www.Crossover-agm.de
ProLife-Festival   09.11.2002   Bautzen, TiK
von *tf

Denkwürdige Tage können durchaus auch mit kontrastierendem Programm gestaltet werden. So war eine der Grundideen von Pro Life (Für das Leben), dem Bandfestival der evangelischen Jugend, welches nun schon seit geraumer Zeit regelmäßig Anfang November im Bautzener TiK stattfindet. Und auch die diesjährige Ausgabe stand unter diesem Motto. Reichskristallnacht und Öffnung der innerdeutschen Grenze - zwei gegensätzlichere Jubiläen sind schwer vorstellbar. Und doch bestimmen sie bis heute den Rhythmus unseres Lebens, hinterlassen ihre Spuren auch in gegenwärtiger Un-Weg-barkeit. Das Geschehene als Wegzeichen mit einer Feier deutsch-deutscher-tschechischer Musikbegegnung zu verknüpfen, kann auch für das diesjährige Pro Life, welches wie immer vom Landesjugendpfarramt organisiert und von der AG Musik unterstützt wurde, als gelungen bezeichnet werden.
Den Beginn des Festivals gestaltete wie fast immer eine Bautzener Combo, welche auch gleich ihren Heimvorteil ausspielte und das freundliche Publikum von Anfang an begeisterte. Slatewound, so der Name der Kapelle, traten als männlicher Vierer mit weiblichem Steuermann an und spielten einen Mix aus eigenen Titeln und Coversongs. Dabei kamen die eigenen Songs beim Publikum besonders gut an und selbstgefertigte Stücke wie "Katastrophensong" - eine Verarbeitung der kürzlich über Sachsen hereingebrochenen Flut - und "Blinder Mann" ließ die mittlerweile auf knapp 200 Leute angewachsene Zuschauermenge andächtig lauschend beisammen stehen. Die Sängerin steigerte sich von Lied zu Lied und reizte ihre stimmlichen Möglichkeiten beim Abschlusssong dann auch richtig aus. Etwas mehr Bühnenerfahrung bleibt dem Fünfer zu wünschen und natürlich weitere Songs aus eigener Feder.
Nach kurzer Umbaupause - souverän agierte wieder vor, während und nach dem Festival der unvergleichliche Fritz an der Technik - heizten dann Burning Damp - fünf junge Burschen aus Zwickau - dem Auditorium ein. Dramatischer Auftakt mit Donner vom Band und Nebel aus der gleichnamigen Maschine gefolgt von eingängigen Riffs und gekonnten Unisono-Passagen: das war ganz nach dem Geschmack der jugendlichen Hörerschar, die erstmals auch richtig Bewegung in die Halle brachten. Teilweise konnte man die Menge als brodelnde beschreiben, aus deren Mitte immer wieder ein paar pogende Gestalten emporhüpften. Der Sänger der Band, der während des gesamten Sets unablässig in Bewegung war, shoutete die evangelisierende Message von Burning Damp wie "Thank you God" und "Jesus, Du bist der Herr" in die Massen und überzeugte durch Authentizität. Da war wohl nur folgerichtig, dass die Jungs aus Zwickau ihr Konzert mit einem kräftigen "Amen" abschlossen. Eine gekonnte Darbietung, eine reife Leistung.
Nach der aufwühlenden Zwickauer Mucke hatten es die drei Herren aus Leipzig, die unter dem Namen zwischenFall auftraten, natürlich schwer. Der Meute vor der Bühne gelüstete es nach Steigerung und so wurden lautstarke Einwände gegen die nun zu hörenden leisen, poetischen Songs aus diversen Ecken der Halle geäußert. Meiner Meinung nach gehörte der Eröffnungssong "Der Trend" auch nicht zum Besten, was die Leipziger Combo im Gepäck hat. Da ist von Anfang an genaues Zuhören notwendig, weil die musikalische Gestaltung nicht so atemberaubend ist. Und so hatte ich stellenweise den Eindruck, mich auf einem Poetry Slam zu befinden: dicke Luft, schwere Texte, massive Publikumseinwürfe, dazu ein mit den akustischen Gegebenheiten kämpfender Techniker, der vom Saal aus den Mixmann dirigierte. Etwas unwirklich und doch eine ganz besondere Erfahrung. Auf jeden Fall eine Kommunikation zwischen Bühne und Saal, wie man sie nur selten erlebt. Und gegen Ende waren dann auch nur noch diejenigen fünfzig Zuhörer da, die sich für die lyrischen Texte der Leipziger interessierten und nicht mit Beifall sparten.
Nach den poetischen Schwergewichten hatten dann SLA (was Sturm Links Außen bedeutet), eine dreimännige Crew aus Wernigerode ein leichtes Spiel, Das lag zum einen am Repertoire - fast ausschließlich Coversongs der Ärzte - zum anderen an der erfrischenden Unbekümmertheit, mit der die Jungs zu Werke gingen. Und so wurden wieder pogende Gestalten und Ringtänzer gesichtet, die auf ihre Weise die dargebotene Partymucke honorierten.
Schlussendlich betraten, wie es nun schon Tradition ist, tschechische Musikerkollegen die Bretter. Puvodni Bures hieß die vierköpfige Kapelle aus Prag, die sich vor allem durch ihre Mischung aus Folk, Punk, Blues und Psychedelic beim Publikum beliebt machte. Einige Klischees durften natürlich im Programm nicht fehlen, wie die Gerhart-Hauptmann-gleiche strophenreiche tschechische Ballade - der Schreck vieler Camper im damaligen befreundeten sozialistischen Ausland. Erwähnenswert vor allem die elektrifizierte Violine, die sparsam und dennoch deutlich Akzente setzte. Vergleiche machten unter den Gästen die Runde, und von City bis zum Mahavishnu Orchestra war alles dabei. Die Band erläuterte in englisch die Songs und so konnten auch die Nichttschechischkundigen wie ich mit den Inhalten etwas anfangen. Gejohle bei der Ansage: "The next song is called: I drunk a sea of beer ..." und mit einem fröhlichen Moshpit bedankte sich das Bautzener Publikum für drei Zugaben der Prager.
Nach dem Konzert dann noch eine Menge kleiner Grüppchen, die sich mit oder über die Künstler unterhielten und die einhellige Meinung: Im nächsten Jahr wieder zum Pro Life nach Bautzen ...






www.Crossover-agm.de
© by CrossOver