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Fish    28./29.06.2002    Enschede, Muziekcentrum
von Roland Leicht

Drehen wir die Zeit ein bisschen zurück. Auf der letzten Convention der Company Scotland (schottischer Fish-Fanclub) gab es bei dem obligatorischen Fußballturnier Probleme bei der holländischen und deutschen Mannschaft, so dass ein gemeinsames Team gebildet wurde. Und am Ende wurde das Turnier von Deutschland/Holland auch noch gewonnen. Angespornt von diesem völkerverständigenden Akt (man muss wissen, dass der „alte“ deutsche Fish-Fanclub u.a. wegen nicht bezahlten Rechnungen der Holländer pleite gegangen ist) wurde ein neues gemeinsames Ziel vereinbart. Ein deutsch/holländisches Fish-Fan-Treffen mit Fish-Konzert. Fish war davon so sehr angetan, dass daraus eine 2-tägige Veranstaltung wurde, die alle bis jetzt dagewesenen Fish-Konzerte in den Schatten gestellt hat.
Alleine die Ankündigung von Fish, am ersten Abend ausschließlich alte Marillion-Songs (darunter die komplette „Misplaced Childhood“) zu singen und den zweiten Abend dann ganz seiner bis jetzt immerhin 13 Jahre dauernden Solo-Karriere zu widmen, löste bei allen Ex-Marillion-, Noch-Marillion- und natürlich Fish-Fans absolutes Entzücken aus. Monatelang konnte im Internet von allen Fans abgestimmt werden, welche Songs Fish spielen soll und er versprach, die jeweils 3 meistgewählten Lieder zu performen.
Leider gab es im Vorfeld der Veranstaltung Probleme mit den gebuchten Musikern, so dass auf den zweiten Schlagzeuger Dave „Squeaky“ Stewart (u.a. auch bei Camel und der Donnie Munro Band aktiv) verzichtet werden musste und Bassist Steve Vantsis aus familiären Gründen nicht die ganze Zeit für die Proben zur Verfügung stand.
Der erste Abend „The Night Of The Jester“ war innerhalb kürzester Zeit restlos ausverkauft (Karten gingen bei Ebay für bis zu 110 Euro weg), so dass Fish am Ende beschloss, das absolute Highlight „Misplaced Childhood“ sowohl am Freitag als auch am Samstag (bei der „Night Of The Companies“) aufzuführen, damit alle, die für Freitag keine Karten mehr bekommen konnten, diese einmalige Sache wenigstens am Samstag geniessen können.
Endgültiges Line-Up war dann
Fish - Vocals
Robin Boult - Gitarre (viele Jahre bei Fish und u.a. bei Howard Jones auf der letzen Tour dabei)
Frank Usher - Gitarre (ebenfalls viele Jahre bei Fish und jetzt „Privatmann“)
Steve Vantsis - Bass (aktueller Basser der Fish-Band)
John Martyr - Drums (Ur-Drummer von Marillion)
Irvin Dogood - Keyboards (u.a. bei Gun und Stiltskin aktiv)
Zoe Nicholas - Background Vocals (SAS-Band)
Susie Webb - Background Vocals (SAS-Band)
Die „Night Of The Jester“ begann mit einem grandiosen „Script For A Jester's Tear“, das wohl mindestens der Hälfte der Zuschauer (eingeschlossen mir) Tränen in die Augen schießen ließ. Mindestens 10 Jahre wurde dieser Song nicht mehr live von Fish gesungen und es war einfach grandios. „Incommunicado“ gab‘s als Nächstes, gefolgt von einem superben „Incubus“, bei dem vor allem die zwei Gitarristen ein Hammer-Duett spielten. Danach das eigentliche Highlight. Die komplette „Misplaced Childhood“, bei der Fish mit einem seidenen Kimono auf die Bühne kam (Marillion-Fans können damit bestimmt was anfangen). Sagenhaft, einfach sensationell. Zum regulären Set gab es dann noch „Torch Song“, „Slainte Mhath“ und „Fugazi“. Ich brauche glaube ich nicht erwähnen, dass die 2000 Besucher voll aus dem Häuschen waren.
Als erste Zugabe wurde „Forgotten Sons“ gespielt, eine weitere Marillion-Hymne und der Saal kochte weiter. Leider passierte bei der zweiten Zugabe „Garden Party“ ein größerer Lapsus, da Fish sich etwas im Text verhedderte. Er hätte vielleicht auf seine Fans hören sollen, denn die grölten fehlerlos mit. Mit „Marked Square Heroes“ endete nach fast 3 Stunden eines der genialsten Konzerte, das ich je erlebt hatte. Einziger Kritikpunkt war der etwas mäßige Sound.
Völlig fertig, wirklich total begeistert und emotional berührt (ich kenne und mag Marillion seit ihren Anfangstagen) ging's zurück zum Campingplatz (De Twentse ES ... übrigens nur zu empfehlen, selten so einen sauberen Campingplatz gesehen, der auch nach dem Einfall von hunderten von Fish-Fans nicht gelitten hat), um dieses Ereignis noch mit ein paar Dosenbier und Jungem Jenever zu verarbeiten.

Am nächsten Tag war dann die „Night Of The Companies“, die bereits um 17.30 Uhr mit einer Video-Dokumentation begann (ein hübsches Filmchen über das Tourleben von Fish). Danach war „Question and Answer“ angesagt, bei dem Fish fast eine Stunde Rede und Antwort stand. Ich nenne das vorbildliche Fan-Arbeit.
Um 20.45 Uhr dann Konzertbeginn. „Vigil In A Wilderness Of Mirrors" (genial), „Credo“ (selten so gut gehört), „Family Business“ (hammergut), „Pipeline“ (live immer wieder der absolute Bringer), „Just Good Friends“ (im Duett mit den zwei Background-Sängerinnen, die nicht nur optisch geglänzt haben), „Shadowplay“ (Fish kann's noch, auch wenn er es jahrelang nicht mehr gesungen hat), ein gänsehauterzeugendes „Rites Of Passages“, „State Of Mind“ (mit Gast-Gitarrist Jan Akkermann, den die älteren Semester wohl noch von der holländischen Prog-Band Focus kennen), dann nochmal die komplette „Misplaced Childhood“ (noch eine Klasse besser als am Vorabend, weil die Nervosität der Musiker weg war) und zwei Teile von „Plague Of Ghosts“ („Raingods Dancing“ und „Wake-Up Call“) bildeten das reguläre Set. Als Zugabe wurde dann noch „Raw Meat“ und natürlich die Fanclub-Hymne „The Company“ gespielt. Und ruck-zuck waren 3 Stunden vorbei. Soundmäßig hatte der Mann am Mixer seine Arbeit viel besser gemacht als am Vortag. Brillianter geht's kaum.

Fazit: Allen Unkenrufen zum Trotze: The Jester is still alive. Zwei grandiose Konzerte, die jeder Marillion-Fan und natürlich alle, die Fish auch nach der Trennung von den Marillos mögen, wohl nie mehr vergessen werden. Es war zwar ein schweineteures Wochenende (fast 600 km einfache Fahrt, 2 mal 33 Euro Eintritt usw.), aber ich werde es nie bereuen. Und alle, die Marillion nur mit Hogarth mögen seid Euch sicher: DAS wird er nie schaffen. FISH ist Marillion und Marillion sind jetzt die Hogarth-Band.
 






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