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Bockmühlen-Open Air 2003 mit Artless, Tinnitus, Zulp, Testimony, Mathyr, Disrepute, Ganymed, Blackeight   21.06.2003   Schöneck-Eschenbach (Vogtland)
von mst

THE BOA STRIKES BACK!

Die Straße zwischen Eschenbach und Schöneck ist wahrlich nicht für ein höheres Verkehrsaufkommen geeignet. Extrem schmal und mit zahlreichen Kurven ist sie wahrscheinlich auch nur Anliegern bzw. Vogtlandinsidern bekannt. Das scheinen nun einige Leute ändern zu wollen, denn an ebenjener Straße, in einem schönen Tal gelegen, ging das Bockmühlen-Open Air, kurz und cooler BOA genannt, in seine zweite Runde. Und die Veranstalter haben sich einiges einfallen lassen:
Acht Bands zu einem humanen Preis, eine feine Bühne + Lichtanlage und lecker Verpflegung, man war also gespannt. Zwar gab es teilweise Probleme mit der Technik, die für Open Air-Veranstaltungen gerade noch so geeignet war, aber von so was lässt sich niemand den Spass verderben. Man merkte, dass ein Festival von Fans für Fans am Start war und alle richtig Bock (Bockmühle?) hatten eine gewaltige Party zu feiern. Einziger unkontrollierbarer Punkt, der den Besuchern zu schaffen machte, war die gar garstige Kälte. Eigentlich hätte man aufgrund der Nähe zu dem ganzjährigen Wintersportort Schöneck darauf schließen können, aber was soll's. Anmerken lassen haben wir uns die Kälte natürlich sowieso nicht ... Pah!
Als mit leichter Verspätung Artless die Bühne enterten, war von den später anwesenden 650 Besuchern erst ungefähr ein Drittel auf dem Festivalgelände. Die Bandmitglieder scheinen alle noch sehr jung zu sein und so war es schon etwas putzig, als der Sänger eine Axt ins Publikum reckte. Very Evil! Musikalisch zog man recht derbe vom Leder, coverte sich gelungen durch Six Feet Unders "War Is Coming" und erinnerte gelegentlich an frühe In Flames mit erhöhtem Härtegrad. Die Band zeigte sich bemüht, konnte mich aber nicht wirklich überzeugen. Das Publikum reagierte bis auf ein paar Unentwegte auch nicht besonders enthusiastisch, was aber zu diesem Zeitpunkt auch kein Wunder war. Es ist auf alle Fälle positiv, dass junge Bands hier aus der Umgebung nachkommen und schließlich ist ja auch noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Selbiges gilt aus meiner Sicht auch für die nachfolgenden Tinnitus, die uns musikalische Elemente aus Punk, Hardcore und Metal auftischten. Die Band war nicht schlecht, hinterließ aber keinen bleibenden Eindruck. Der Musikstil war schon ziemlich originell und Tinnitus würden unter anderen Umständen (z.B. Club-Gig mit Szenepublikum) bestimmt abräumen. Wie gesagt, ich freue mich über neue Bands und Artless und Tinnitus waren als Opener okay, aber ab jetzt folgte Knaller auf Knaller.
Zulp hatte ich eigentlich gar nicht auf meiner Liste, da Stoner Rock normalerweise nicht wirklich mein Fall ist. Die Gruppe scheint speziell für Open Airs gegründet worden zu sein, denn sie passte wie die vielzitierte Faust aufs Auge. Von grimmigmisstrauischen Metallerblicken (auch von mir!) beäugt, feuerten sie ein Gute-Laune-Geschoss nach dem anderen ins dankbare Publikum und boten nebenbei auch noch 'ne ordentliche Performance. Die Fans breiteten ihre Decken aus, genossen die noch vorhandene Sonne und die Musik von Zulp. Es gab keine Begeisterungsstürme oder ähnliches, aber es verbreitete sich eine angenehme, relaxte Stimmung. Selbst die zwei netten jungen Damen, die mich freundlicherweise zu diesem Event begleiteten und vorher noch nie! ein Metal-Konzert besucht hatten, konnten mit Stücken wie "Everybody's Darling" durchaus etwas anfangen. Empfehlenswerte Band!
Aber es sollte noch besser kommen. Testimony kamen, spielten und beeindruckten mich schwer! Die Band ging mit einem großen Handicap in den Auftritt. Ein Gitarrist konnte nicht mitkommen, so dass der etatmäßige Basser an die Gitarre wechselte und der Bassist einfach von einer angesagten Annaberger Punkcombo rekrutiert wurde. Hoffe, das stimmt jetzt so. Dass Testimony trotzdem einen solch überzeugenden Gig spielten und die erste größere Headbangeransammlung verursachten, ist ihnen hoch anzurechnen. Die Band hat ihre Wurzeln im klassischen Heavy Metal mit leichtem Hang zum Thrash, was auch das abschließende Cover von Sodoms "Bombenhagel" unterstrich. Testimonys Musik ist außerdem vom gelungenen Wechselgesang von Drummer und Sänger geprägt, wobei der Schlagzeuger die aggressive Variante beisteuert, während der Sänger über eine sehr kraftvolle, melodische Stimme verfügt. Also, ich will die Jungs auf alle Fälle noch in "normaler" Besetzung sehen und komme schon jetzt als neuer Fan hinzu. Thanks!
Über Mathyr vermag ich nicht allzu viel zu sagen, da ich mich zur Nahrungsaufnahme und allgemeinen Konversation entschlossen hatte. Sie spielten aggressiven Black/Thrash Metal, boten eine professionelle Show und wurden vom Publikum äußerst wohlwollend aufgenommen. Überhaupt muss noch die Stilvielfalt der auftretenden Bands erwähnt werden. Gute Auswahl vom BOA-Team hier.
Die folgenden Disrepute kamen erstmals in den Vorteil der feinen Lichtanlage und hatten wohl auch den besten Platz im Billing. Die Leute waren noch nicht so durchgefroren, die Technik spielte mit und vor der Bühne versammelte sich eine große Anzahl begeisterter Headbanger. Der originelle Death'n'Roll Disreputes tat seine Wirkung und verwandelte die Menge in ein zuckendes Etwas aus erhobenen Fäusten und fliegenden Haaren. Klasse Auftritt einer auch spielerisch absolut überzeugenden Mannschaft!
Nun wurde deutlich, dass ein großer Teil des Publikums sehnlichst auf Ganymed gewartet hatte. Es wurde noch einmal richtig voll vor der Bühne und die Band hatte das mit ihrer sehr eindrucksvollen Thrash-Core-Variante auch verdient. Nur leider bekamen sie die meisten technischen Probleme ab, so dass es immer wieder zu Zwangspausen während des Gigs kam. Dieser Umstand und die erwähnte Kälte sorgten dann doch für eine leichte Abwanderung seitens des Publikums, die sich bei den ebenfalls exzellenten Blackeight dann noch fortsetzen sollte. Dennoch wurde bei Ganymed ordentlich gefeiert. Sepulturas "Roots Bloody Roots" bekamen die Fans noch als extra Schmankerl und wenn ich mich nicht verhört habe, gab's auch noch was von good old Motörhead zu hören. Ganymed sind definitiv eine herausragende Band die es wert wäre, dass mal ein größeres Label ein Auge auf sie wirft.
Blackeight durften als letzte Band ran und es war erstaunlich, wie viele Fans in der Kälte auf "ihre" Band warteten. Blackeight beschreiben ihren Stil als "Hard-Melodic-Goth-Rock" und haben, soweit man diese Musik wirklich definieren will, auch recht damit. Sie spielen eigenständige Musik und das ist heutzutage mehr als ein Kompliment. Die Aufteilung des Gesangs zwischen Gitarrist und Sängerin klappte ebenfalls tadellos und war eine weitere Bereicherung der Blackeightschen Hartmetallvariante. Ich gestehe, dass ich mir nur drei Songs zu Gemüte geführt und dann meiner angeschlagenen Kondition Tribut gezollt habe.
Noch zwei kleine Denkanstöße für die Veranstalter: Eventuell doch über die Verwendung einer anderen Anlage nachdenken und vielleicht einen bekannteren Act als Headliner verpflichten. Das Konzept des Festivals ging auf alle Fälle voll auf. In einer Gegend, wo härtere Sounds erst langsam wieder Auftrittsmöglichkeiten finden, wurde eine Veranstaltung geboten, die Fans und Bands gleichermaßen als große Feier empfanden. Das diesjährige BOA war ein toller Event, bei dem die Gewinner für mich Testimony und Disrepute waren!



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