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Jackson Gospel Singers   18.11.2005   Dresden, Martin-Luther-Kirche
von rls

Der Name Jackson ist nicht gerade einer derjenigen, die den Ahnenforscher im angloamerikanischen Raum vor leichte Aufgaben stellen, wobei sich die Irrationalität einer solchen Bemerkung allerdings spätestens dadurch erweist, daß sich in dem Line-up, das unter dem Terminus Jackson Gospel Singers im Herbst 2005 tourte, kein Mensch namens Jackson befand, was wiederum diverse Parallelen im klassischen Bereich findet (im Telemann-Kammerorchester Michaelstein etwa spielt auch niemand namens Telemann oder gar Michael Stein :-)). Der Namenshintergrund erschließt sich allerdings, wenn man weiß, daß der Mensch, der die übrigens auch in der Kurznamensvariante agierenden Jackson Singers anno 1983 gründete, tatsächlich Bob Jackson hieß; er ist im Jahre 2002 verstorben. Mit einer derartig gut gefüllten Lutherkirche (ein sehr geräumiger Bau mit allein im unteren Bereich über 550 numerierten Plätzen, wobei sich die Sitzanordnung allerdings derart auflockerte, daß auf einer Zehnerbank vielleicht sechs Personen saßen) war nicht zuletzt angesichts des Eintrittspreises von 25 Euro (das waren umgerechnet früher mal 50 DM!) nicht unbedingt zu rechnen gewesen, wobei eine altersseitig sehr gemischte Schichtung zu beobachten war, die Jugend allerdings deutlich schwächer vertreten war als das "Mittelalter".
Kollegin Katja und meinereiner nahmen pünktlich zur Begrüßung seitens des übrigens aus Trinidad & Tobago stammenden Ensemblekopfes Fitzroy unsere Plätze ein, und schon ging's los mit einer A-Cappella-Nummer (es sollte die einzige des Abends bleiben), nämlich "Ride On, King Jesus" in einer bezaubernden, fast kammermusikalische Züge annehmenden Version, welche die stimmlichen Qualitäten der sieben (!) hauptamtlichen Vokalisten eindrucksvoll unterstrich. Keiner von uns beiden ahnte, daß dieser Song während der ganzen Nettospielzeit von knapp zweieinhalb Stunden nicht mehr übertroffen werden sollte. Das hatte mehrere Gründe, dessen hauptsächlicher der Sound war. Kirchenbeschallung ist alles andere als einfach, und ich habe schon deutlich schlechtere Ergebnisse gehört. Aber sobald die fünfköpfige Band mitwirkte (und das tat sie ab dem zweiten Song), wurde der Sound undeutlich, konnte vor allem der fetzige oder auch groovende Charakter vieler Stücke, den man offensichtlich anstrebte, nicht erzielt werden, da vor allem die Tiefen der Rhythmusgruppe schlicht und einfach verschwanden. Den Bassisten hörte man während des ganzen Sets nur in zwei oder drei Breaks, vom Drummer war hauptsächlich die HiHat zu vernehmen, während Bassdrums und vor allem die Snare durch häufige Abwesenheit glänzten. Daß das Problem nicht auf die Tiefen beschränkt blieb, bewies der am hinteren linken Keyboard stehende Mensch, der ebenfalls nur physisch, nicht aber akustisch anwesend war. Hingegen schaffte es der Soundmensch, den E-Pianisten (der arrangementseitig auch die wichtigsten Aufgaben erfüllte) permanent durchhörbar zu gestalten und auch den Flötisten (der gelegentlich zu diesem Instrument griff, wenn er gerade keinen Sangespflichten nachkommen mußte - den könnten Jethro Tull vom Fleck weg verpflichten, falls Ian Anderson dieses Instrument irgendwann mal nicht mehr selbst spielen kann; er spielte teilweise irrwitzige Passagen in rasender Geschwindigkeit) weit genug nach vorn zu stellen. Wir verzichteten auf Wanderungen innerhalb der Kirche, um die akustischen Verhältnisse an verschiedenen Stellen zu prüfen, zumal sich die Situation (und damit auch die Problemsituation) sowieso alle Naselang änderte, je nachdem, ob wieder gerade Speed, Groove oder Ballade angesagt waren. Zwischen diesen drei Polen bewegte sich nämlich der Set, wobei mir persönlich der eine oder andere Übergang etwas zu abrupt geschah (so schlug "His Eye Is On The Sparrow" aus dem akustischen Anfang radikal in einen Speedbrecher um); da hätte man etwas stringenter vorgehen können. Zugunsten der Expressivität heruntergeschraubt wurde die Stringenz allerdings in einem weiten Teil des Sets. Besonders deutlich wurde diese These im ersten Setteil, als zunächst ein über zehnminütiges dreigeteiltes "Amazing Grace" erklang (Flötist und Pianist spielten ein Intro, das sich von einem ruhigen Beginn in wildes Holzblasgefrickel steigerte, die eine der Sängerinnen übernahm mit einem ebenfalls nur pianistisch untermauerten Part, und schließlich setzten alle zu einem hymnischen Finale an) und unmittelbar danach eine mindestens viertelstündige Version von "Sometimes I Feel Like A Motherless Child" intoniert wurde, vorgetragen vom Pianisten und einem der Sänger, und zwar in einem bisweilen quälend langsamen Tempo, über das der Sänger eine extrem expressive Vocalperformance legte, die seine stimmlichen Qualitäten in einem riesigen Spektrum zwischen fast an Glenn Hughes erinnenden Höhen und fast an ein Bordunregister bei einer Orgel erinnernden Tiefen zwar eindrucksvoll demonstrierte, aber die alte These, daß weniger eben manchmal mehr sei, eindrucksvoll unterstrich. "Zu viele Noten, Jackson!" mochte man während des ganzen Konzerts an mancher Stelle ausrufen, besonders an den Songenden, wo sich besonders die Sänger mitunter in riesigen Schleifen verloren; trotz ihrer zweifelsohne vorhandenen sängerischen Klasse hätte hier eine arrangementöse Straffung bisweilen wahre Wunder wirken können. Das sah das Publikum allerdings über weite Strecken nicht so und belohnte den expressiven, bisweilen gar bis ins Ekstatische vordringenden Ausdruck mit donnerndem Applaus, den sich die Truppe (sowohl die Sänger als auch die Instrumentalisten - soweit man letztere beurteilen kann) allerdings allein mit ihrem technischen Können auch schon redlich verdient hatte. Die Sänger wechselten sich so ab, daß jeder mal einen Solopart zu singen hatte, keiner stand explizit weit vorn oder hinten, so daß der Teamgeist offensichtlich stimmte; auch das einzige nichtfarbige Mitglied schien perfekt integriert zu sein (es handelte sich um den Drummer - ein Treppenwitz, daß eine solche Truppe einen weißen Drummer beschäftigt, noch dazu einen aus Karlsruhe). Von der Setlist her war zweifellos zu befürchten, daß die Jackson Gospel Singers auf Nummer sicher gehen würden, aber sie hatten dann doch einige Überraschungen versteckt - so dürfte niemand ernstlich mit dem Dylan-Klassiker "(The Answer Is) Blowing In The Wind" gerechnet haben, den man in eine hübsche gospelite Version umbaute, wenngleich auch hier ein wenig mehr arrangementöse Stringenz aus einer hübschen eine noch hübschere Version gezaubert hätte. Und dieses Verdikt läßt sich auch auf den kompletten Gig übertragen: Er war gut, zweifellos - aber man hätte ihn noch besser machen können, wobei sich das Publikum offensichtlich aber auch mit dem guten Gig mehr als zufrieden zeigte.



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