Thomas Steinlein 07.06.2002 Chemnitz, Arche von rls Thomas Steinlein konnte mich
an diesem Abend nicht sehen, weil er blind ist - ich wiederum konnte ihn
auch nicht sehen, weil ich mal wieder zu spät in der Arche auflief
und in den proppevollen Räumlichkeiten nur noch einen Platz in der
hintersten Ecke kurz vorm Merchandisestand fand, von dem aus sich die Bühnensicht
auf eine Hälfte von Gitarrist Neil A. Quinton sowie Soundmensch Sven
beschränkte. Damit wären die musikalischen Protagonisten des
Abends auch schon aufgezählt - die Kleinversion der Thomas Steinlein
Band stand auf der Bühne, und besagter Sven sorgte außer für
den gut ausbalancierten, vergleichsweise druckvollen, aber nicht überlauten
Sound auch noch gasthalber für einige Percussions. Steinlein, einem
breiteren Publikum bekannt geworden durch sein Mitwirken bei Joyful Gospel,
ließ musikalische Gospelelemente nahezu außen vor, konzentrierte
sich dafür aber umso stärker auf textlichen Gospel, indem er
die einzelnen Songs nicht nur mit aus persönlichen Glaubenserfahrungen
lebenden Texten versah, sondern allen Humors zum Trotz auch die Ansagen
zu einem Plädoyer für die Annahme von Gottes Liebe machte. Höhepunkt
dieser Tendenz war die ergreifende Ballade "An deinem Kreuz", vom kompletten
Publikum entrückt mitgesungen - und positiverweise zerstörte
niemand die aufgebaute Atmosphäre, indem er danach etwa lautstark
applaudiert hätte; statt dessen herrschte eine alles andere als angespannte
Stille von beinahe einer halben Minute, bevor Steinlein einfühlsam
in den nächsten Song überleitete. Sehr überzeugend wirkten
auch seine eher rockigen Titel, allen voran "Lizenz zum Beten" und "Locker
im Herrn", die Titeltracks der beiden bisher erschienenen Steinlein-CDs,
die trotz Fehlens einer plakativen Eingängigkeit doch durch große
Nachvollziehbarkeit glänzen, was durch das begeisterte Mitsingen großer
Teile des Publikums unterstrichen wurde. Und bei einem noch unveröffentlichten
Song der Tempokategorie "schnelles Stakkato" das Drumplayback komplett
ausgeschaltet und das Publikum den Rhythmus durchklatschen zu lassen, kann
sich auch nicht jeder erlauben. Überhaupt wirkten die Playbackeinspielungen,
die sich in der Zweierbesetzung zwingend notwendig machen (in der vollen
Bandbesetzung spielen noch ein Bassist und ein Drummer mit), angenehm unsteril,
und bei manchem Keyboard-Gitarre-Duell fühlte man sich an glorreiche
Toto-Zeiten mit Paich vs. Lukather erinnert. Weniger zu begeistern wußten
mich die gelegentlichen Hip Hop-Elemente, aber ich bin ja bekanntermaßen
generell etwas hiphopophob veranlagt. Und obwohl Steinlein diplomierter
Sänger ist, hatte er es nicht nötig, in jedem Track sangestechnische
Schwierigkeiten einzubauen - an manchen Stellen waren mir die Gesangslinien
gar etwas zu simplifiziert. Aber egal: Diese zwei Stunden fielen unter
den Terminus "Erlebnis". Punkt.
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