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Sächsische Tuba Company   29.10.2005   Zwenkau, Laurentiuskirche
von rls

Der Tubist gehört im allgemeinen zu den eher bemitleideten Orchestermusikern. Er sitzt irgendwo ganz hinten, steht kaum mal richtig im Vordergrund, hat eines der schwersten Orchesterinstrumente mit sich herumzuschleppen und die größte Oberfläche eines Blechblasinstruments pfleglich zu erhalten. Und im Gegensatz zu dem aus anderen Gründen bemitleideten Bratscher ist er auch als Kammermusiker kaum zu gebrauchen, richtig? Falsch! Wenn man weiß, wie man's anzustellen hat, kann man selbst eine reine Tubenbesetzung als Kammermusikensemble zusammenstellen, und ebendies haben vier sächsische Beherrscher dieses Instruments getan. Nun muß man noch dazusagen, daß der gemeine Musikhörer beim Begriff "Tuba" in der Regel an diesen riesigen goldglänzenden Blechkoloß denkt, der im Eingangssatz beschrieben wurde, und vier dieser Instrumente gemeinsam würden tatsächlich kaum zu filigranerem Musizieren geeignet sein. Nun gibt es neben der Kontrabaßtuba aber auch noch die "einfache" Baßtuba (eine Nummer kleiner) sowie verschiedene Bauausführungen in Tenor- und Baritonlagen (darunter auch jene Instrumente, die der posaunenchorerfahrene Leser mit dem Begriff "Tenorhorn" belegt), und wenn man sein Quartett in diese verschiedenen Instrumente aufteilt, hat man mit einem Tubaquartett tatsächlich ungeahnte Möglichkeiten, wie die Sächsische Tuba Company bei ihrem Heimspielkonzert in Zwenkau (keiner der Musiker ist dort geboren, aber drei wohnen mittlerweile dort) unter Beweis stellte.
Von der Setlist her hatte man ein im Bezug auf die Herkunft der Komponisten äußerst vielfältiges Programm gewählt. Der Einmarsch geschah mit dem Hit "Brazil" von Ari Barroso, der zugleich auch die einzigen komödiantischen Elemente im schauspielerischen Sinne beinhaltete, die andere Blechbläserensembles oft und gern einsetzen. Die Reise um die Welt führte danach gen Ungarn, wo der im Lande äußerst populäre, außerhalb aber nahezu unbekannte Hidas Frygies ein dreisätziges Tubaquartett auspackte (es gibt tatsächlich Menschen, die für eine solche Besetzung komponieren, allerdings nur wenige, so daß man sich im Regelfall mit Arrangements behelfen muß), das auch gleich das größte Problem deutlich machte: Trotz der durch die erwähnte Stimmaufteilung geschehenen Diversifizierung überlagerten sich viele Töne der vier Instrumente trotzdem noch, flossen also förmlich ineinander. Das soll an verschiedenen Stellen in der Kirche unterschiedlich stark ausgeprägt gewesen sein (ich habe darauf verzichtet, während des Konzerts hin und her zu wandern, um es zu prüfen), wobei es in manchen Fällen allerdings auch kein Problem darstellte, sondern die Stimmung der Stücke eher noch beförderte (um es mal zu übertragen: man hörte eher Pink Floyd als Deep Purple). Diese beiden Pole wurden in Frygies' drei Sätzen sehr deutlich, denn während das Allegretto mitunter leicht zu matschig wirkte, gewann der abschließende Choral durch die Fließbewegungen eher noch an Ausdruckskraft und Feierlichkeit. Im "Largo Ma Non Tanto" vom alten Bach machte das Quartett dann deutlich, daß man mit zwei Tuben mal eben ein komplettes Streichorchester ersetzen kann, während Dvoraks "Largo" aus der 9. Sinfonie "Aus der Neuen Welt" durch die Reduktion des Orchesterklanges auf vier Stimmen ein paar geringfügige Längen aufwies, diese aber mit begeisternden Momenten wie dem bekannten Exzelsior-Intro locker wieder wettmachte. Bei Vivaldi wiederum brauchte man "nur" die Stimmen für vier Violinen umzuverteilen, was den 1. Satz aus dem Concerto g-moll allerdings auch nicht vor den erwähnten Frequenzüberschneidungen bewahrte, wiewohl man diverse der für italienischen Barock so typischen Melodiefolgen beglückend genug heraushören konnte. In die südamerikanisch-deutsche Gegenwart zurück ging's mit zwei Milongas von Enrique Crespo (aus Uruguay stammend, aber schon jahrzehntelang in Deutschland werkelnd und Chefdenker von German Brass), deren erste namens "Troiliana" allerdings eher gepflegte Langeweile verbreitete und nur mit einer eher nach Slavko Avsenik und seinen böhmischen Gesinnungsgenossen klingenden blitzartigen Passage wirklich aufhorchen ließ, wohingegen die zweite namens "Campera" durch ausgeprägte und originelle Motivarbeit überzeugen konnte. Mit "When Tubas Waltz" des US-Amerikaners Alfred H. Bartles fuhren Matthias Büttner, Helfried Hoyer, der leider ein wenig zu langatmig moderierende Hans-Martin Schlegel sowie Jörg-Michael Schlegel die zweite Originalkomposition für Tubaquartett auf, der es allerdings ein wenig an der Durchhörbarkeit des Walzerrhythmus gebrach, wohingegen die Musiker beim finalen Spiritual "Halleluja" aus der Not eine Tugend machten und das reichlich anwesende Publikum teilweise als "Rhythmusgruppe" einsetzten. Schöne Tonmalerei war auch in diesem Stück festzustellen, ebenso in der Zugabe, ohne die das Auditorium (übrigens erstaunlich stark mit Kindern besetzt, von deren kleinsten man zwei hätte übereinanderstellen müssen, um die Höhe des größten Instruments zu erreichen) das Quartett natürlich nicht gehen ließ. Mit dem choralartigen "Locus Iste" von Anton Bruckner erzielte die Company noch einen weiteren Länderpunkt und schloß das interessante 75minütige Konzert auf hohem Niveau ab.



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