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Damaris Joy     24.08.2002     Geithain, Bürgerhaus
von rls

Der Prozentsatz an CrossOver-Lesern, der Damaris Joy während ihrer ersten Schaffensperiode schon live erlebt hat, dürfte sich im niedrigen einstelligen Prozentbereich bewegen. Schließlich fand die vorübergehende Auflösung der Band bereits anno 1988 statt, und obwohl die Musiker in der aktiven Szene verblieben, diverse Soloalben aufnahmen und/oder sich mit Leuten wie Xavier Naidoo, Jessy Dixon oder Phil Collins herumtrieben, sollten 13 Jahre Pause eigentlich genügen, um die Erinnerung in vielen Hirnen nachdrücklich zu löschen. Doch Fehlanzeige! Eine Tour mit fünf Gigs im Frühjahr 2002, mit der die neue CD "Limited Edition" vorgestellt wurde, geriet zum Triumphzug, und wenn das Publikum bei diesen Gigs auch so gemischt war wie das in Geithain, sollte es der Band um den zukünftigen Fanzuspruch aus verschiedenen Altersstufen nicht bange sein müssen, obwohl die Gesamtzahl der Anwesenden in Geithain im überschaubaren Rahmen blieb (wer den ganzen Tag in den nur wenige Kilometer entfernten Hochwassergebieten an der Mulde Schlamm schippt und aufräumt, geht halt abends nicht mehr ins Konzert, sondern fällt todmüde ins Bett, und die sich über die Region ergießende Flut an Benefizkonzerten erwies sich, obwohl gut gemeint, auch eher als kontraproduktiv, denn diese brauchen ja auch ein gewisses Publikum, das sich nur in Grenzen aufteilen kann). Damaris Joy störten sich jedenfalls nicht an der geringen Zuschauerzahl (die machte auch Krach für locker zwei Hundertschaften, und in der hinteren linken Ecke des Saals traten zarte Versuche eines Herrenballetts zutage) und spielten über zwei Stunden lang eine gesunde Mixtur aus Material der neuen CD "Limited Edition" und Songs der ersten Schaffensperiode herunter. Nichteingeweihte überraschte zunächst die Bandbesetzung: Nicht nur daß gleich alle fünf Mitglieder ein Mikro vor der Nase hatten (und teilweise hochanspruchsvolle Satzgesänge produzierten, wobei Helmut Jost und Hans-Martin Wahler sich die Leadvocals teilten), es standen auch zwei Keyboarder auf der Bühne. Sich nach der Sinnhaftigkeit dieser Besetzung fragend, wurde schnell klar, daß das Damaris Joy-Material eine Reihe von Keyboardpassagen enthält, die von einem Keyboarder allein auch dann nicht bewältigt werden können, wenn er ein mehrmanualiges Instrument bedient. Das "Leadkeyboard" (wenn man mal die übliche Gitarrenterminologie übertragen möchte) spielte dabei meist Karl-Friedrich Wahler (sein Bruder Hans-Martin hatte ja nebenbei noch Leadsängerpflichten), und die Wahlers bewiesen in mehreren Passagen mit brillanten Doppelleads auch ein blindes Verständnis untereinander. Mit dem Stilbegriff "Gospel-Rock", der noch aus der alten Zeit stammt, bin ich zwar nicht so recht glücklich, da der Gospel-Terminus heutzutage eher andere Assoziationen im musikalischen Bereich hervorruft als einen rein geistlich bezogenen Background, aber was soll's. Zwar muß mir bei Gelegenheit mal jemand erklären, warum jede zweite Kirchenrockband nach Toto klingt (das taten auch Damaris Joy phasenweise nicht zu knapp), aber solange trotzdem ein eigenständiges Ergebnis erzielt wird (was bei Damaris Joy eindeutig der Fall ist) und das Ganze auch noch brillant und mit viel Feeling gespielt wird, soll mir (als bekennendem Toto-Anhänger) das nur recht sein. Passenderweise klangen Helmuts Vocals nach einer Mixtur aus Steve Lukather und Keith Emerson, während mir für Hans-Martins sehr nasalen Gesang kein richtiger Vergleich einfallen will. Von der alten Besetzung standen übrigens vier Fünftel auch im neuen Line-up auf der Bühne - neu im Bunde ist lediglich Drummer Sebastian Cuthbert, der noch nicht mal geboren war, als sich Damaris Joy seinerzeit gründeten (jaja, der Rezensent war das auch noch nicht) und der mit songdienlichem, aber frischem und engagiertem Schlagzeugspiel eindrucksvoll dafür sorgte, daß die Gefahr, hier stünde eine abgewrackte Altherrenriege auf der Bühne, für die nächsten Jahrzehnte gebannt sein dürfte. Sympathischerweise versaubeutelten die Herren gleich mal einen kompletten Songanfang, damit liebevoll verdeutlichend, daß sie auch nur Menschen sind - mehr als menschlich auch die Ansagen von Helmut und Hans-Martin, konkrete Geschichten zu den Songs oder eher allgemein gehalten, aber auch aktuell auf die Hochwassersituation bezogen (für die engagierte und mutige, in den Ohren des Rezensenten perfekt passende Ansage zu "Summer Rain", daß eine Flut auch die Chance für einen Neuanfang bietet und aus den nassen Feldern und Wiesen wieder frisches Gras sprießen wird, wäre Hans-Martin in Grimma wahrscheinlich gesteinigt worden) und diesbezüglich sehr oft den Begriff "Hoffnung" verwendend. Lobenswert auch die Tatsache, im Programmheft einen großen Teil der Lyrics abzudrucken, noch dazu auch in deutscher Übersetzung (wenige Songs hatten von vornherein auch einen deutschen Text - Hans-Martins Gesang sorgte aufgrund der erwähnten Nasalität leider für eine nicht allzu große Verständlichkeit, obwohl der Sound generell schön klar, ausgewogen und nicht überlaut war) und mit weiterführenden Kommentaren. Rein netto standen Damaris Joy wie erwähnt reichlich zwei Stunden auf der Bühne, mixten straightere Rocker mit langsameren Tracks, streuten mal Queens "We Will Rock You"-Rhythmus ein, verkniffen sich Akustiklagerfeuerpassagen weitgehend und kamen ohne drei Songs als Zugabe nicht davon. Willkommen zurück, Jungs!



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