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Eurobrass
27.07.2002 Ortmannsdorf, Kirche
von
rls
Der Ensemblename führt
diesmal eigentlich in die Irre: Die 2002er Inkarnation von Eurobrass bestand
nämlich aus vier Deutschen und acht Amerikanern (auch wenn unter letztgenannten
einige deutsche Vorfahren gehabt haben müssen, wie die Familiennamen
Klophaus oder Hertel unterstreichen). Aber "Americabrass" klingt nicht
so schön; "Worldbrass" ginge allenfalls noch. Wie auch immer: Eurobrass
ist ein am BibelSeminar Königsfeld (das liegt irgendwo im idyllischen
Schwarzwald) angesiedeltes Projekt, das jeden Sommer drei Wochen lang mit
einigen festen Mitgliedern und einer Anzahl jährlich wechselnder Gastmusiker
quer durch Deutschland tourt und ein hochanspruchsvolles Programm an Bläsermusik
spielt, das anno 2002 unter dem Nehemia-Motto "Die Freude am Herrn ist
unsere Stärke" stand. Durch die wechselnden Programme und Besetzungen
ist jeder Eurobrass-Gig immer wieder spannend, obwohl man in den Jahren
zuvor bereits zweimal im idyllischen Ortmannsdorf gastiert hatte.
"Freude" (egal ob nun in der
religiösen oder profanen Deutungsvariante) war ein gutes Schlagwort
für den gesamten Auftritt - die Freude des Ensembles, ihre Gaben einsetzen
zu dürfen, paarte sich mit der Freude des Publikums an der exzellenten
musikalischen Ausführung, und das, obwohl Eurobrass programmtechnisch
keinesfalls auf Nummer sicher gingen, sondern zahlreiche Stücke spielten,
die kaum einer im Publikum kannte. Zu Beginn des Gigs experimentierten
die zwölf Musiker mit Raumklangwirkungen - das funktionierte beim
"Feierlichen Einzug aus 'Lohengrin'" vom alten Wagner bestens (die tiefen
Instrumente spielten vom Altarraum aus, die Trompeten stießen schrittweise
durch den Haupteingang und Mittelgang zu ihnen, dabei ein fein ausgeklügeltes
vielstimmiges Call-And-Response-System verwirklichend), bei der doppelchörigen
"Canzon Duodecimi Toni" von Giovanni Gabrieli indes nicht ganz so gut,
da ich scheinbar einen akustisch ungünstigen Platz erwischt hatte
und deshalb den Emporenchor leicht zeitversetzt zum Altarraumchor hörte.
In der Folge blieben alle Musiker im Altarraum und spielten sich zwei Stunden
lang kreuz und quer durch die Bläserliteratur (oder die dafür
eingerichtete) der letzten Jahrhunderte, technisch mit absoluter Brillanz
(alle Mitglieder sind studierte oder studierende Musiker), aber trotzdem
sehr gefühlvoll und mit zwei, drei leicht schief liegenden Tonansätzen
liebevoll unterstreichend, daß auch sie nur Menschen und keine Maschinen
sind. Im ersten Teil des Programms unternahm man eine kleine Weltreise
von Italien über Deutschland, Frankreich und England bis in die USA
und schließlich nach Rußland, wo man sich an Schostakowitschs
"Festliche Ouvertüre" heranwagte und dieses mit technischen Kabinettstückchen
nur so gespickte Werk in erstklassiger Manier umsetzte. Bekanntestes Stück
dieses ersten Teils war sicher das "West Side Story"-Medley, dem man deutlich
anhörte, daß mit Dr. Chris Woods (der Baßposaune spielte
und so etwas wie der Stammarrangeur von Eurobrass ist) ein Amerikaner für
das Arrangement verantwortlich war - ich mit meinem eher europäisch
geprägten Background hätte den Refrain von "America" sicher anders
ausharmonisiert. Eher obskur dagegen das "Rondo für Euphonium" - Ensemblekopf
Angie Hunter bediente dieses an eine Mini-Tuba erinnernde Instrument und
bewies eindrucksvoll, daß man damit eigentlich alles spielen kann,
vom Tiefbaß über höchste Tenorklänge bis hin zu anspruchsvollsten
Solopassagen - Freude pur, nicht nur bei den anwesenden Mitgliedern der
Bläserfraktion. "Freude" war dann auch die große Leuchtschrift
über dem zweiten, eher religiös geprägten Teil des Programms,
eingeleitet mit einem Medley aus "In dir ist Freude", "Feiert Jesus" und
"Lobet den Herren", bei dem von erst- und letztgenanntem jeweils eine Mitsingstrophe
eingebaut war. Wieder wurde Chris Woods' arrangementöser Background
deutlich - mit dem "klassischen" Gastoldi-Satz zu "In dir ist Freude" hatte
das Erklungene nicht viel zu tun. Kein Bläserprogramm ohne Bach -
klar, daß hier "Jesu, meine Freude" in die Setlist mußte, von
Chris Woods ausnahmsweise mal sehr originalgetreu arrangiert. Technisch
fuhren Eurobrass in der zweiten Hälfte etwas zurück und konzentrierten
sich eher aufs Wirkenlassen von Harmonien, obwohl beispielsweise das von
vier Posaunen umgesetzte "No More Blues" oder die Zugabe "Radio City" immer
noch hyperschwierig waren. Zwei Stunden sind für ein Bläserkonzert
eine sehr lange Dauer (es waren allerdings nicht alle zwölf Bläser
permanent im Einsatz), und die vergingen wie im Fluge. "Wir hoffen und
wünschen, dass unsere Musik Ihnen zu einer Quelle der Inspiration
und Ermutigung wird. Möge unser Musizieren Sie auf dem Weg zur anhaltenden
Freude stärken." So stand's im Programmheft - Ziel erreicht, kann
ich da nur noch hinzufügen.
Setlist:
Feierlicher Einzug aus "Lohengrin
(Wagner/arr. Friedman)
Canzon Duodecimi Toni (Gabrieli/arr.
Linke)
Canzon Cornetto (Scheidt/arr.
Jones)
"How Down" aus Quartett Nr.
2 (Turner)
Shepherd's Hey (Grainger/arr.
Allen)
Pavane (Fauré/arr.
Pollard)
West Side Story Medley (Bernstein/arr.
Woods)
Rondo für Euphonium (Smith/arr.
Woods)
Festliche Ouvertüre (Schostakowitsch/arr.
Woods)
In dir ist Freude/Feiert Jesus/Lobet
den Herren (arr. Woods)
Freude Medley (arr. Woods)
Jesu, meine Freude (Bach/arr.
Woods)
Ich bin ja nur ein Gast auf
Erden (arr. Woods)
No More Blues (Jobim/arr.
Scharnberg)
Knowing You (Kendrick/arr.
Woods)
Herr, das Licht deiner Liebe/Majestät
(arr. Woods)
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Radio City (Parker)
Die letzte Zugabe konnte ich
auch anhand des Stückauswahlzettels nicht identifizieren, sorry ...
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