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METALFEST mit Disillusion, Imma Concept (Record Release Party), Fall Of Serenity, Insomnia Astrorum    04.05.2002    Leipzig, Rockfabrik
von ta

Bis vor kurzem herrschte in der Lagerhofstraße abends angenehme Stille, nur das Zirpen der Grillen mischte sich gelegentlich mit den Geräuschen vorbeifahrender Autos, einsame Schritte klangen manchmal dumpf durch die Nacht und der Mond lächelte gütig und weise vom Himmelsgestirn und zündete gemütlich vor sich hin summend seine Pfeife an - Vorbei! Die Pforten der Rockfabrik wurden geöffnet, um dem deutschen Untergrund Einlass zu gewähren und zu diesem Fest war jeder eingeladen. Kurz vor Beginn traf ich den Sänger von Insomnia Astrorum schminkenderweise vor dem Spiegel beim stinkenden Abort und solcher kündigte mir sogleich "Na ja, so Black Metal halt" an. Mit der gewohnten Verspätung inbegriffen konnte es dann losgehen. Hier der Bericht:
Insomnia Astrorum: Schepperbangen. Erbarmungsloses Gekreisch, nicht kontinuierliches Geblaste, sondern auch konventionelles Uptempogepolter, was von den Gitarren auszumachen war, klirrte, diverse Soli lockerten den (Sound-)Brei ein wenig auf, Groove = Fremdwort mit "I", Identität = Fremdwort mit "G" oder andersrum - insgesamt also sowohl "Na ja" als auch "Black Metal halt". Trotzdem ganz lustig, besonders ob der geschminkten Gesichter.
Fall Of Serenity: Ventilatorenbangen übelster Sorte. Auf der Bühne schrubben drei Mann um ihr Leben auf irgendwelchen dunklen, geformten Brettern mit Stahlseilen drauf herum, dazu hackt hinter schwarz-goldenen Kesseln ein weiterer Überzeugungstäter heimlich Holz und vorne rennen zwei wild stierende Halbschränke herum und brüllen und bellen die Hölle ins zufällig daliegende Mikrofon. Zwar erreichte man weder die Intensität von Napalm Death, noch - der Vergleich liegt wegen der Doppelbesetzung des Sängerpostens nahe - musiziert man auf dem gleichen Level wie Dying Fetus, aber immerhin: Ich habe nicht eine Melodie gehört, das gecoverte "Casket garden" (Dismember) war der langsamste Song des Sets und die Lautstärke war immens. Auf Platte deathmetallte man noch Richtung Entombed, das Auftreten der kurzgeschorenen Musiker und das Soundgewitter vermittelten live jedoch eher den Eindruck eines Grindcore-Konzertes. Brutal, stumpf und ohne Gniedelsoli. Wolf Rüdiger Mühlmann vom Rock Hard-Magazin wäre glücklich. Ich bin es nicht.
Imma Concept: Doombangen. Die Gitarren erzählten von sterbenden Bräuten und verlorenen Paradiesen, der Mann am Mikrofon sang auch von sterbenden Bräuten und verlorenen Paradiesen, die Liedlängen waren partiell astronomisch. Trotz evidenter Reminiszenzen an die (ehemaligen) Größen des Doom-Death konnten das Liedgut mit oft herrlich gedoppelten Soli sowie die Performance der Band die zahlreichen Jünger in den Bann ziehen, so dass ein kollektiver Fall in ein düsteres Doom-Loch beinahe unausweichlich erschien, jedoch durch den auflockernden Livecharakter aufgehalten wurde. Schade war, dass das Keyboard so selten zu hören war, davon abgesehen konnten Imma Concept dennoch (als erste Band des Abends) einen akzeptablen Sound vorweisen. Diese Band wird hoffentlich ihren Weg gehen.
Disillusion: Individualistenbangen, d.h. ein jeder zerschneidet die stickig heiße Luft mit den Haaren und entwirft selbstbestimmte Prismen im rauchgeschwängerten Dunst. Über den technischen Standard des sympathischen Dreiers Worte zu verlieren, hieße, Eulen nach Athen zu tragen: Der komplexe Mix aus Thrash und melodischem Black/Death wurde auch heute souverän zelebriert, die agile Gitarrenfront war ständig in Bewegung und man präsentierte der die letzten Kräftereserven mobilisierenden Meute vor der kleinen Bühne  sogar neues Material und einen Death-Coversong zu Ehren des verstorbenen Death-Masterminds Chuck Schuldiner. Bei diesem ("Flesh and the power it holds") kam im Übrigen Patrick (keine Ahnung, wie der gute Mann weiter heißt ...) auf die Bühne und bediente den Bass, den ich bei Disillusion, wie die Musiker selbst, noch immer schmerzlich vermisse. (Sag mal, spielst Du nicht selber Baß? – Anm. rls) Wie schon Imma Concept wurden auch Disillusion stürmisch gefeiert und sogar mit "Zugabe"-Rufen noch ein letztes Mal für diesen Abend an die Instrumente gelockt. Nach "Long way down to Eden" jedoch war endgültig Zapfenstreich und die kalte Luft vor der RoFa war Balsam für den glühenden Körper. Und außerdem: ... Ruhe! Von den Wolken purzelte noch ein bisschen Tabak und eine Grille verzog sich verschüchtert in eine dunkle Ecke jenseits der hinten lärmenden Menschheit. Dann jedoch Schluss. Endlich. Stille. Ein verständnisvolles Kopfkissen.



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