mit seinem Waschbrettsound internationale Popularität.
Im Vordergrund des ersten Teil des Auricher Programms stand Blues in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen. Die Bandbreite umfasste: "Cornbread, Peas And Molasses" vom 58er Album, "London Sessions" von Sonny, Terry und Brownie Mc Ghee, "Rent A Party Blues" von Duke Ellington bis zu "Spell Of The Blues", das die Dorsey-Brüder 1929 mit dem damals blutjungen, aufstrebenden Glenn Miller aufnahmen.
Barber und seine Musiker faszinierten das Publikum mit Adaptionen von Duke Ellington-Stücken, trafen den flotten Charleston-Stil der frühen Bigband-Ära genau und brachten den späteren, typischen ellingtonschen "Dschungel-Sound" perfekt rüber.
Der traditionelle Dixieland-Jazz kam beim Auftritt in Aurich erst nach der Pause zum Tragen.
Musikalisch übte Barber beim Konzert in Aurich britische Gelassenheit und vornehmer Zurückhaltung aus. Er bewies, dass er noch gut bei Stimme ist und zupfte sogar für kurze Zeit den Kontrabass. Als Urgestein der neueren Musikgeschichte ließ er seinen Musikerkollegen auf der Bühne den Vortritt, während er mit einer die Begeisterung der Fans steigernden britischen Gelassenheit, sein Lieblingsinstrument, die Zugposaune, bediente.
Diesmal war es Tony Carter, der das von Miles Davis komponierte "All Blues" vom Kultalbum "Kind Of Blue", als einfühlsames Flötensolo präsentierte. Er setzte der Darbietung mit "Petite Fleur", auf der Klarinette gespielt, noch ein "Sahnehäubchen" auf. Ihm wurde von den Zuhörern mit Zwischenapplaus gedankt. Damit erwies Carter sich als würdiger Nachfolger von Mr. Acker Bilk. Ein regelrechtes "Drum & Bass-Duell", in dessen Folge Sutton Pitts Kontrabass mit seinen Drum-Sticks bearbeitete, lieferten sich der Schlagzeuger John Sutton und der Basssist Vic Pitt (Großvater des Schauspielers Brad Pitt).
Seine Liebe zum Trompetenspiel in der Art von Louis Armstrong bekundete an diesem Abend Pat Halcox, der schon von Anfang an mit seinem Instrument bei der Chris Barber Band mitspielte. Die sieben Bläser hatte Bob Hunt in seinem Arrangement perfekt aufeinander eingestimmt.
Als Zugabe spielte die Combo das Stück "Ice Cream" so eindrucksvoll, dass es den Fans erschien, als seien von der Komposition des Stückes bis jetzt, zum Auftritt in Aurich, noch keine 50 Jahre vergangen. Dass Chris Barber noch nicht zum "alten Eisen" gehört, hat er seinem frenetisch applaudierenden Publikum wieder einmal gezeigt. Die Fans konnten sich nur schwer von ihrem Idol trennen.
Aus: Ostfriesische Nachrichten vom 17.01.2006
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