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Lift    10.10.2003   Leipzig, Michaeliskirche
von ta

Etwa 200 Leute wollen an diesem Abend eine Scheinkonstante aus den heute so genannten neuen Bundesländern sehen. "Konstante", weil Lift nach nunmehr 30 Jahren noch immer dabei, am Ball, im Konzertsaal, der Kirche sind und stattfinden. Gratulation dafür. "Schein", weil die musikalische Produktivität ihre Räume an ganz anderen Grenzen beschränkt erfährt als noch damals, vor 30, 25, 20 Jahren. Ein Blick auf Neu-Alt-Veröffentlichungen, etwa Unplugged-Live-Aufnahmen oder für Orchesterfassungen umarrangierte Klassikersammlungen, gekoppelt an einzelne wirklich nach 1990 entstandene Stücke, beweist dies deutlich. Können Lift noch Neues sagen? Man entschuldige meinen Pathos, doch ein Verweis auf Novitäten im Hause Lohse/Kommnick legitimiert ihn wohl. Sicher, "Der Winter" ist ein wunderbarer Song, ein kleiner honigdunkler Rilke und sechseinhalb Minuten "Gut Nacht" offenbaren voller Stimmung Pink-Floyd-Zugeständnisse und sanfte Sphärik. Es bewegt sich eine Band, wenn ein agiler Peter Michailoff seine Bongos zum etwas ungestümeren "Freitag" bearbeitet oder auch, wenn Gitarrist Bodo Kommnick, der die einzigartige Gabe besitzt, singen zu können, ohne dabei merklich den Mund aufmachen zu müssen, "Wind trägt alle Worte fort" ganz alleine intoniert. Aber das sind Schritte, die nicht nach vorne, sondern zur Seite gehen. Daher: Können Lift auch in ihrer Gesamterscheinung noch ein aktuelles, interessantes Phänomen sein? Ein Phänomen ohne zwingend notwendige Vergangenheit? Etwa mit einem neuen Album wie die Kollegenschaft von City? Mitnichten, weil: Zu riskant. In Leipzig spielen Lift vor 200 Leuten und sie spielen "Wasser und Wein", "Jeden Abend", "Komm her", "Mein Herz soll ein Wasser sein" - natürlich als Duett Lohse/Fechner -, "Wir fahren übers Meer", "Nach Süden", "Am Abend mancher Tage", etc. Lieder, die meist nicht weniger alt sind als die Band selbst. Man hört sie und genießt sie, aber gesagt worden sind sie schon seit langem. Die "Falsche Schöne" erweckt der noch immer herausragende Sänger allein mit dem Keyboard zum Leben und überhaupt fehlt jegliches ausschweifende Element, das Lift symbolisieren konnten, als sie noch nicht, ähem, zu so gewaltigen Teilen Überbleibsel waren. Heute begnügt man sich mit sparsamen Akustikgitarren und vielen stimmungsvollen Momenten. Der exzessivste Part an diesem Abend, womit nicht die engagierte, aber auch routinierte Performance geschmälert werden soll, war mitunter das Publikum, das sich zweieinhalb Zugaben ergatterte: "Abendstunde, stille Stunde" (Danke), die übermächtige "Sommernacht" (leider um die letzte Strophe gekürzt) und noch einmal "Wasser und Wein", diesmal ohne Lift dazu. Das machten am Ende immerhin zwei Stunden, zzgl. einer halbstündigen Pause, aus. Und schön, besser: angenehm waren sie neben allem bitteren Beigeschmack natürlich, jene zwei Stunden! In denen wird auch niemanden interessiert haben, ob man dieses "Finden wir uns neu", auf das Lohse hinweist, glauben darf oder nicht. Oder ob er es selber glaubt.



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