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Cephalic Carnage, Retarded Noise Squad, Death Reality   05.06.2005   Halle, Rockstation
von ta

Sonntag Abend ein Konzert zu veranstalten, bei dem die erste Band um 21.30 auf die Bretter steigt, ist natürlich ein Unding. Nichtsdestotrotz haben sich gut achtzig Nasen eingefunden, um dem Denver Mathematik-Death/Grind-Clan Cephalic Carnage ihren Respekt zu erweisen. Denn wann hatte man schon mal die Chance, diese Band live in unseren Breitengraden zu bewundern?
Als Death Reality die Bühne entern, steht bereits eine Fünfer-Mosh-Front vor der Bühne, die dann auch den ganzen Gig hindurch den Headbangeranteil des Publikums stellt, während die anderen Teile desselben einen eher apathischen Eindruck machen. An der Band kann's nicht liegen, denn diese kickt allen Anwesenden mit Schmackes in den Allerwertesten. Der technische Death Metal der Oschatzer erinnert in den besten Momenten an Cannibal Corpse und Cryptopsy und wird mit einer anständigen Durchschnittsgeschwindigkeit in die Menge gepustet, zudem mit einer ebenso anständigen Stageshow - kontinuerlichem Mattenschwung - untermalt und auch technisch sauber umgesetzt. Lediglich ein paar mehr eingängige Riffs schaden auf lange Dauer nicht. Trotzdem: Tolle Band mit sympatischer Ausstrahlung, die man im Auge behalten sollte. "Bloodprints" dürfte in der einen oder anderen CD-Bude zu erstehen sein.
Bei Retarded Noise Squad sinkt das musikalische und technische Niveau sofort um ein Vielfaches. Das Hallenser Quintett spielt eindimensionalen Death'n'Roll der stumpfen, tempomäßig aber auch gelegentlich in höhere Regionen vorstoßenden Sorte. Um ihre musikalischen Unzulänglichkeiten wissend, sorgt die Band für andere Aufmerker und veranstaltet ein Spektakel der mehr oder weniger besonderen Art. Retarded Noise Squad sind lediglich mit Unterhosen und weißen Plastikpatronengurten angereist, ihr wohlbeleibter Sänger purzelt zwischendurch mit Polizeimützchen und entsprechendem Knüppel über die Bühne, die Ansagen kommen angenehm unvorbereitet daher, das Zusammenspiel bleibt bei allem Gehampel (besonders der Bassist fällt durch Stehaufmännchen-artige Bewegungsabläufe auf) tight und mit dem Napalm Death-Cover "Suffer The Children" hat man noch einen Trumpf im Ärmel, der zu Ende des Sets ausgepackt wird und auch für den meisten Zuspruch im Auditorium sorgt ... was den Herren neben mir überhaupt nicht interessiert. Der packt nämlich an seinem Tisch erst einmal eine Jumbopackung Gras aus und bastelt sich in aller Seelenruhe ein paar Wundertüten, die dann auch genüßlich angesteckt werden. Wohl bekomm's.
Es ist Sonntag, zwanzig Minuten vor Mitternacht, die Luft ist stickig und der Schweiß fließt bereits in kleinen Bächlein. Cephalic Carnage live, das ist Chaos, Spaß und dicke Backen. Es dauert keine zehn Sekunden des Openers "Observer To The Obliteration Of Planet Earth" (oder war's "Hybrid"?) von der 2000er "Exploiting Dysfunction"-Scheibe, da rammelt Bassist/Punkrocker Jawsh schon durch die ersten Reihen des Publikums, während die restliche Band wie von der Tarantel gestochen über die Bühne rennt und zappelt. Besonders Sänger Lenzig steht offenbar unter Strom und schafft es, sich gleichzeitig im Kreis zu drehen, zu bangen und ins Mikrophon zu rülpsen. Am Schlagzeug prügelt John alle Songs um einige Metronomticker schneller und tight wie eine Eins herunter und die Gitarristenabteilung Zac/Steve soliert und rifft und fietscht und lärmt, dass es eine Freude ist. Die neuen Tracks (nämlich das niederwalzende "Counting The Days" ("This is our tribute to you all!"), "The Will Or The Way", das partiell sogar mit sauberem Gesang ausstaffierte "Dying Will Be The Death Of Me", "Sleeprace" und "Kill For Weed"(brutal)) fügen sich bestens in den Set ein, in welchem mit dem hypervertrackten "Lucid Interval" zunächst nur ein einziger Song des gleichnamigen, sehr coolen Albums von anno 2002 auftaucht. Als nach "Paralyzed By Fear" Schluss ist, wird die Band gottlob noch einmal für eine Zugabe auf die Bühne gebrüllt, die dann mit der Black Metal-Persiflage "Black Metal Sabbath" - eingeleitet von dem entspannten Kiffer-Unsinn "Cannabsim" (vom Band) - inklusive monströser Nietenarmbänder und oberbescheuerter Corpsepaint-Masken besonders üppig ausfällt. Dann ist jedoch Schluss mit lustig und eine verschwitzte Masse aus Haut und Haaren wird nach nur einer Stunde wieder an die Luft entlassen. Bei aller Grindigkeit: Ein paar Minuten länger hätte der Spaß schon dauern dürfen. Unabhängig davon aber besten Dank für die relativ fairen Eintritts- (10,-) und Merchandise-Preise (CD 12,-; T-Shirt: 15,-), die bei Konzerten so üblich nicht sind. Und natürlich für ein Energien freisetzendes Konzert. "Our Fans Are Really Sick/ Thanks For The Great Times" ("Counting The Days"). Das gibt der geneigte Fan gerne zurück.



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