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Yat-Kha   14.10.2005   Plauen, Malzhaus
von rls

Der 14. Plauener Folkherbst stand an, und im Malzhaus stieg in diesem Rahmen eine Formation der ganz besonderen Art auf die Bühne, nämlich Yat-Kha. Deren Bandkopf dürfte unter Weltmusik-Freunden bekannt sein, denn es handelt sich um niemand anders als Albert Kuvezin, der an der einzigen Band, die in ihrem Namen als Vokal lediglich fünfmal ein U aufweist, maßgeblich beteiligt ist: Huun Huur-Tu. Diese Truppe transportiert musikalische Traditionen aus den asiatischen Steppengebieten Rußlands und der Mongolei - das tun Yat-Kha auch, allerdings mixen sie diese Traditionen mit westlich geprägter Musik zu einem einzigartigen Cocktail, der vielleicht einen Ausweg aus der Sackgasse der westlichen modernen Unterhaltungsmusik aufweisen könnte. Mit einem vernünftigen Marketingbudget jedenfalls, da bin ich mir sicher, könnte man diese Art Mongolenrock zum Trend machen, und an den deutschen Musikschulen würden alsbald Kurse zu Ober- bzw. Untertongesang und Pferdekopfgeigenspiel wie die berühmten Pilze aus dem Boden schießen. Ob das nun anstrebenswert wäre oder eher nicht, darüber darf gestritten werden, und deshalb seien diese strukturellen Überlegungen hier nicht fortgesetzt.
Wie sah dieser Crossover aus Ost und West nun musikalisch aus? Instrumentenseitig verkörperten Schlagzeug, E-Baß und E-Gitarre (bei einigen wenigen Songs durch eine A-Gitarre ersetzt) die westliche Komponente, zu denen sich als östlicher Bestandteil eine Pferdekopfgeige gesellte. Der Gesang wiederum gehörte völlig dem östlichen Teil, denn Albert produzierte reinrassigen mongolischen Kehlkopfgesang, und der klang phasenweise sowas von tief und finster, daß da im Vergleich jedweder Death Metal-Sänger wie ein fröhlicher Jodler dasteht. Als Zweitsänger fungierte der Pferdekopfgeiger Sholban Mongush, auch dieser gesangsstilistisch eher in den Osten weisend, sich aber in höheren Tonlagen artikulierend, so daß er potentiell auch von jeder Power Metal-Band hätte verpflichtet werden können ("khoomei vox" nannte das englische Management der Band seinen Gesangsstil übrigens). Die Dualität des musikalischen Konzeptes kam übrigens auch in der Kleidung der beiden Frontleute zum Ausdruck, denn während Albert (der auch Gitarre spielte und dem irgendwann mal ein Mensch ohne Ahnung von den politstrukturellen Verhältnissen im heimatlichen asiatischen Raum den Beinamen "Mongolenhendrix" verlieh) in einem einfachen weißen Oberhemd erschien, hatte Sholban eine asiatische Festtracht aufgefahren. Sollte übrigens jemand Zweifel gehegt haben, daß man eine Pferdekopfgeige in einem rockmusikalischen Umfeld live abmischen kann - der Soundmensch an diesem Abend hatte spätestens nach dem dritten Song den richtigen Dreh raus, und nur als er gegen Setende immer lauter aufdrehte (was nicht wirklich hätte sein müssen - ein paar Feedbackorgien der Gitarre bewegten sich so am Rande zur Gesundheitsgefährdung), mußte man sich mitunter etwas anstrengen, um die Geige herauszuhören. Für diese kleine Extramühe entschädigten wunderschöne Unisonopassagen aus Gitarre, Baß und Pferdekopfgeige in einigen Songs, und auch als Soloinstrument fand der asiatische Klangkörper bisweilen Verwendung (daß man mit ihm hervorragend ein wieherndes Pferd imitieren kann, wurde an diesem Abend eindrucksvoll bewiesen). Der Trommler Shenja Tkatschow, der auf den Spitznamen Mr. Rasputin hörte und langjähriger Begleiter Alberts in dessen Musikprojekten ist, legte ein sehr vielschichtiges Rhythmusfundament (wenn das mal kein Polyrhythmiker war), und auch Bassist Scipio (der nun eindeutig nicht aus dem asiatischen Kulturkreis kam) erwies sich als Könner auf seinem Instrument.
Und die Songs? Auch hierbei setzten Yat-Kha wieder auf eine Mischung aus Ost und West. Einerseits rockten sie Folklore aus ihrer Heimat Tuwa herunter (kleiner Exkurs: Tuwa ist eine zur Russischen Föderation gehörige autonome Republik am Oberlauf des Jenissej an der Grenze zur Mongolei - so berechtigen zwar die vielfältigen kulturellen Beziehungen zur Mongolei den oben zitierten Beinamen Alberts, die politische Situation aber ganz und gar nicht, da er, wenn er Einwohner Tuwas ist, einen ganz normalen Bürger Rußlands darstellt) und brachten dem begeisterten Publikum sogar eine Choruszeile eines der tuwinischen Stücke ("der Text ist lustig und ohne tieferen Sinn") bei, die ins Deutsche übertragen ungefähr "falleri fallera" oder so ähnlich geheißen haben dürfte (die Höchstgeschwindigkeit dieses Liedes hätte ein jüngeres Publikum in einer mehr Platz vor der Bühne bietenden Lokalität vermutlich zu einem wilden Pogopit angestachelt), andererseits aber haben sie auf ihrer aktuellen "Re-Covers"-CD diverse westliche Kompositionen durch den stilistischen tuwinischen Fleischwolf gedreht. Das betraf sowohl Bob Marley als auch Led Zeppelin, Robbie Williams oder Motörhead, von denen einige auch in der Setlist auftauchten, gekrönt durch das völlig abgefahrene "In-A-Gadda-Da-Vida" von Iron Butterfly, an dessen Art von Umsetzung durch Yat-Kha die Originale damals nicht mal im zugedrogtesten Zustand gedacht haben dürften. Selbst unabhängig vom Kultfaktor, den die Mixtur "Bob Marley mit mongolischem Kehlkopfgesang" aufweist (Spötter mögen behaupten, bei Motörhead dürfte der Unterschied zum Original gar nicht so groß sein), machte die Umsetzung zumindest live jede Menge Spaß, so daß das Quartett selbstredend nicht ohne eine Zugabe von der Bühne gelassen wurde. Als im zweiten Song des Zugabenblocks Alberts tiefste Gitarrensaite riß, überbrückte Sholban die Zeit mit einer scheinbar improvisierten Gesangspassage (die drei Instrumente spielten zwischenzeitlich weiter), und minutenlanger rhythmischer Beifall trieb Yat-Kha selbst dann, als der Soundmensch schon die Nach-Konzert-Musik eingeschaltet hatte, noch einmal auf die Bühne zurück, wo sie noch einen weiteren Song intonierten und danach, da ihnen offenbar die einstudierten Songs ausgegangen waren, den erwähnten tuwinischen Mitsingtrack noch ein zweites Mal intonierten. So endeten knappe zwei Stunden mit erstklassiger und origineller Musik (bekanntlich bedingt das eine nicht immer das andere), der eine weitere Verbreitung definitiv zu wünschen wäre (als erster Schritt könnte die Truppe mal auf sämtliche Metalfestivals 2006 eingeladen werden).



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