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MENSCHEN AM FLUSS (Benefizkonzert zu Gunsten Riesas)    03.09.2002    Mannheim, Maimarkthalle
von gl


Menschen am Fluss
Endlich war Mannheim mal wieder bundesweit in den Positiv-Schlagzeilen, und alle TV-Sender berichteten vor Ort über dieses großartige Event, das von Rolf Stahlhofen, dem engagierten "Sohn Mannheims" innerhalb kürzester Zeit mit großem Einsatz auf die Beine gestellt wurde. Und auch wir konnten unser kleines Scherflein dazu beitragen: Vom Eintrittsgeld in Höhe von 26 Euro gingen 100% ohne jegliche Abzüge an die Flutopfer in Riesa, denn alle Künstler, Techniker und auch viele der zahlreichen beteiligten helfenden Hände verzichteten auf Gage, Hotels stellten kostenfrei Übernachtungen etc. Und dieses Review schreibe ich nicht nur, weil große Teile der CrossOver-Redaktion nur wenige km von Orten entfernt wohnen, die stark betroffen waren, sondern Riesa ist die Partnerstadt Mannheims. Immerhin über 8000 mal 26 Euro, und etliche Spenden in beträchtlicher Höhe, das ist sicher mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, und man hatte noch (zumindest na sagen wir aus meiner Sicht ca. 90 %) Spaß dabei! So sandte die Gruppe PUR, die auch eingeladen war, aber im Urlaub war einen Scheck in Höhe von sage und schreibe 25000,- Euro! Wobei natürlich bei einem derartigen Konzert, wo alle Beteiligten helfen wollen, es nicht passend ist, allzu drastisch zu kritisieren.
So, mal schauen, ob ich die beteiligten Künstler verschiedenster Coleur noch zusammenbekomme: Zu Beginn eröffneten mit LIQUIDO und SON GOKU direkt die beiden härtesten Acts des Abend hintereinander den doch recht rock-orientierten Abend und ließen es beide gleich richtig laut krachen und SON GOKU mit ihren engagierten Texten und ihrem aggressiven Hüpf-Stageacting waren auch dann gleich ein Highlight.
Dazu im krassen Gegensatz das TRAUMTHEATHER SALOME mit sanften Klängen und Fantasiekostümen (riesiger Pferdekopf) und einer Darbietung eines biegsamen Menschen, der sich in eine kleine Box quetsche. Ein weiterer Höhepunkt: Der Auftritt von ROLF STAHLHOFEN mit seiner eigenen Band, und hier kamen die beiden großen Videoleinwände optimal zum Einsatz: während mit lähmenden Bildern im Wasser versunkene Städte gezeigt wurden, spielte die Band "Es ist Zeit, was zu ändern" vom noch nicht veröffentlichten Album: Ein grandioses Stück, das hier passte, als wäre es erst dafür komponiert (?). Überhaupt Rolf Stahlhofen: lobenswert - zur Pressekonferenz trug er ein T-Shirt mit der Aufschrift "Stell Dir vor es ist Krieg und die Amis geh'n hin" - er führte bestimmt und mit deutlichen auch kritischen Worten durch den Abend, was man von seiner Co-Moderatorin Katy Karrenbauer (das ist die von HINTER GITTERN) nicht behaupten kann, die leider eher durch falsch ausgesprochene Namen auffiel. Dann der Auftritt von LAITH AL-DEEN, der ja in Interviews erwähnte, dass er früher in einer Metal-Band sang, und seine Lieblings-Metal-Platte "Powerslave" von IRON MAIDEN sei ... Falls es sich um die TOM HAPKE BAND handelt, mit der er 1995 EINE 5-Track EP einspielte, die aber beileibe kein Metal war, gefiel mir das Material damals doch besser als die heutigen Kuschelkommerz-Songs a la "Dein Lied" oder "Bilder von Dir" - die sich aber natürlich jedoch ein paar Millionen Mal mehr verkauften! Der umwerfende Erfolg sei ihm gegönnt, er kam sehr gut an beim Publikum, wenn doch die Band nur ein wenig mehr ihre Rockwurzeln zeigen könnte.
JULE NEIGEL war nicht nur gesanglich, auch optisch für mich ein weiterer Höhepunkt, denn nach wie vor weiß sie mit ihrer charismatischen Stimme zu fesseln, und zog mich mehrere Reihen nach vorne hin zur Bühne mit einem tollen Auftritt: "Du bist nicht allein" versprach sie als symbolische Geste in Richtung Ostdeutschland. Ein Ärgernis leider der peinliche, angeblich lustige (?) Auftritt von MUNDSTUHL, wobei man vorwegschicken muss, dass aufgrund des sehr engen Zeitplanes die Roadcrew immer schon emsig über die Bühne wuselte um das Set für die nächste Gruppe innerhalb von nur ca. 5 Minuten aufzubauen, eine logistische Meisterleistung, die den ganzen Abend exzellent funktionierte! (Man fragt sich dann eher, wieso zum Kuckuck bei so vielen anderen Konzerten die Wartezeit künstlich auf bis zu 45+ Minuten verlängert wird ...) Die 2 haben also nichts besseres im Sinn als die Stagehands übers Mikro mehrfach als "Hey Du Arschloch, hey Du schwule Sau" zu bezeichnen und zig Mal "Scheissedreck" zu verkünden: Etliche Leute im Publikum hatten einfach Fragezeichen im Gesicht nach dem Motto: WAS SOLL DAS?!? Die Erkan-und-Stefan-Generation, die so einen flachen Dünnbrettbohrer-Humor vielleicht witzig findet, war heute nur schwach vertreten ... Der Veteran OTTO später am Abend hat zwar auch 'n paar olle Kamellen im Programm, aber er verstand es wirklich das Publikum zum Lachen zu bringen und mitzureißen und brachte es sogar fertig dass die ganze Halle "Hänschen Klein" intonierte! Die Routiniers von BAP, die über ihre Sängerin und Percussionisten Sheryl Hacket, die in Heidelberg wohnt, als erste zusagten und somit viele Stars bekräftigten, auch zu kommen legten einen gewohnt überzeugenden Set hin und hatten einen ungewohnten Gast: Eff-Jot Krüger, den Gitarristen von IDEAL! Und prompt erklang dann auch "Ich steh auf Berlin" von der NDW-Ikone IDEAL! (Coole Auswahl, sonst hört man ja immer nur "Deine blauen Augen".) Eine Solistin des kürzlich in Mannheim aufgeführten Musicals "Jesus Christ Superstar" trat auf und bot eine Kostprobe ihres Könnens. Und auch UWE OCHSENKNECHT, ebenfalls Mannheimer trat mit seiner Band auf, sang und trommelte danach noch. Wobei wohl viele nicht wissen - na, hier bei uns wohl schon, aber deutschlandweit -, dass er nicht nur Schauspieler ist, sondern auch 2 AOR-Alben rausgebracht hat.
Dann der Höhepunkt des Abends, die SÖHNE MANNHEIMS mit XAVIER NAIDOO (der nur konnte, weil sein Konzert in Dresden eben wegen des Hochwassers ausfiel - grotesk). Viel Bewegung auf der Bühne beim als Intro benutzten "The Lion Sleeps Tonight", Gänsehaut-Atmosphäre bei "Meine Stadt" und "Geh davon aus" - Spielfreude satt und jede Menge los auf der Bühne: grandios! Das konnte UDO LINDENBERG nicht mehr toppen, obwohl er viel länger spielte, eine tolle Gastsängerin zum Duett bei "Hinterm Horizont geht's weiter" hatte und auch mit einigen bekannten Leuten des PANIKORCHESTERS auftrat, mit denen er schon Ende der Siebziger unterwegs war. Ein Junge, dessen Name ich nicht mehr weiß durfte noch einen Song namens "Lieber Gott" darbieten, der dann auch prompt chartete kurze Zeit später.
Zum Abschluss hatten viele ausgeharrt bis PETER MAFFAY kam, der die Massen auch gut im Griff hatte (und übrigens auch mit einem Teil der Musiker von Lindenberg spielte), er bat wiederum JULE NEIGEL erneut auf die Bühne, die ihm ja bekanntlich einen Text lieferte. Mit den (obligatorischen) "Sieben Brücken", im Original von KARAT, ging ein beeindruckender Konzertabend zu Ende. Ursprünglich war noch JOACHIM WITT angekündigt, spielte aber nicht, sein Song "Hier kommt die Flut" hätte wohl auch wirklich nicht gepasst an diesem Abend.



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