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Lila Downs   07.11.2002   Darmstadt, Centralstation
von gl


Konzertflyer Lila Downs
Faszinierend, außergewöhnlich, bewegend - das sind die Attribute, mit denen man das Konzert versehen muss, welches die US-Mexikanerin, die ich als Ausnahmekünstlerin bezeichnen will, in Darmstadt darbot. Und das bei einem völlig CD-reinen sauberen absolut fantastischen Klang - ich habe wirklich selten so einen guten Sound bei einem Konzert vernommen, alle Instrumente waren bis in feinste Klangnuancen deutlich hörbar - dies mag sicher damit zusammenhängen, dass HR1 dieses Konzert mitschnitt. Denn die Tochter eines nordamerikanischen Vaters schottischer Abstammung und einer mexikanischen Indianerin interpretiert nicht einfach unterschiedliche Kulturen, sie lebt sie - was auch durch ihre Kleidung unterstrichen wurde. Ja sie singt nicht einfach nur, sie zelebriert die Songs durch Handbewegungen, Mimik, Gesten und kleine Tänze und auch Einlagen - so kniete sie sich passend zu einem traurigen Song auf den Boden. Dies wirkte auch nach über 100 Konzerten, die sie dieses Jahr bereits gab, in keiner Weise aufgesetzt sondern durch und durch authentisch und ergänzt durch die Vollprofis an den unterschiedlichen Instrumenten ergab dies ein stimmiges Gesamtbild, dem die ca. 400 (?) anwesenden Personen derart diszipliniert und still andächtig lauschten, dass ich FLÜSTERND am Stand meine Getränke bestellte und meiner Begleitung in einer ruhigen Passage verbot, das Bier mit einem Plopp zu öffnen (nicht dass das nachher in der Radio-Aufnahme zu hören ist!). Sie modelliert ihre Emotionen mit den Händen in der Luft, singt bisweilen mit tiefem Timbre, dann wieder mit verstellter Kinderstimme - jeweils passend zu der Stimmung des Songs - grandios!
Ihr seht schon, das war ein anderes Konzert als sonst, unterstrichen auch durch die Tatsache, dass zuvor eigens durchgegeben wurde, dass die Künstlerin darum bat, dass in der Halle nicht geraucht wurde, eine sehr angenehme Sache nebenbei.
Unterstützt wurde Lila durch Musiker aus Mexiko, Argentinien, Paraguay und den USA - allesamt Meister ihres Faches, die im Laufe des Sets die Instrumente wechselten. Paul Cohen, eine Art "Musical Director" fiel hier besonders auf, er spielte nicht nur Keyboards, Klarinette und Saxophon, nein bei einem Song fing er an auf der Bühne äußerst artistisch und virtuos mit Bällen zu jonglieren und hinterher verkaufte er am Souvenirstand die CDs! Oder auch eine Harfenistin die nachher zu einer Art Mittelding zwischen Gitarre und Ukulele überwechselte. Noch ein Instrument dessen Name ich leider nicht weiß (laut Albumcredits evtl. Guiro?) bediente Lila selbst: Eine Art Kegel mit Ritzen drin, auf denen sie den Takt mitschrappte. Man lernt ja bekanntlich nie aus, nachdem mir im Sommer beim Konzert von Carolina Escolana der "Rainmaker" erklärt wurde.
Von dem brillanten Album "Border/La Linea", welches übrigens inzwischen zu Recht mit dem Vierteljahrespreis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet wurde, kamen sicher mindestens 5 Songs zu Gehör, darunter die sentimental-berührenden "La Linea" und "La Martiniana", bedingt eben durch die behandelte Problematik. Denn Lila singt von den Erlebnissen der Immigranten aber ohne erhobenen Zeigefinger mit einer Stimme voller Stolz und Schmerz. Die anwesenden kleinen Gruppen von Mexikanern dankten ihr dies durch das Schwenken einer kleinen Mexiko-Fahne und "Viva Mexico!"-Zwischenrufen und wurden zum Abschied mit einem wohl bekannten mexikanischen Volkslied belohnt.
Ja man bekam Fernweh nach Mexiko - nur die Songs spielen sich nicht in Touristenzentren ab oder in Yucatan und den Traumstränden von Chichen Itza, sondern in den Slums von Tijuana oder Mexiko-Stadt. Und sie richten sich klar gegen die Ausbeutung der Einwanderer und den Globalisierungswahn.
Man braucht kein Spanisch verstehen zu können um die Intensität und die Leidenschaft dieser Künstlerin förmlich spüren zu können. Ein Abend in einer sehr angenehmen Location, an den ich noch lange mit Freude zurückdenken werde.
ACHTUNG: Dieses hochklassige Event wird am 28.12.2002 auf HR1 ab 22.15 in voller Länge ausgestrahlt! Sowas Stimmungsvolles gehört eigentlich auf DAT-Recorder aufgenommen und für die Ewigkeit festgehalten!



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